Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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denen er Elmer Monroe nach seinem Vater gefragt hatte.

      Warum hatte Monroe mit der Antwort gezögert? Warum hatte diese Frage ihn so offensichtlich getroffen?

      Diese Gedanken weckten eine fast wilde Hoffnung in Tonto. Ben Smolett hatte ihn vor dieser Hoffnung gewarnt. Er hatte ihm gesagt, dass damals vor jenen langen zwanzig Jahren alle Chancen gegen seinen ahnungslosen Vater gestanden hätten. Und er hatte ihn daran erinnert, dass Allan Trafford in dieser langen Zwischenzeit bestimmt etwas gegen seinen früheren Partner unternommen hätte, wenn er wirklich noch lebte.

      Zweifel befielen Tonto. Aber immer wieder musste er an Monroe denken! Hätte es nicht zum Wesen dieses machtgierigen, skrupellosen Mannes gepasst, ihm – Tonto – die Gewissheit über den Tod Allan Traffords höhnisch ins Gesicht zu schleudern? Warum hatte er es nicht getan?

      Fünfhundert Meilen hatte Tonto von Arizona aus zu den Elk Mountains in Colorado zurückgelegt, und doch hatte er jetzt das Gefühl, dass sein Trail nunmehr erst den Anfang fand.

      Wenn er lebend aus Silverrock entkam!

      Er musste es schaffen!

      Tonto bog um eine Schuppenecke und hatte den Mietstall vor sich. In stiller Schwärze lag das breite niedrige Brettergebäude. Der weite Korral dahinter war leer.

      Tonto wollte schon seine Deckung verlassen, da entdeckte er die schattenhaften Bewegungen drüben bei der Korralumzäunung und an der Mietstallecke. Für einen Moment glaubte er das matte Blinken von Metall zu erkennen.

      Flüstern trieb zu ihm her.

      „Jetzt haben wir ihn todsicher fest! Ich wette meinen Kopf gegen eine leere Patronenhülse, dass er hierher kommen wird. Und ehe er auch nur eine Hand an sein Pferd legen kann, haben wir ihn in ein Sieb verwandelt.“

      Hastig zog sich Tonto hinter die Schuppenecke zurück. Bitterkeit verkniff seine Mundwinkel. Sie hatten ihm den einzigen Ausweg versperrt – er saß in der Falle!

      *

      Irgendwo hinter Tonto in der Dunkelheit schnaubte leise ein Pferd. Er drehte sich um, seine Augen versuchten die Finsternis über dem engen Hinterhof zu durchdringen. Wieder war da dieses gedämpfte Schnauben.

      Tonto presste die Lippen zusammen, senkte die Hand auf den Revolverkolben und schlich geduckt in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Sand mahlte unter stampfenden Hufen. Einige Sekunden später erkannte Tonto die Umrisse eines Pferdes. Auf den Zehenspitzen näherte er sich ihm.

      „Tonto!“, rief eine leise Stimme.

      Er zuckte zusammen. Seine Hand schloss sich um den Kolben der Waffe.

      „Tonto!“ rief es wieder.

      „Sind Sie es, Tonto?“

      Jetzt erkannte er die Stimme, und ein Schauer der Erregung rieselte über seinen Rücken. Seine Haltung entspannte sich etwas.

      „Sally – Sie?“

      Eine schlanke hellgekleidete Gestalt schob sich hinter dem hochbeinigen Pferd hervor.

      „Ja, ich bin es! Kommen Sie, Tonto, schnell!“

      Gleich darauf stand er vor ihr. Sie atmete heftig, und trotz der Dunkelheit sah er das Glänzen ihrer großen Augen. Wieder umfing ihn der herbe Duft ihres Parfums. Ihr Kleid streifte ihn raschelnd.

      „Es ist Ihr Fuchshengst!“, sagte sie hastig. „Ich habe ihn aus dem Stall geholt, ehe Monroes Revolverschwinger zur Stelle waren!“

      Red Blizzard war gesattelt und gezäumt, und mit einem schnellen Blick erkannte Tonto, dass im Scabbard am Sattel sein Henry Gewehr steckte.

      Er atmete tief ein. „Wie soll ich Ihnen nur danken, Sally!“

      „Danken? Haben Sie schon vergessen, was Sie für Cleve getan haben?“

      „Das ist …“

      „Sie dürfen keine Zeit verlieren, Tonto! Sie müssen fort!“

      „Yeah!“, nickte er hart. „Yeah, Sie haben recht!“

      Er tätschelte dem Kentucky Fuchs flüchtig den Hals und packte dann das steile Sattelhorn.

      „Hat Sie jemand gesehen, Sally?“

      „Nein! Warum …“

      „Ich hoffe, Sie bekommen keinen Kummer deshalb!“

      „Kummer bin ich gewohnt!“ Ein bitteres Lächeln war aus ihrer Antwort zu hören.

      Impulsiv wandte er sich ihr voll zu. Ihr Gesicht war ein heller ovaler Fleck in der Dunkelheit. Sie war so nahe, dass er die erregende Wärme ihres Körpers fühlte.

      „Sally“, sagte er rau, „diese Stadt ist nicht gut für Sie und Ihren Bruder! Sie sollten fortgehen von hier!“

      „Ich wollte, das wäre möglich!“, murmelte sie schwermütig.

      „Weshalb?“

      „Ich werde es Ihnen ein anderes Mal erzählen, Tonto!“

      Sie fasste mit beiden Händen seine Rechte, und diese Berührung durchströmte ihn mit einer seltsam süßen Wärme.

      „Ich wünsche Ihnen Glück, Tonto! Sie müssen es schaffen, Sie müssen einfach!“

      Dann ließ sie seine Hand los und wich einen Schritt zurück. Sekundenlang stand er völlig reglos. Seine Kehle war wie ausgedörrt, in seinen Schläfen hämmerte es. Er war nahe daran, die Hände nach Sally auszustrecken und sie an sich zu ziehen.

      Mit einem Ruck wandte er sich schließlich um und schwang sich auf den Pferderücken. Als er den Kopf drehte, sah er die junge Frau eben noch hinter einer Gebäudeecke verschwinden. Zurück blieb nur ein Hauch ihres Parfüms und die Erinnerung an ihre Nähe, die ihn benommen machte.

      Er lenkte den Hengst herum und drückte ihm die Stiefelabsätze in die Weichen. Das Tier trabte los.

      Drüben beim Mietstall schrie jemand aufgeregt: „Heh, wer reitet da? Jack, sieh mal nach!“

      Vom Hinterhof trieb Tonto das Pferd auf die Main Street. Sofort geriet er in den breiten Lichtbalken aus einem nahen Fenster.

      „Da ist er! Tonto! Er ist es!“

      Ein Schuss fiel, die Kugel warf neben Red Blizzards Hufen Sandkörner empor.

      Tonto duckte sich tief auf den Pferdehals.

      „Zeig ihnen, was du kannst, Amigo!“, raunte er dem Hengst heiser zu. „Lauf, Blizzard, lauf!“

      Der schlanke Leib des rassigen Fuchses streckte sich. Die Hufe trommelten ein wildes Stakkato. Wie von der Sehne geschnellt, flog das Pferd die Main Street entlang.

      Die Schreie und Schüsse hinter ihm ließen Tonto Jim Trafford ungerührt. Die Gewissheit, dass ihn auf seinem schnellen Pferd niemand einholen konnte, erfüllte ihn mit neuer Zuversicht.

      Bis zu dem Augenblick, da er die Häuser von Silverrock hinter sich gelassen hatte und in der Finsternis um eine Gruppe mannshoher Wacholdersträucher bog …

      Er konnte gerade noch feststellen, dass er sich plötzlich zwischen einem halben Dutzend Reiter befand, deren Konturen von der Nacht verwischt wurden – dann traf ein harter Schlag seinen Hinterkopf.

      Seine Hände lösten sich von den Zügeln. Er merkte noch, dass er stürzte und aufgefangen wurde. Dann wusste er von nichts mehr.

      *

      Goldenes Sonnenlicht fiel durch die enge Fensterluke auf Tontos Gesicht und weckte ihn. Er setzte sich auf und stellte fest, dass er auf einem einfachen Feldbett gelegen hatte. Seine Bewusstlosigkeit musste in tiefen Schlaf übergegangen sein, und das war bei den vielen Strapazen, die hinter ihm lagen, nicht verwunderlich.

      Jetzt fühlte er sich frisch und ausgeruht und voll neuer Kraft. Forschend schaute er sich um. Der Raum war klein. Außer dem Bett befanden sich noch ein Schrank, ein Tisch und ein Stuhl hier