Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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ins Gesicht sehen zu können.

      Er wich ihrem Blick aus und nickte. „Du hast schon richtig gehört, Sally! Ich bin unterwegs, um Baxters Versteck aufzuspüren!“

      „Cleve! Was ist in dich gefahren!“

      „Monroe war gestern bei mir“, erklärte ihr Bruder leise. „Er drohte, meinen Steckbrief dem Sheriff von Gunnison zu übergeben. Nur zwei Chancen ließ er mir. Das Bandenversteck zu finden – oder einen Mann namens Jim Trafford unschädlich zu machen.“

      Sallys schmale Hände ballten sich zu kleinen Fäusten. Zorn sprühte in ihren grünen Augen auf.

      „Monroe!“, flüsterte sie. „Dieser Schuft!“

      „Um Himmels willen, Sally, sprich nicht so!“

      „Du hast Angst vor ihm, Cleve, ich weiß!“

      „Ich … ich bin machtlos gegen ihn, Sally! Er hat mich in der Hand!“

      Sie schaute starr geradeaus. „Ich wollte, wir könnten dieses Land verlassen.“

      „Dann würde man mich sofort wie ein Stück Wild jagen. Es ist unmöglich, Sally. Und deshalb gibt es auch jetzt keine Umkehr für mich. Ich muss reiten, ich muss das Camp der Baxter Bande finden.“

      „Und dabei wirst du dein Leben verlieren!“, sagte die junge Frau heftig.

      Er zuckte unwillkürlich zusammen. „Ich werde vorsichtig sein. Und für dich ist es wirklich besser, wenn du umkehrst.“

      „Ich denke nicht daran! Ich begleite dich!“

      „Sally …“

      In diesem Augenblick krachte ein Schuss. Die Kugel zischte niedrig über die beiden Geschwister weg.

      Cleves Gesicht wurde kreidebleich. Sie rissen gleichzeitig ihre Pferde herum. Hinter einer Waldzunge, die von einem Berghang ins Tal vorstieß, preschte ein Reiterrudel hervor, drahtige Gestalten auf struppigen schnellen Gäulen.

      Wieder blitzte ein Mündungsfeuer. Die Kugel fetzte durch das Laubwerk eines Eichendickichtes. Die Reiter fegten in donnerndem Galopp auf die Milburns zu.

      „Die Baxter Crew!“, schrie Cleve schrill.

      „Sally, schnell! Weg von hier!“

      Sie spornten ihre Pferde zum Galopp an und duckten sich tief auf die Pferdehälse.

      Hinter ihnen krachte eine ganze Serie von Schüssen. Dazu hämmerten die Hufe der Verfolger wie rasend. Cleve und Sally ritten den Weg, den sie gekommen waren. Der Reitwind ließ Sallys rotes langes Haar flattern. Cleve blickte immer wieder zurück, das bleiche Gesicht vor Anspannung verzerrt.

      Sie hatten etwa eine halbe Meile zurückgelegt, da tauchten zwischen riesigen Felstürmen vor ihnen weitere Reiter auf. In breit auseinandergezogener Linie starrten sie reglos den Herangaloppierenden entgegen. Über den Mähnen ihrer Pferde blinkten Gewehr und Revolverläufe.

      Cleve zerrte so heftig an den Zügeln, dass sein Brauner schrill wiehernd in die Hanken knickte. Sand und Gestein spritzten unter den bremsenden Hufen hoch. Beinahe wäre das Pferd gestürzt.

      „Eine Falle!“, gellte Cleve. „Um Himmels willen, eine Falle!“

      In diesen Sekunden waren die Minuten des Silbertransport Überfalls wieder für ihn lebendig. Damals war es ähnlich gewesen, da hatten die Banditen sie ebenfalls in die Zange genommen, und nur er war mit knapper Not entwischt. Zu deutlich erinnerte er sich daran, wie seine Gefährten erbarmungslos erschossen worden waren.

      Mit bebender Hand riss er seinen Revolver heraus.

      Neben ihm hatte Sally ihr Tier gezügelt. Obwohl auch in ihren Augen Angst flackerte, zwang sie sich dennoch zur Ruhe und ließ hastig ihren Blick, nach einem Ausweg suchend, über die Felshänge zu beiden Seiten gleiten.

      Vorne rief ein Bandit seinen Kumpanen einen heiseren Befehl zu. Sie hoben ohne Eile ihre Waffen. Hinten prasselten die wilden Hufschläge der Verfolger heran.

      Cleve drehte sich halb im Sattel. In seinem schmalen blassen Gesicht zuckte es, als er den Revolver hochschwang.

      „Nicht, Cleve!“, schrie ihm seine Schwester zu.

      Sie deutete mit ausgestreckter Hand nach rechts.

      „Da hinauf! Schnell, wir dürfen keinen Augenblick verlieren, Cleve!“

      Sie hatte eine Rinne zwischen Geröll und Felsen entdeckt, in der die Gäule den steilen Hang hinaufklettern konnten. Sofort trieb sie ihre Stute darauf zu. Cleve folgte ihr.

      Vorne krachten jetzt Schüsse. Die Kugeln zerschnitten jaulend die Luft. Die Gäule der Milburn Geschwister erreichten den Fuß des steil auf schwingenden Felshanges und begannen in der gewundenen Rinne auf kantigem Gestein nach oben zu klettern.

      Bei den Felstürmen schallten Flüche und Wutschreie. Die Banditen trieben ihre Pferde voran.

      „Sieh nicht zurück, Cleve!“, rief Sally keuchend ihrem jüngeren Bruder zu. „Immer weiter, weiter!“

      Die Pferde schnaubten. Ihre Köpfe bewegten sich nickend auf und ab. Unter den beschlagenen Hufen löste sich lockeres Gestein und polterte in die Tiefe.

      Unten hatten sich die beiden Bandengruppen zusammengeschlossen. Revolver und Gewehre, blitzten pausenlos, und das Echo der Detonationen rollte zwischen den Bergen. Die Windungen der Felsrinne und die Gesteinsklötze schützten einigermaßen vor den pfeifenden Geschossen. Unablässig trieben die Milburn Geschwister ihre Gäule weiter voran.

      Durch das helle Klappern der Hufe ihrer Pferde hörten sie, wie sich die Desperados anschickten, ebenfalls den Hang heraufzukommen.

      Mit schweißüberströmten Gesichtern erreichten Sally und Cleve endlich das Ende des Hanges. Ein kahles, mit einigen Felsklötzen übersätes Plateau lag vor ihnen. Es wurde im Halbkreis von senkrecht ansteigenden Felsmauern umschlossen. Nirgends gab es eine Lücke oder einen Aufstieg, wo man das Plateau hätte verlassen können – nur diese Felsrinne, aus der sie eben gekommen waren.

      Die Gäule ließen erschöpft die Köpfe hängen. Schweratmend schaute sich Cleve Milburn um. Dann krächzte er heiser: „Wir sitzen fest! Schwester, es war alles umsonst!“

      Sallys Augen waren sekundenlang weit vor Erschrecken. Dann presste sie entschlossen die roten vollen Lippen zusammen und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Sie zog das Winchester Gewehr aus dem Scabbard und kauerte sich hinter einen rissigen Felsblock gleich oberhalb der Felsrinne.

      „Noch haben sie uns nicht!“, sagte sie leise in Cleves Richtung.

      Ihr Bruder starrte sie wie benommen an. Dann schüttelte er den Kopf.

      „Was bist du nur für eine Frau, Sally!“ Er stieg ebenfalls ab, führte die Pferde quer über das Plateau zu den Felswänden und kam dann, den Revolver in der Faust, zu Sally zurück.

      Unten in der Aufstiegsrinne polterten Steine. Ein Pferdekopf erschien hinter einer Biegung, gleich darauf hob sich der Oberkörper eines Reiters vom hellgrauen Gestein ab.

      Sally riegelte schnell eine Patrone in den Gewehrlauf und drückte ab. Gesteinssplitter flogen durch die Luft, und der Bandit riss eilig seinen Gaul hinter die Krümmung zurück. Flüche schallten herauf. Sally repetierte.

      Unten zwischen den Felsen peitschte es jetzt in schneller Reihenfolge. Der Felsblock, hinter dem die Milburns kauerten, wurde von Kugeln umschwirrt.

      Dann verstummte das Feuern. Pferde schnaubten, Gestein klirrte.

      „Sie sitzen ab!“ flüsterte Cleve nervös.

      „Sie versuchen es bestimmt zu Fuß, und dann können wir sie nicht aufhalten.“

      Die junge Frau antwortete nicht und starrte unverwandt den Hang hinab. Von unten rief eine harte Männerstimme: „In einer halben Stunde haben wir euch! Ich hoffe, ihr habt euch bis dahin ausreichend aufs Sterben vorbereitet!“

      Raues Gelächter