Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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      Eine Woge aus Tabaksqualm, Schnapsdunst und Stimmengewirr brandete Tonto entgegen, als er die halbhohen Schwingtüren aufstieß und den Frontier Palace betrat.

      Die Tischreihen waren voll besetzt. Stühle wurden gerückt, Karten klatschten und Gläser klirrten. Beim Großteil der Gäste handelte es sich um Arbeiter aus den umliegenden Silberminen, das war an der derben, einfachen Kleidung, an den kräftigen Gestalten mit den schwieligen, erdverkrusteten Händen festzustellen. Die anderen Männer wären Bürger der Stadt.

      Als Tonto zur Theke ging, folgten ihm sämtliche Blicke. Er kümmerte sich nicht darum, bestellte einen Whisky, und der hemdsärmelige Barkeeper bediente ihn mit zuvorkommender Schnelligkeit.

      Der Duft eines herben Parfüms umfing Tonto plötzlich. Direkt neben ihm raschelte seidig ein Kleid. Eine leise Frauenstimme fragte: „Sie warten auf Monroe?“

      Er drehte sich halb und schaute in Sally Milburns Gesicht. Das gelbe Lampenlicht verstärkte noch den Glanz ihrer großen grünen Augen. Ihre Schultern waren bloß, die Haut schimmerte pfirsichfarben. Das enge Kleid betonte noch die erregenden Formen ihres biegsamen Körpers.

      Ihr Blick war fest und forschend. Schweigend wartete sie auf Antwort.

      Er stellte das leere Glas auf die Theke zurück.

      „Sie haben recht, Ma’am!“

      „Nennen Sie mich doch Sally“, sagte sie lächelnd. „Ich bin keine reiche Lady – ich bin nur Tänzerin.“

      Er erwiderte ihr Lächeln. „Nun gut, Sally!“

      Ihre Miene wurde ernst. „Sie haben sich also entschieden, Tonto?“

      „Blieb mir eine andere Wahl?“

      „Nein, das nicht!“, murmelte sie mit jäher Bitterkeit. „Wir alle hier in Silverrock haben nur die eine Möglichkeit.“

      „Meinen Sie? Ich habe jedenfalls die andere gewählt!“

      Ein Schimmer von Überraschung glitt über ihre Miene. Impulsiv fasste sie mit beiden Händen seine Arme.

      „Tonto! Heißt das, dass Sie nicht auf Monroes Angebot eingehen?“

      Die Erregung in ihrem Blick erstaunte ihn.

      Ehe er antworten konnte, rief eine ungeduldige Stimme durch den Saloon: „Sally, dein Auftritt! Ich warte schon!“ Ein glatzköpfiger Mann stand neben einem aufgeklappten Klavier und schaute, auf die Zehenspitzen gestellt, zu ihnen herüber.

      Sally seufzte und ließ Tonto los. Das Feuer in ihren grünen Augen erlosch.

      „Ich komme schon, Rhett! – Tonto, ich sehe Sie nachher!“

      Anmutig glitt sie zwischen den Tischreihen davon. Tonto lehnte sich gegen die Theke. Drüben nahm der Glatzköpfige vor dem Klavier Platz. Sally Milburn stieg langsam die Stufen zu dem Podium im Hintergrund des Raumes empor.

      Der Kahlkopf schlug ein paar Takte auf dem Klavier an, und der dumpfe Lärm im Saloon erstarb jäh. Alle Augenpaare wandten sich dem Podium zu, auf dem jetzt Sally stand – genau an der Grenze zwischen Licht und Dunkelheit.

      Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, ein Lächeln, von dem jeder Mann im Saloon annehmen konnte, dass es ihm galt. Sie machte ein paar federleichte Tanzschritte, wie zur Übung – und die Menge im Frontier Palace staute den Atem.

      Tonto merkte plötzlich, wie sein Herz schneller schlug.

      Diese Frau da oben auf dem Podium besaß mehr als ein schönes Gesicht und eine wundervolle Figur – ein Hauch berückender Faszination strahlte von ihr aus, der jeden Mann gefangennahm.

      Sally Milburn nickte dem Klavierspieler lächelnd zu.

      Die Finger des Mannes begannen flink über die Tasten zu gleiten. Die Klänge breiteten sich durch den ganzen Raum aus und formten sich zu einer flotten Melodie.

      Sally Milburn raffte den rüschenbesetzten Saum ihres engen Kleides bis zu den Knien hoch, machte vor dem Publikum, noch immer das Lächeln auf den fruchtroten Lippen, einen anmutigen Knicks – und dann begann sie zu tanzen.

      In diesem Augenblick legte sich eine Hand auf Tontos Schulter. Eine raue Stimme sagte: „Kommen Sie! Monroe wartet im Nebenzimmer!“

      Einer der Männer, die Cleve Milburn am vergangenen Nachmittag gefangen in die Stadt gebracht hatten, stand vor Tonto – ein sehniger finsterblickender Bursche, dessen Revolverkolben mit Kerben übersät war.

      Mit einer Kopfbewegung zeigte er zur verschlossenen Nebenzimmertür hinüber.

      „Okay!“, sagte Tonto knapp und folgte dem Revolvermann.

      Hinter ihnen wurden die Klaviertöne lauter, und dazwischen waren die Steppschritte der Tänzerin auf dem Podium wie Trommelwirbel zu hören.

      Der Monroe Mann öffnete die Nebentür vor Tonto. Drinnen brannte eine Petroleumlampe über einem mit grünem Samt überzogenen Spieltisch. Ein breitschultriger Mann in dunkelgrauem Anzug saß an diesem Tisch: Elmer Monroe.

      Eine Zigarre glühte vor ihm in einem Aschenbecher. Daneben stand ein halbvolles Whiskyglas. Seitlich hinter Monroe lehnte noch ein Revolvermann an der Wand.

      „Kommen Sie herein, Tonto“, sagte Monroe mit einem Lächeln, das Tonto warnte. „Hier sind wir unter uns!“

      Tonto wartete, bis der erste Revolvermann vor ihm das Zimmer betreten hatte, dann erst schob er sich langsam über die Schwelle. Er blieb so stehen, dass die Tür von innen noch nicht zu schließen war.

      Monroe bewegte sich nicht auf seinem Stuhl.

      „Nun?“, fragte er rau.

      Es sah ganz so aus, als gelte diese Frage Tonto. Einen Moment später wusste der junge Kämpfer aus Arizona, dass dies ein Irrtum war.

      Ein Scharren war hinter der offenstehenden Tür, aus den Augenwinkeln bemerkte Tonto eine schattenhafte Bewegung, und gleichzeitig gab eine vor Erregung kratzende Stimme Antwort auf Elmer Monroes knappe Frage.

      „Das ist er, Boss! Ja, das ist er – Jim Trafford!“

      Es war die Stimme Nat Henshaws!

      Und da wusste Tonto, dass es nur noch eines für ihn gab: den Kampf ums nackte Leben!

      *

      Er wollte sich rückwärts schnellen und zum Revolver greifen. Da knackte seitlich hinter ihm ein Colthahn, und Henshaw knurrte wild: „Versuch es nur, Freundchen! Ich brauche nur den Finger krummzumachen!“

      Tonto erstarrte. Henshaw hatte von Anfang an sein Schießeisen bereitgehalten. Es gab keine Chance mehr!

      Auf Elmer Monroes Gesicht erschien ein breites Lächeln. Langsam erhob er sich von seinem Stuhl …

      „Was ist denn, Tonto? Wollen Sie nicht hereinkommen?“

      Draußen im Saloon klimperte noch immer das Klavier. Sally Milburn hielt mit ihrem aufregenden Tanz die Aufmerksamkeit der Gäste gefangen. Niemand bemerkte, was hier im Nebenzimmer vorging.

      „Na los!“, zischte Henshaw und stieß Tonto die Coltmündung zwischen die Rippen.

      Tonto bewegte sich in den Raum hinein. Hinter ihm schlug Henshaw mit dem Fuß die Tür zu. Die Musik im Saloon schien jäh in weite Ferne gerückt.

      Jetzt hatte auch der Revolvermann an der gegenüberliegenden Wand die Waffe gezogen. Monroe verschränkte selbstgefällig die Arme vor der Brust.

      „Wenn ich heute Nachmittag schon gewusst hätte, dass du Jim Trafford bist, mein Junge, dann hättest du diesen Abend gar nicht mehr erlebt. Erst als ich mich mit Henshaw unterhielt, schöpfte ich Verdacht. Well, wie du siehst, ist es nicht zu spät.“

      Und hinter Tonto sagte Ben Smoletts Mörder heiser: „Du kannst dir gar nicht vorstellen, welches Vergnügen es mir bereiten wird, dir eine Kugel durch den Kopf zu jagen, du verdammter Geier!“

      Tonto