Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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Blick schien jede Einzelheit des kantigen Gesichts des anderen genau in sich aufnehmen zu wollen.

      „Hallo, Kinross“, sagte er schließlich ruhig. „Ich dachte, ich hätte dich längst abgeschüttelt!“

      Sein Blick senkte sich kurz und entdeckte den Revolver in der Hand des Mannes unterhalb der Treppe. Der Hahn war bereits gespannt.

      Jim Kinross lächelte dünn.

      „Beinahe hättest du es geschafft, Williams. Aber nur beinahe!“

      „Du bist wie ein Bluthund, Kinross!“

      „Aus deinem Mund ist das ein Kompliment!“ Kinross’ Lächeln wurde breiter. Seine hellen Augen glitzerten kalt. Unverwandt zielte sein Revolverlauf auf Greg. „Aber weißt du, Williams, für zweitausend Dollar kann man schon etwas tun.“

      „Eine hübsche Summe, ja!“, nickte Greg kühl, während er innerlich mit fieberhafter Spannung nach irgendeinem Ausweg suchte.

      „Ich nehme aber an, du wirst die Kopfprämie teilen müssen, Kinross, was? Du bist doch nicht alleine gekommen, oder?“

      „Da hast du recht! Aber darüber solltest du dir keine Gedanken mehr machen, Williams. Austin ist die letzte Station für dich, seit du damals aus dem Big Bend geflohen bist. Los, komm jetzt endlich die Treppe herab!“

      Greg rührte sich nicht. Der Blick in die schwarze kreisrunde Mündung von Jim Kinross’ Waffe schnürte ihm die Kehle zusammen. Trotzdem brachte er es fertig, die Undurchdringlichkeit seiner Miene zu bewahren – diese Maske, hinter der er all seine Gedanken und Empfindungen zu verbergen gelernt hatte.

      Er sagte kalt: „Kinross, du weißt genau, dass ich Don Brigg damals im Big Bend nicht ermordet habe. Du wirst kein Glück haben, wenn du mich jetzt zum Sheriff schleppst.“

      „So? Meinst du? Wie willst du denn deine Unschuld beweisen, Freund Williams? Die Zeugenaussagen stehen gegen dich und …“

      „Es sind falsche Aussagen! Die Zeugen wurden bestochen!“

      Kinross verzog spöttisch die Mundwinkel.

      „Beweis es doch! Es ist eben dein Pech, dass du mit deinem Colt ausgerechnet an den Bruder des reichsten Mannes im Big Bend geraten bist!“

      „Hier sind wir in Austin, nicht in Glenn Briggs Machtbereich, Kinross. Der Sheriff …“

      „Du redest immer vom Sheriff, Williams!“, unterbrach ihn Jim Kinross beißend. „Du scheinst die Situation noch nicht ganz zu begreifen, wie? Die zweitausend Dollar werden nicht nur ausgezahlt, wenn ich dich lebend bei einem Sternträger abliefere! Du weißt doch, wie es heißt: tot oder lebendig!“

      Etwas in Greg Williams verkrampfte sich in diesem Augenblick: Er dachte an, die Tage und Wochen, die hinter ihm lagen. Eine Zeit voller Hitze, Staub und Strapazen – eine Zeit ständigen Gehetztseins. Alles war schlagartig wieder lebendig für ihn: die vielen harten Stunden im Sattel, die verborgenen Nachtlager im öden Land, der Hunger, die Angst und immer wieder der Anblick der gelben Staubwolke, die seiner Fährte folgte.

      In diesen Sekunden war das Verlangen, einfach zum Colt zu greifen, fast übergroß. Greg bot alle Beherrschung auf, um ruhig zu bleiben. Das Glitzern in Kinross’ kalten hellen Augen zeigte ihm, dass der Mann nur darauf wartete, den Zeigefinger am Stecher krumm zu machen. Unwillkürlich fragte sich Greg, warum Kinross nicht längst gefeuert hatte. Vielleicht wollte er seinen Triumph auskosten. Es war ihm jedenfalls zuzutrauen. Oder er wartete noch immer darauf, dass Greg zur Waffe griff, um später behaupten zu können, in Notwehr geschossen zu haben.

      Das höhnische Lächeln verlor sich aus Kinross’ Zügen. Seine Stimme war heiser, als er ungeduldig nochmals befahl: „Hast du vorhin nicht gehört? Du sollst endlich die verdammte Treppe herabkommen! Los, vorwärts!“

      Greg atmete tief ein und setzte sich in Bewegung. Unten wich Kinross gleitend einige Schritte vom Treppenabsatz zurück – den Revolver noch immer auf Greg gerichtet.

      Die Holster mit dem schweren 44er schabte gegen Gregs verwaschene Jeans. Der Sattel drückte schwer auf seine linke Schulter. Greg schaute in die eisigen Augen des Kopfgeldjägers und Mordbanditen. Und plötzlich wusste er, was er zu tun hatte.

      Er langte am Fuß der Treppe an. Kinross stand nicht mehr als drei Schritte von ihm entfernt. Hinter ihm tanzten winzige Staubteilchen in dem gebündelten Licht, das durch den offenen Türspalt fiel.

      Greg sagte leise: „Ich denke, du musst dich beeilen. Der Portier kann jeden Augenblick zurückkommen. Und für das, was du vorhast, kannst du keine Zeugen gebrauchen, oder?“

      „Halt die Klappe!“, fuhr ihn Kinross an. Sein kantiges Gesicht war jetzt verkniffen – das Gesicht eines Mannes, der in den nächsten Sekunden einen anderen rücksichtslos ermorden will.

      „Wirf den Sattel weg, Williams!“

      „Soll es so aussehen, als hätte ich gekämpft?“, fragte Greg mit kaltem Spott. „Nun ja, ein Mann mit einem Sattel auf der Schulter kann schlecht kämpfen. Ich …“

      „Du sollst still sein und tun, was ich verlange!“

      „Meinetwegen!“

      Greg griff mit beiden Händen nach dem Sattel. Es sah aus, als wolle er ihn einfach von der Schulter streifen und zu Boden fallen lassen. Doch dann ging alles blitzschnell!

      Seine Finger krampften sich um die glattgescheuerte Lederpausche. Ein wilder Ruck – und schon flog der Sattel direkt auf Kinross zu. Gleichzeitig warf sich Greg mit einem kräftigen schnellen Sprung zur Seite.

      Kinross’ Fluch vermischte sich mit dem dumpfen Aufbrüllen seines Revolvers.

      Es gab ein klatschendes Geräusch, als sich die Kugel mit voller Wucht in den Sattel bohrte. Kinross machte eine halbe Drehung und feuerte nochmals.

      Vom Boden aus stach ihm Greg Williams’ Mündungsflamme entgegen. Kinross’ Kugel riss einen Holzsplitter aus dem Rezeptionspult. Dann wurde Jim Kinross von Gregs Treffer rückwärts geschleudert. Sein Arm mit dem Revolver fiel kraftlos herab. Er krampfte eine Hand um das untere Treppengeländer und versuchte, die Waffe nochmals in die Höhe zu bringen.

      Greg sprang vom Boden der Eingangshalle auf. Ein dünner Rauchfaden kräuselte vor der Mündung seines 44ers. Greg sah, wie sich ein dunkler Fleck an Kinross’ rechter Schulter ausbreitete.

      Greg rief heiser: „Kinross, sei vernünftig! Gib auf!“

      Kinross’ Faust mit dem Revolver war halb in die Höhe gekommen, als ihn die Kraft verließ. Seine Finger öffneten sich, die Waffe schlug hart auf den Boden.

      „Zur Hölle mit dir, Williams!“, schnaufte er schwer. „Sie werden dich schon erwischen, du verwünschter …“

      Die Beine knickten unter ihm weg. Seine klammernde Linke löste sich vom Treppengeländer. Er fiel zuerst auf die Knie, dann kippte er langsam zur Seite.

      Sekundenlang blickte Greg Williams starr auf ihn nieder.

      Erleichterung durchflutete ihn, als ihm bewusst wurde, wie nahe er dem Tod gewesen war. Dann erinnerte er sich daran, dass Jim Kinross nicht allein auf seiner Fährte nach Austin gekommen war. Und die Schüsse mussten weit gehört worden sein!

      Er biss grimmig die Zähne zusammen. Er hatte gehofft, hier in Austin am Rio Colorado, fern vom Big Bend Land, in Sicherheit zu sein. Es war eine Täuschung gewesen! Noch war diese Sache nicht zu Ende. Wenn es ihm nicht gelang, unbemerkt die Stadt hinter sich zu lassen, ehe Kinross’ Freunde zur Stelle waren, sah es böse für ihn aus!

      Seine Erstarrung zerfloss. Hastig bückte er sich nach dem Sattel, der Kinross’ erste Kugel aufgefangen hatte.

      In diesem Augenblick wurde die Tür zur Hoteleingangshalle vollends aufgestoßen. Ein schnurrbärtiger Mann sprang über die Schwelle. In seiner kräftigen Rechten blinkte der lange Lauf eines 45er Colts …

      *

      Greg erkannte den Mann auf den ersten