Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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      „Ihm nach! Vorwärts!“

      Das Trommeln der Hufe nahm an Heftigkeit zu. In dichtgeschlossener Kavalkade preschten die Banditen von dem Steilhang fort quer über den Talgrund auf das Gewirr von verkrüppelten Bäumen und Felsbastionen zu. Staub hing in graugelber Fahne in der sonnenlichtdurchtränkten Luft.

      Sally Wilburns Hände waren verkrampft. Ihre Brust hob und senkte sich unter der dünnen schweißnassen Reitbluse. „Mein Gott! Ich wünsche nur, dass er ihnen entkommt! Sie dürfen ihn nicht erwischen! Sie dürfen nicht!“

      Ihr Bruder machte ein finsteres Gesicht.

      „Denk lieber an uns!“, murrte er. „Für uns hat sich kaum etwas geändert, und wenn diese Schurken erst einmal zurückkommen, dann sind wir geliefert!“ Er wischte sich fahrig über die Stirn, und sein Handrücken wurde nass von Schweiß.

      *

      Die drei Banditen, die Sol Denrick zur Bewachung der Milburns zurückgelassen hatten, kauerten am unteren Ende der Felsrinne und spähten zum Plateaurand hinauf. Einer von ihnen, ein narbengesichtiger Bursche mit wild blickenden Augen, legte die Hände trichterförmig vor den Mund.

      „Hallo, da oben! Glaubt nur nicht, dass wir euch vergessen haben! Wenn ihr einen kleinen Ausflug machen wollt, dann nur zu! Wir warten!“

      Die beiden anderen grinsten. Einer stieß den Narbigen mit dem Ellenbogen an.

      „Wie ist das Mädel, heh? Hübsch?“

      „Und wie! Aber nichts für dich, Amigo! Du bist schließlich nicht allein …“ „Sehr richtig!“ sagte eine trockene Stimme von der Seite her. „Und weil ihr so hübsch beisammen seid, würde mich interessieren, wie es aussieht, wenn sechs Hände zum Himmel greifen!“

      Die drei Desperados warfen sich, ihre Revolver hochreißend, herum. Keine sechs Schritte von ihnen entfernt stand Tonto, das Henry Gewehr im Hüftanschlag. Seine Miene war völlig ausdruckslos, nur in seinen graugrünen Augen war das Feuer unerbittlicher

      Entschlossenheit zu erkennen, das in ihm brannte.

      „Höllenfeuer! Das ist …“

      „Keine Reden!“, unterbrach Tonto den Banditen scharf.

      „Entweder ihr lasst auf der Stelle die Schießeisen fallen und nehmt endlich die Pfoten hoch, oder ihr kämpft! Alles andere ist reine Zeitvergeudung!“

      Es schien für ihn ganz selbstverständlich, dass er hier stand – allein drei Banditen gegenüber.

      Die Verbrecher schnauften und tauschten unsichere Blicke.

      Schließlich stieß der Narbengesichtige wild hervor: „Zum Satan mit dir! Wir sind zu dritt und …“

      Er schlug den Colt auf Tonto an und drückte ab.

      Einen Sekundenbruchteil früher krachte das Henry Gewehr. Der Narbige schrie erstickt auf und schlenkerte mit schmerzverzerrter Miene die Hand, über die die Gewehrkugel eine blutige Furche gezogen hatte. Der Revolver lag vor seinen Stiefelspitzen. Nur wenige Handbreit davon entfernt hatte sich die Kugel in die Erde gebohrt.

      Die Gesichter der beiden anderen Desperados verfärbten sich.

      „Genug!“, keuchte der Mann links von dem Getroffenen.

      „Tonto, aufhören, wir geben auf!“

      Er schleuderte den Revolver weg, als habe sich dieser in glühendes Eisen verwandelt. Der andere ließ ebenfalls die Waffe fallen. Tonto war nicht anzumerken, wie groß seine Erleichterung war.

      Die Banditen hoben schweigend die Arme. Auf Tontos Befehl drehten sie sich um. Oben am Plateaurand bewegte sich jemand. Der Schuss von vorhin musste da oben gehört worden sein. Ohne die Desperados einen Sekundenbruchteil aus den Augen zu lassen, rief Tonto: „Miss Sally, sind Sie da oben? Hören Sie mich?“

      Sekundenlang war es totenstill, dann kam Sally Milburns aufgeregter Ruf.

      „Tonto! Tonto! Sind Sie es?“

      „Yeah! Es ist alles in Ordnung! Kommen Sie schnell herab, ehe Denrick mit der übrigen Bande zurückkommt!“

      Der verwundete narbengesichtige Bandit fluchte unterdrückt. Aber keiner wagte eine Bewegung. Die Mündung des schussbereiten Gewehrs bannte alle drei zu absoluter Reglosigkeit.

      Hufe klapperten auf Felsengestein, Steine rollten die gewundene Rinne herab. Schließlich tauchten die Milburn Geschwister am Fuß des Hanges auf. Sie führten ihre Pferde hinter sich. Als Sally Tonto sah, ließ sie die Zügel fallen und eilte auf ihn zu.

      „Tonto! Wie sind Sie ihnen nur entkommen!“

      „Ein Trick! Ich erzähle es Ihnen später!“ Er lächelte karg. „Jetzt müssen wir reiten!“

      Er pfiff leise, und sofort kam Red Blizzard hinter den Felsen hervor auf ihn zugetrabt.

      „Milburn“, sagte Tonto zu Sallys Bruder, „es ist besser, wenn Sie die Schießeisen dieser Gents an sich nehmen. Ich möchte beim Fortreiten keine Kugel in den Rücken bekommen.“

      Cleve hob die Revolver auf und verstaute sie in den Packtaschen seines Braunen. Dann saßen sie alle drei auf.

      „Tonto“, knurrte der Narbengesichtige. „So wie ich Sol Denrick kenne, wird der nicht eher ruhen, bis er dich auf den langen Trail geschickt hat. Freu dich also bloß nicht zu früh!“

      „Danke für den Tipp!“, lächelte Tonto grimmig.

      Er zog seinen Fuchshengst herum, nickte den Milburns zu, und gemeinsam trieben sie die Gäule an und jagten im Galopp davon, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren.

      Erst eine halbe Stunde später zügelte Tonto auf einer mit hohem gelbem Rispengras bestandenen Lichtung in einem Kieferngehölz sein Pferd.

      „Ich schätze, wir haben uns eine Verschnaufpause verdient!“, sagte er und schwang sich aus dem Sattel.

      Sally saß sofort ebenfalls ab. Nur Cleve blieb noch auf seinem Pferd, die Hände aufs Sattelhorn gestützt, düstere Nachdenklichkeit auf seiner Miene.

      Tonto setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm am Waldrand, und Sally nahm neben ihm Platz. Die Luft war warm und voller Harzgeruch. Irgendwo summten Bienen. Das wirre Zweigwerk legte groteske Schattenmuster auf das hohe Gras.

      „Ich hatte schreckliche Angst um Sie, Tonto!“, sagte Sally offen heraus.

      Er war sich wieder ganz ihrer berückenden Nähe bewusst. Ein Strom von Frische und Fraulichkeit umfing ihn. Sie saß dicht neben ihm, sie schmiegte sich beinahe an ihn. Er hätte gern eine Hand auf ihre Schulter gelegt, nur um die warme Haut unter dem dünnen Stoff der Bluse zu fühlen.

      Heiser sagte er: „Ich verstehe nicht, warum Sie und Ihr Bruder hier in den Bergen unterwegs waren. Sie wussten doch, dass Sie sich in der Nähe des Baxter Camps befanden, oder?“

      Sally zögerte mit der Antwort.

      Tonto sagte rasch: „Ich will natürlich nicht in Sie dringen, wenn Sie Geheimnisse haben …"

      „Nein, Tonto, nein!“

      Jetzt legte sie ihm die Hand auf die Schulter, und diese Berührung ließ ihn erschauern.

      „Sie sollen alles wissen!“

      „Sally!“, rief Cleve und sprang jetzt ebenfalls aus dem Sattel. „Es ist besser …“

      „Lass mich nur, Cleve! Tonto hat uns jetzt schon zweimal geholfen, nicht wahr? Es ist nur recht, wenn er endlich Bescheid weiß.“

      „Es muss nicht sein!“, winkte Tonto ab, der Cleves finstere Miene bemerkt hatte.

      „Ich will es aber!“ Die Worte der jungen Frau klangen heftig.

      „Hören Sie zu, Tonto! Monroe hat meinen Bruder in der Hand. Cleve hat drüben in Denver einen Mann niedergeschossen, der mich belästigte. Der andere langte