Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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den Rücken schießen, oder?“

      Die Banditen tauschten wütende Blicke.

      Die Reiterin sagte ruhig: „Mike, du kannst aufsteigen!“

      Der Graubärtige schwang sich mit einer Geschmeidigkeit auf sein Pferd, die man seinem Alter nicht mehr zugetraut hätte. Er beugte sich zu Greg hinüber.

      „Was habe ich gesagt? Ein prächtiges Girl!“

      Er lenkte langsam sein Pferd herum. „Kommen Sie, Williams!“

      „Aber wir können doch Ihre Begleiterin nicht alleine …“

      „Doch, wir können! Haben Sie nicht gehört, was Mary vorher sagte? Oder glauben Sie wirklich, einer dieser Schufte würde es wagen, mitten in dieser Stadt, vor aller Augen auf eine Frau zu schießen? Nein, nein, junger Mann, seien Sie ganz unbesorgt!“

      „Ihr könnt reiten, Mike!“, rief Mary, ohne den Blick von den wutbebenden Desperados zu nehmen. „Ich komme bald nach!“

      „Okay, Miss Mary!“

      Mike nickte Greg aufmunternd zu. „Eine zünftige Sache, was? Erinnert mich an meine jungen Tage in Missouri.

      Damals ging es auch so lebendig zu!“ Seine kleinen wasserblauen Augen funkelten. Er drückte seinem Braunen die Sporen in die Flanken. „Hoh, vorwärts, mein Guter!“

      Er winkte den Banditen mit der Schrotflinte zu. „Auf ein herzliches Nimmerwiedersehen, Gentlemen!“ Sein Pferd schnellte vorwärts, Staub wirbelte auf. Mit einem schrillen Cowboyruf sprengte der Reiter die Straße entlang.

      Greg schaute das Mädchen zögernd an. Das Gewicht des Spencer Karabiners in seinen Fäusten schien sich zu verdoppeln.

      „Madam, ich …“

      „Sie sollten die Sache nicht unnötig verzögern, Williams“, unterbrach ihn Mary. Ihre Stimme war kühl und selbstsicher. Unwillkürlich fühlte Greg so etwas wie Ärger in sich.

      „Nun reiten Sie schon!“, hörte er das Mädchen fordern.

      Wortlos zog Greg das Pferd herum und jagte hinter dem alten Mike her, dessen geduckte Gestalt straßenabwärts von einer gelben Staubfahne verschleiert wurde.

      *

      Sie hatten die Stadt hinter sich gelassen. Gregs Begleiter trieb seinen Braunen hinter eine Gruppe hoher Cottonwood Büsche. Er rückte den alten verbeulten Stetson aus der Stirn, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und rieb sich dann grinsend die Hände.

      „Geschafft!“, krächzte er. „Wie damals in Missouri, als ich noch ein junger Hüpfer war!“

      Erst jetzt schob Greg den Spencer Karabiner in den Scabbard zurück. Aus engen Augen spähte er über die Sträucher unruhig zur Stadt zurück.

      „Machen Sie sich um Miss Mary keine Sorgen. Sie wird gleich kommen. Wir warten hier auf sie.“

      Stirnrunzelnd stützte Greg die Hände aufs steile Sattelhorn.

      „Ich verstehe das alles nicht! Warum habt ihr mir geholfen? Ihr kennt mich doch gar nicht.“

      „Muss man jeden kennen, dem man hilft? Miss Mary und ich – wir haben nun mal was dagegen, wenn ein Haufen übler Burschen einem einzelnen Mann keine Chance lässt.“

      „Ist das der einzige Grund?“, fragte Greg gedehnt.

      Der alte Weidereiter blinzelte ihn an.

      „Sie sind ein kluges Kind, wie?“

      „Heraus mit der Sprache!“, forderte Greg schärfer als beabsichtigt.

      Der Graubart zuckte die mageren Schultern. „Warten Sie, bis Miss Mary kommt!“

      „Wer ist sie?“

      „Sie heißt Mary Lockwood. Ihrem Vater gehört eine Ranch unten in der Nähe von San Antonio. Er wurde vorgestern aus dem Hinterhalt erschossen.“ Das lederhäutige Gesicht des Alten verdüsterte sich. „Jetzt gehört ihr die Herde.“

      „Welche Herde?“

      „Well, wir sind mit dreitausend Longhorns nach Dodge City unterwegs. Wir lagern nördlich von Austin auf der anderen Flussseite.“

      „Ihr Vater wurde ermordet?“

      „Yeah! Mary steckt in argen Schwierigkeiten!“ Der alte Cowboy seufzte. „Aber sie gibt nicht auf. Wenn die Herde nicht in Dodge verkauft wird, ist die Ranch verloren.“

      „Ich verstehe dann noch weniger, warum sie sich dann eben neuen Kummer aufgeladen hat.“

      „Das ist ein Preis, der sich hoffentlich lohnt!“ Der Oldtimer fand sein trockenes Grinsen wieder. „Übrigens, mein Name ist Tipstone, Mike Tipstone. Sie können mich Mike nennen.“

      „Gerne! Mein Vorname ist Greg.“

      „Schön, Greg!“ Tipstone streckte seine knochige Hand herüber, und Greg drückte sie.

      Von der Stadt herüber wehte Hufschlag. Mike Tipstone stellte sich in den Steigbügeln auf und reckte den Kopf.

      „Miss Mary – da kommt sie schon!“ Er lenkte seinen struppigen Braunen halb hinter dem Strauchwerk hervor und winkte. „Hallo! Hier sind wir!“

      Das Hufgetrappel schwoll an. Das Mädchen kam im Galopp näher. Ihr anmutiger Körper passte sich schwingend den Bewegungen des Pferdes an. Ihre Wangen waren gerötet, als sie hinter den Cottonwoods anhielt. Sie nickte Greg kurz zu und wandte sich an Tipstone.

      „Mike, reite sofort zur Herde und sage Lee, dass er gleich aufbrechen soll.“

      „Wir wollten erst morgen mit dem Treiben anfangen, Miss Mary.“

      „Wenn wir warten, haben wir in Kürze Kinross und seine Leute auf dem Hals.“

      „Miss Lockwood“, mischte sich Greg ein, „ich möchte nicht, dass Sie und Ihre Leute meinetwegen …“

      „Lassen Sie nur!“, winkte Mary ab. „Kinross ist bestimmt das bedeutend kleinere Übel.“

      „Hoffentlich ist das kein Irrtum!“, murmelte Greg gepresst.

      Mary Lockwood hörte nicht mehr auf ihn. Sie sagte zu Tipstone: „Mr. Williams und ich werden einen Bogen schlagen und Kinross auf unsere Fährte ziehen. Ihr treibt inzwischen nach Norden weiter, wie es geplant war. Wir holen euch gegen Abend ein.“

      „Wie Sie meinen!“, nickte Tipstone, drückte seinem Braunen die Sporen in die Weichen und sprengte davon.

      Mary nickte Greg zu. Der Blick ihrer hellgrauen Augen ruhte kühl auf ihm. Irgendwie hatte Greg den Eindruck, dass sie ihn abschätze, und obwohl er sich sagte, dass er ihr und dem alten Mike eine Menge zu verdanken hatte, spürte er wieder diesen leichten Ärger. „Kommen Sie, Williams!“

      Sie wendete ihren Rehbraunen und ritt an. Greg folgte ihr. Ein schneller Blick über die Schulter zeigte ihm, dass Kinross und seine Leute die Stadt noch nicht verlassen hatten. Aber Greg machte sich keine Illusionen. Er kannte diese raue Rotte! Wochenlang hatten sie ihn gejagt. Jetzt da sie ihm so nahe gerückt waren, würden sie gewiss nicht aufgeben!

      *

      Als sein Gaul auf gleiche Höhe mit dem Mädchen gekommen war, wartete er darauf, dass sie zu sprechen beginne. Aber sie ließ ihr Pferd weiter im Galopp laufen, hielt den Blick starr geradeaus gerichtet und sprach kein Wort. Er musterte sie von der Seite. Ihr Gesicht war wohlgeformt, die roten vollen Lippen wirkten verlockend. Ihr langes Haar wurde im Nacken von einem Band zusammengehalten.

      Plötzlich drehte sie den Kopf und schaute ihm mitten ins Gesicht. „Sie sollten mehr auf den Weg achten, Williams!“ Ihre Stimme war fest und kühl wie vorher.

      Er presste die Lippen zusammen und trieb sein Pferd noch schneller an. Sie holte auf.

      „Wenn wir einen Bogen schlagen wollen, müssen wir uns mehr nach Osten halten!“, erklärte sie.