Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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seinem Mund zu fühlen glaubte.

      Plötzlich fragte er sich, ob er wirklich richtig handelte.

      Wäre es nicht besser, einfach zu Sally zu gehen und mit ihr Silverrock für immer zu verlassen?

      Aber dann würden immer die Schatten der Erinnerung über ihm liegen – der Erinnerung an den toten Ben Smolett, der ihm ein zweiter Vater gewesen war, an den Terror Elmer Monroes und an den noch immer ungeklärten Verbleib seines Vaters. Rafman hatte es deutlich genug gesagt: niemand wusste, wo Allan Trafford geblieben war, auch Monroe nicht! Trotzdem brannte die Flamme der Hoffnung jetzt lebendiger in Tonto Jim Trafford! Er konnte jetzt einfach nicht aufgeben.

      Vor dem Mietstall stand neben seinem Kentucky Fuchs Nat Henshaws struppiger Gaul.

      „Steig auf!“, befahl Tonto dem Verbrecher.

      Henshaw warf ihm einen hasserfüllten Blick zu und zog sich in den Sattel.

      Das kurzläufige Gewehr in der Rechten, fasste Tonto mit der linken Hand nach seinem Sattelhorn. Red Blizzard stand ganz still.

      Ehe Tonto aufsitzen konnte, sagte eine heisere Stimme von der Stallecke her: „Bleiben Sie, wo Sie sind, Tonto! Und lassen Sie sich nur nicht einfallen, auf mich zu schießen! Ich brauche nur den Finger krummzumachen!“

      Tonto hatte das Gefühl, einen Stich zwischen die Schulterblätter zu bekommen. Seine linke Hand fiel herab. Langsam wandte er den Kopf.

      Ein Reiter verharrte reglos im Schatten der Stallecke. Nur das matte Blinken eines schussbereiten Revolvers war zu erkennen.

      „Donner!“, krächzte Henshaw erleichtert.

      „Das nenne ich Hilfe zur rechten Zeit! Amigo, wer bist du?“

      Er wollte sein Pferd herumziehen. Doch die heisere Stimme rief scharf: „Keinen Yard weiter, Bandit! Ich bin nicht dein Freund, wie du glaubst!“

      „Zum Teufel!“, fluchte Henshaw.

      „Warum hilfst du mir dann? Was soll das ganze Theater?“

      „Ich bin Gray Baxter!“, sagte der dunkle Reiter an der Stallecke. „Und wenn du nur eine einzige falsche Bewegung machst, trifft es auch dich!“

      „Baxter!“, ächzte Henshaw. „Das kann nicht wahr sein!“

      Statt einer Antwort trieb der Reiter seinen Gaul in das spärliche Licht, das aus den Windlaternen an den gegenüberliegenden Veranden über die Fahrbahn sickerte.

      Baxter saß seltsam verkrampft im Sattel. Die Falten in seinem breitflächigen Gesicht glichen schwarzen rissen. Schweiß perlte über Stirn und Wangen. Und die Anstrengung kniff seine Mundwinkel scharf nach unten.

      Eine Weile war nur maßloses Erstaunen in Tonto.

      Er wusste, wie schlecht Gray Baxter mit seinen kranken Beinen zu Fuß war. Dass er sich auf dem Rücken eines Pferdes halten konnte, war wie ein Wunder. Und noch dazu schien er die ganze Strecke vom versteckten Camp in den Bergen bis hierher in die Minenstadt alleine zurückgelegt zu haben.

      Nur ein gewaltiger Wille hielt ihn noch aufrecht auf dem hochbeinigen grauen Pferd.

      „Baxter!“, stieß Henshaw gepresst hervor. „Haben Sie den Verstand verloren, dass Sie in die Stadt kommen? Monroe wird Sie in Stücke reißen lassen!“

      „Er wird anderes zu tun haben!“, murmelte Baxter erschöpft.

      „Hör zu, Bandit!“

      „Moment, Baxter!“, mischte sich Tonto ein. „Was soll das alles? Henshaw ist mein Gefangener! Ich habe mein Leben riskiert, um ihn zu stellen. Er gehört mir! Ich bringe ihn zum Sheriff!“

      „Seit dem Augenblick, da mein Colt auf Sie gerichtet ist, Tonto, nicht mehr!“, entgegnete Gray Baxter kalt.

      Tonto machte eine blitzschnelle halbe Drehung, und seine Gewehrmündung zielte jetzt auf Baxter.

      *

      „Jetzt können wir uns weiter unterhalten! Jetzt liegen die Chancen gleich!“

      „Seien Sie vernünftig, Tonto!“

      „Was wollen Sie von Henshaw?“

      „Ihn zu Monroe schicken! Halt, Henshaw, versuchen Sie nicht die Flucht! Bleiben Sie, Mann! Was ich zu sagen habe, ist wichtig. – Vor allem für Sie und Monroe!“

      „Ich verstehe die Welt nicht mehr!“, sagte Henshaw kopfschüttelnd.

      „Sie müssen Monroe warnen!“ forderte Baxter eindringlich, ohne Tonto noch einen Blick zu schenken. „Die Stadt soll in Brand gesteckt werden. Jede Minute kann es passieren!“

      „Von wem?“

      „Von meiner Bande!“

      Henshaw griff sich an den Kopf. „Einer von uns beiden ist wirklich verrückt, Baxter!“

      „Es ist die Wahrheit!“, stieß Baxter wild hervor. „Meinen Sie denn, ich sei einfach so zum Vergnügen hierher geritten und rette Ihnen vielleicht noch dazu das Leben, Mann? Ich habe keine Zeit für lange Erklärungen! Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich nicht mehr der Anführer meiner Crew bin. Sol Denrick hat das Kommando übernommen, und er will die Stadt niederbrennen, um damit Monroes Leute abzulenken! Ich aber will nicht, dass auch nur einem Menschen in Silverrock etwas geschieht!“

      „Wirklich?“, knurrte Henshaw voller Argwohn.

      „Und wer garantiert, dass dies nicht alles eine verteufelte Falle ist, heh?“

      „Genügt es Ihnen nicht“, schnaufte Baxter ungeduldig, „dass mein Colt auf Tonto gerichtet ist!“

      „Was aber noch lange nicht heißt, dass ich einverstanden bin!“, sagte Tonto scharf.

      „Übersehen Sie nicht mein Gewehr, Baxter!“

      „Das muss ich riskieren! Wahrscheinlich sterben wir beide, wenn Sie schießen, Tonto!“

      „Baxter, Sie wissen gar nicht, um welche Chance Sie mich bringen, wenn Henshaw jetzt reitet! Fünfhundert Meilen bin ich geritten, um diese Chance zu bekommen!“

      „Ihre Feindschaft gegen Elmer Monroe ist wirklich groß!“, murmelte Gray Baxter. „Aber glauben Sie, mein Haß ist geringer?“ Seine Stimme wurde heftig, trotzdem war die beißende Bitterkeit in ihr nicht zu überhören.

      „Meinen Sie, Tonto, es wäre nicht alles einfacher für mich, wenn ich weiterhin mit Denrick zusammenarbeiten würde? Sie reden von Ihrer großen Chance! Glauben Sie denn, die meine wäre weniger wert? Was wissen Sie denn schon, was zwischen mir und Monroe ist! Nichts, gar nichts wissen Sie!“ Henshaw starrte verstört von einem zum anderen. Obwohl jetzt keine Waffe mehr auf ihn gerichtet war, dachte er gar nicht daran, sein Pferd anzuspornen und zu versuchen, in die Dunkelheit zwischen den Häusern einzutauchen.

      Das, was er eben gehört hatte, und der Anblick dieser beiden Männer, die die Waffen aufeinander gerichtet hatten, nahmen ihn gefangen.

      In den Augen jedes dieser beiden Männer brannte das Feuer wilder Entschlossenheit. Die Spannung zwischen ihnen war so groß, dass sie sich jeden Augenblick im Krachen der Schießeisen entladen konnte, so schien es Henshaw wenigstens.

      Tonto biss sich schließlich auf die Unterlippe. „Und Sie tun das alles nur, um Monroes Stadt zu retten? Ist das nicht merkwürdig, Baxter?“

      „Monroes Stadt? Er beherrscht sie, ja, das stimmt! Die Menschen gehorchen ihm, weil er sie bedroht. Ist es also wirklich seine Stadt? Wollen Sie das Leben von Frauen und Kindern gefährden, Tonto, nur um an Ihr Ziel zu kommen?“

      „Das gewiss nicht!“

      „Dann sagen Sie mir eine andere Möglichkeit, um es zu verhindern! Monroe ist auch mein Todfeind, Tonto! Trotzdem müssen wir ihn diesmal warnen, durch diesen Mann!“ Er deutete mit dem Kopf auf Henshaw.

      Langsam senkte Tonto den Lauf seines Gewehrs. Henshaw glaubte seinen Augen nicht zu trauen.