Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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      „Nein, Baxter. Es gibt ihn nicht! Entweder Silverrock brennt – oder Sie werden Monroe niemals zur Rechenschaft ziehen können!“ Ein lauerndes Funkeln war in Denricks Blick.

      Eine Sekunde schwieg Baxter, und in dieser kurzen Zeitspanne vermischten sich die widerstreitendsten Empfindungen in seinen pulvergrauen Augen. Dann erklärte er mit schmalen Lippen: „Der Stadt wird nichts geschehen!“

      „Wie kann ein Mann nur so verrückt sein!“, sagte Denrick kopfschüttelnd.

      „Denkst du denn gar nicht an die Frauen und Kinder in Silverrock?“, rief Baxter eindringlich. „Glaubst du, alles würde so glattgehen, dass es keine unschuldigen Opfer gibt? Nein, Denrick, nein!“

      „Ich denke nur an eines“, antwortete der hagere Verbrecher ungerührt.

      „An das Silber, das es in Monroes Minen zu holen gibt!“

      Mit einem Ruck wandte Denrick sich ab und legte die Hand auf die Türklinke.

      Baxters Colthammer klickte hart.

      „Halt, Sol! Bleib stehen! Ich warne dich!“

      Denricks Schultern waren verkrampft. Er ließ die Hand auf der Klinke liegen.

      „Sie werden nicht schießen, Baxter!“, flüsterte er heiser.

      „Sol, ich …“

      „Sie werden es nicht tun!“, wiederholte Denrick gepresst.

      „Sie sind doch kein Bandit, wie? Sie sind doch ein durch und durch anständiger Mann, der sogar davor zurückschreckt, seinen Todfeind mit allen Mitteln zu bekämpfen! Wollen Sie nun zum Mörder werden, Baxter, heh?“

      Seine Stimme triefte vor beißendem Hohn.

      „Und es wäre Mord, glatter Mord, Baxter! Ich kehre Ihnen den Rücken zu, und mein Revolver steckt im Holster. Also?“

      Er lachte verzerrt und öffnete langsam die Tür. Von draußen kam Stimmengewirr und Hufgestampfe.

      „Sol! Vielleicht unterschätzt du mich!“, rief Baxter wild.

      Etliche Augenblicke zögerte Denrick, dann antwortete er in jäher Entschlossenheit: „Das wird sich gleich herausstellen!“

      Er trat über die Schwelle ins Freie. Der 45er in Gray Baxters Faust ruckte, der Zeigefinger am Abzug begann sich zu krümmen. Doch im letzten Moment ließ Baxter die Waffe sinken. Es ging nicht! Denrick hatte recht! Er konnte nicht auf den Rücken eines Mannes schießen.

      Lachend schlug Denrick die Tür hinter sich zu.

      „Sol!“, rief Baxter verzweifelt. „Reite nicht, Sol!“

      Aber Denrick hörte nicht mehr. Er gab draußen knappe laute Befehle. Zustimmende Rufe wurden laut.

      Mit bebender Hand schob Baxter seinen Colt in die Halfter zurück. In seinem zerfurchten Gesicht arbeitete es.

      „Nein!“, flüsterte er rau. „Nein, das darf nicht geschehen! Das nicht!“

      Die Hände um die Stuhllehnen gekrampft, stemmte er sich mühsam auf die Beine. Ei wankte, die Anstrengung trieb Schweiß auf seine Stirn. Der Krückstock lehnte am steingemauerten Kamin. Baxter stützte sich schwer darauf. Sein steifes Bein schleifte leblos über die ungehobelten Bodenbretter.

      Das andere drohte immer wieder unter ihm wegzuknicken. Schmerzen zerwühlten Baxters Gesicht und färbten seine Augen dunkel. Seine Lippen waren hart aufeinander gepresst.

      Jeder Schritt kostete ihm Mühe. Es kam ihm entsetzlich lange vor, bis er die Tür erreichte. Schweratmend lehnte er sich einen Moment gegen das Holz, ehe er öffnete.

      Sonnenlicht brandete ihm entgegen.

      Drüben beim Korral saßen bereits sämtliche Mitglieder seiner rauen Crew auf ihren Gäulen. Sol Denrick warf eben anfeuernd seinen rechten Arm in die Luft und stieß einen schrillen Kriegsruf aus. In donnerndem Galopp sprengte die Kavalkade dem Schluchtausgang zu, ehe noch ein einziges Wort über Gray Baxters Lippen gekommen war.

      *

      Die Nacht hatte sich über die Elk Mountains gesenkt. Die Lichter von Silverrock schimmerten gelb zu den Reitern herüber, die eine halbe Meile vor der Stadt ihre Pferde zum Halten gebracht hatten.

      Tonto saß ganz ruhig auf seinem Kentucky Fuchs. Dicht neben ihm war Cleve Milburn. Seit Tonto auf jener Waldlichtung in den Bergen wieder zu Bewusstsein gekommen war, hatte Cleve seinen Revolver nicht mehr aus der Faust gelegt. Auch jetzt war die Mündung starr auf Tonto gerichtet.

      Auf Milburns anderer Seite verhielt Sally ihr Pferd. Ihr. Gesicht war weiß, die Finger verkrampften sich um die Zügel. Die Dunkelheit verdeckte die Tränenspuren auf ihren blassen Wangen.

      „Was jetzt?“, fragte Tonto ruhig.

      Cleve Milburn räusperte sich.

      „Sally“, bestimmte er heiser, „du reitest allein in die Stadt. Ich bringe Tonto zu Monroes Mine hinauf!“

      „Cleve!“, rief seine Schwester eindringlich. „Ich bitte dich, Cleve, komm zur Vernunft!“

      „Wir haben lange genug darüber geredet!“, erwiderte er mürrisch. „Spar dir also deine Worte!“

      „Wie kannst du nur so reden, Cleve! Hast du vergessen, was Tonto für dich getan hat? Gestern und heute! Cleve, ich kann einfach nicht glauben, dass du so gewissenlos bist!“

      „Du sollst aufhören!“, schrie Milburn kratzend.

      „Wie oft soll ich dir noch klarmachen, dass ich gar keine andere Wahl habe! Soll ich mich von Monroe an den Sheriff in Gunnison ausliefern lassen? Nein, ich denke nicht daran!“

      Sally wollte wieder etwas sagen, aber da ließ sich Tonto vernehmen – ruhig wie vorher.

      „Lassen Sie nur, Sally! Er ist von seiner Idee nicht abzubringen, ich kenne das! Aber insgeheim weiß er ganz genau, dass es falsch ist, was er tut! Und davor hat er Angst! Darum will er alles so schnell wie möglich hinter sich bringen! Ist es nicht so, Milburn? Aber glauben Sie mir …“

      „Halten Sie den Mund!“, keuchte Cleve.

      „Glauben Sie mir“, redete Tonto unbekümmert weiter, „es ist nicht so einfach, wie Sie denken! Sie sind nicht so skrupellos, wie Sie sich es selber einzureden versuchen! Wenn Sie mich erst an Elmer Monroe ausgeliefert haben, Milburn, dann wird es richtig schlimm für Sie! Sie werden keine ruhige Stunde mehr finden! Sie werden immer daran denken müssen, dass Sie an meinem Tod schuld sind! Und das …“

      „Aufhören!“, schrie ihn Milburn an. „Marin, hören Sie endlich damit auf, sonst jage ich Ihnen auf der Stelle eine Kugel durch den Kopf.“

      „Sehen Sie, Milburn“, sagte Tonto mit einem kalten Lächeln. „Sie sind jetzt schon völlig mit den Nerven fertig! Ich sage Ihnen, vor Ihnen liegt die Hölle, wenn Sie diese Sache zu Ende bringen!“

      „Zum Henker mit Ihren Weisheiten!“, schnaufte Milburn. „Heben Sie sie für sich selber auf! Sie werden es bald nötig haben! – Los, Sally, reite jetzt! Und wir, Tonto, machen uns auf den Weg zu Monroe! Da links hinüber! Dort führt der Weg zu seiner Mine hin, vorwärts!“

      Sally lenkte ihr Pferd hastig dicht neben den Braunen ihres Bruders. Sie griff ihm in die Zügel.

      „Tu es nicht, Cleve! Du bist doch kein Bandit! Du …“

      „Was denn?“, knirschte Milburn. „Hast du meinen Steckbrief vergessen? Für das Gesetz bin ich ein Mörder, jawohl, ein Mörder! Niemand glaubt daran, dass es damals Notwehr war! Soll ich mich jetzt anders verhalten als ein Bandit, zu dem man mich gestempelt hat?“

      „Es geht doch nicht darum, wofür man dich hält, Cleve, sondern was du in Wahrheit bist! Und wenn du Tonto jetzt zu Monroe bringst, dann …“

      „Dann wirst auch du mich als einen Verbrecher ansehen!“, stieß er wild hervor.