breitschultrige Gestalt aus dem Schatten zwischen den Unterkunftsbaracken auf den verwundeten Milburn zu. Der Lauf eines Colts glänzte bläulich.
„Monroe!“, hauchte Sally entsetzt, und ihr Körper erschauerte.
Elmer Monroes Waffe war auf Sallys Bruder gerichtet.
„Tonto!“, brüllte er dabei. „Jetzt bist du an der Reihe, du verfluchter Kerl. Los, komm ins Freie, Tonto! Aber ohne dein Teufelsgewehr! Und mit erhobenen Händen! Los, komm, du Schuft, oder soll ich Cleve Milburn eine Kugel durch den Kopf jagen, heh?“
In Tontos graugrünen Augen loderte ein unheimliches Feuer. Langsam ließ er Sally los.
„Sie feiger Schuft!“, rief er eisig. „Müssen Sie sich wirklich hinter einem Verwundeten verstecken?“
Monroe lachte hässlich.
„Ich war schon immer ein Mann, der seine Trümpfe richtig auszuspielen wusste! Tonto, durch Worte können Sie nichts mehr erreichen! Entweder Sie kommen jetzt sofort, oder Cleve bekommt meine Kugel! Also?“
Tonto schaute in Sallys Gesicht. Es war kreidebleich, die Lippen blutleer. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor.
„Tonto!“, schrie Monroe wild. „Ich warte nicht mehr!“
Tontos Gestalt straffte sich.
„Ich komme, Monroe!“
Er ließ das Gewehr auf die Schwelle poltern. Drüben spannte sich Monroes Haltung.
Bevor Tonto ins Freie treten konnte, rief von den leeren abgestellten Kipploren herüber eine harte Stimme:
„Diesmal verrechnest du dich, Elmer Monroe! Dies war deine letzte Gemeinheit, das verspreche ich dir!“
Ein Zucken ging durch die schwere Gestalt des Verbrechers. Er drehte sich halb.
„Wer … wer sind Sie?“
„Man nennt mich Gray Baxter!“
*
Einen Moment stand Monroe ganz reglos. Dann begann er, wild zu fluchen.
Bei den Kipploren bewegte sich ein hoher Schatten. Steine rollten. Dann kam Baxter aus seiner Deckung hervor, einen Colt in der Faust. Er bewegte sich mühsam, sein steifes Bein schleifte nach, mit der Linken hatte er sich auf eine Latte gestützt, die er irgendwo bei den Loren gefunden hatte.
Mit seiner harten Stimme, die fast unheimlich wirkte, rief er: „Auch wenn du Tonto besiegst, Monroe, wird es dir nichts helfen! Dann musst du immer noch mit mir fertig werden, hörst du?“
„Baxter!“, rief Tonto und bückte sich nach seinem Gewehr. „Überlassen Sie die Sache mir!“
„Nein, Tonto! Nein, ich habe bestimmt länger auf diese Minute gewartet als Sie! Monroe, kennst du mich noch?“
Der Minenbesitzer schien Cleve Milburn und Tonto vergessen zu haben. Wie benommen stand er an der Grenze des Lichtstreifens, der aus dem Blockhaus fiel.
„Diese Stimme!“, ächzte er. „Nein, das kann … kann doch nicht … Himmel, das …“
„Ich bin es wirklich!“, sagte Baxter. „All die Jahre hindurch habe ich unter falschem Namen gelebt, damit du nicht vorzeitig gewarnt würdest! Yeah, Elmer Monroe, sieh mich nur näher an! Ich bin nicht tot, ich bin kein Geist! Dein Plan ging damals vor zwanzig Jahren nicht ganz auf! Der Sturz der Kutsche in jene Schlucht hat mich zum Krüppel gemacht, aber ich lebe, und das allein ist wichtig!“
Als Tonto diese Worte hörte, begann in seinem Gehirn alles zu kreisen. Plötzlich hatte er das Gefühl, dies alles nur zu träumen. Wie aus weiter Ferne hörte er den Mann, der sich bisher Gray Baxter genannt hatte, weiterreden: „Zwanzig Jahre habe ich gewartet, Monroe! Jetzt ist es so weit! Ich habe im Osten gelebt, weil ich hoffte, die Ärzte könnten mich gesund machen. Sie haben es nicht ganz geschafft! Dann bin ich in den Westen zurückgekommen, um dir meine Rechnung zu präsentieren! Monroe, was ist aus meinem Sohn geworden, aus Jim? Was hast du mit ihm gemacht?“
„Allan Trafford!“, stöhnte Monroe.
Er bewegte sich Schritt für Schritt nach rückwärts auf den Schatten zu. Sein Gesicht war aschgrau.
„Was ist aus meinem Sohn geworden?“, wiederholte der große grauhaarige Mann.
Da brach endlich Tontos Lähmung.
„Vater!“, schrie er. „Vater, ich bin es!“
Der Ruf lenkte Allan Trafford ab, und sofort riss Elmer Monroe seinen Revolver hoch.
Die Traffords schossen gleichzeitig. Monroes Revolverfaust fiel herab. Der Verbrecher wankte. Noch immer war sein Blick starr auf seinen ehemaligen Partner gerichtet.
„Yeah!“, ächzte er. „Yeah, Allan, er ist dein Sohn!“
*
Dann brach er zusammen.
Minuten später, als die Traffords den verwundeten Cleve Milburn ins Blockhaus gebracht und verbunden hatten, prasselte Hufschlag auf die Felsterrasse. Die Reste der Monroe Revolvergarde kehrten zurück. Sie hatten Denricks Bande zerschlagen und dabei selber hohe Verluste erlitten. Als sie ihren Boss tot zwischen den Häusern liegen sahen, wendeten sie wortlos ihre Gäule und ritten in die Nacht zurück – ein führerloses Rudel, das sich in alle Winde zerstreuen würde.
Drinnen im Blockhaus saß Allan Trafford in einem weichgepolsterten Stuhl und sagte mit einem Hauch warmer Freude in der Stimme: „Wir werden fortgehen von hier! Aus Monroes Besitz will ich nur das Kapital, das ich damals zur Verfügung stellte, zurück. Alles andere sollen die Bewohner von Silverrock übernehmen. Irgendwo im Süden werden wir eine Ranch aufbauen und in Frieden leben. Auch Sie will ich dabei haben, Cleve! Die Angelegenheit mit Ihrem Steckbrief wird sich ja wohl vor einem Richter klären lassen!“ Cleve, um dessen Schulter ein weißer Verband lief, lächelte.
„Einverstanden, Trafford. Nur eines gibt es noch zu klären!“
Trafford schaute ihn fragend an … Cleves Lächeln wurde breiter.
„Wo soll die Hochzeit stattfinden? Im Süden, oder noch hier in Silverrock?“ Er wies mit einer Kopfbewegung auf Tonto Jim Trafford und Sally, die engumschlungen drüben an der Wand standen …
ENDE
Letzter Trail nach Dodge City
John F. Beck
IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author/Titelbild: Werner Öckl, 2019
Korrektorat: Dr. Frank Roßnagel
© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
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2.000 Dollar sind auf den Kopf von Greg Williams ausgesetzt und machen ihn zu einem Gejagten, der nirgendwo Ruhe findet. Weil Greg in Notwehr einen Mann erschossen hatte, bestach dessen Bruder Zeugen zu einer Falschaussage, um Williams zu einem Mörder und damit zu einer willkommenen Beute für Kopfgeldjäger zu machen. Zufällig wird er Herdentreiber für die junge Ranchertochter Mary Lockwood, die 3.000 Longhorns verkaufen muss, um die Ranch ihres Vaters vor dem Ruin zu retten – ein schier aussichtsloses Unterfangen für Greg: Er kämpft nicht nur gegen die Schatten seiner Vergangenheit, sondern gegen den teuflischen Plan von Marys Vormann und skalphungrige Comanchen auf dem letzten Trail nach Dodge City …
Das Pferd trabte langsam hinter der hohen Strauchreihe hervor, und Allan Lockwood sah den roten Schein des Campfeuers über das hochgewölbte Dach des