Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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Mädchen zögerte.

      Greg sagte heiser: „Es scheint, Miss Mary, Sie haben ein schlechtes Geschäft gemacht, als Sie mich dazu brachten, Ihr Angebot anzunehmen! Wenn dieser Mann Ihr Vormann und Vertrauter ist, well, dann wird es besser sein, ich verschwinde von hier.“

      „Sehr richtig!“, nickte Torrence sofort. „Und beeil dich bloß dabei, Williams.“ Wieder musste Greg diesen bohrenden Grimm niederkämpfen. Er vermied es, Torrence nochmals anzusehen, und wandte sich zum Gehen.

      *

      „Moment!“, sagte Mary schnell.

      „Jede Sekunde, die Sie noch an diesen Kerl vergeuden, ist nutzlos!“, knurrte Torrence unwillig.

      „Lee, ich glaube, Sie sollten Ihr Vorurteil niederringen. Das gilt auch für Sie, Williams.“

      „Ich sage Ihnen doch …“

      „Die Sache von New Mexico liegt doch lange zurück“, unterbrach ihn Mary hastig. „Ihr solltet sie beide vergessen.“

      „Sie wollen Williams also in der Crew behalten?“

      „Ja, Lee! Denken Sie doch an die Herde! Wir müssen sie um jeden Preis nach Dodge City bringen! Und dazu brauchen wir jeden Mann!“

      „Aber nicht diesen …“

      „Lee!“, Marys Stimme war jetzt schärfer. „Williams hat in der Stadt bewiesen, dass er ein Kämpfer ist. Wenn wir gegen unsere Feinde bestehen wollen, brauchen wir solche Leute. Also, vergessen Sie die alte Sache – wenigstens für die Dauer dieses Trails.“

      Torrence nagte an seiner Unterlippe. Er blickte Greg lauernd an.

      „Das kommt auf ihn an!“, murmelte er schließlich. „Ein falsches Wort …“

      „So weit wird es nicht kommen! Nicht wahr, Williams?“

      Greg wich dem festen Blick des Mädchens aus. Er wusste, es war unmöglich, sie über Torrences Vergangenheit aufzuklären. Wenn dieser Mann tatsächlich der Freund ihres Vaters gewesen war, würde es ihm leichtfallen, ihn – Greg – als Lügner zu brandmarken. Und überdies – jene Viehdiebstähle in New Mexico lagen wirklich lange zurück. Vielleicht war Torrence inzwischen ein anderer geworden – obwohl Greg nicht so sehr daran glaubte.

      „Williams“, ließ sich der stämmige Dillon mit seiner festen Stimme hören, „Sie sind Miss Mary eine Antwort schuldig!“

      Gregs Mundwinkel kerbten sich scharf nach unten, als er achselzuckend erwiderte: „Euer Boss hat mein Wort. Es liegt nicht an mir, es zu lösen. Was gibt es also weiter zu reden?“

      Mit verschlossener Miene wandte er sich ab und ließ sich am Feuer nieder. Er konnte den Gedanken nicht aus seinem Gehirn verbannen, dass die Wochen, die hinter ihm lagen, nur ein Kinderspiel zu dem waren, was in der nächsten Zeit auf ihn zukommen würde …

      *

      Mitten in der Nacht wachte Greg auf. Er blieb still liegen und lauschte mit angehaltenem Atem. Alles war wie sonst. Von der ruhenden Herde kamen undeutliche Geräusche. Irgendwo aus der Dunkelheit wehte die Stimme des jungen Rick Carney, der ein altes Cowboylied sang und dabei seine Wachrunden ritt. Es roch nach trockener Erde, Asche und Rindern. Im ersten Moment war nichts Auffälliges zu erkennen.

      Vorsichtig hob Greg etwas den Kopf. Ganz in der Nähe lagen Dillon, Tipstone und der Koch in ihre Decken gerollt. Mary Lockwood hatte ihr Lager unter dem Küchenwagen aufgeschlagen. Auch dort rührte sich nichts. Dann spähte Greg behutsam zu der Stelle, wo Torrence sein musste – auf der anderen Seite der erloschenen Feuerstelle.

      Im nächsten Sekundenbruchteil gab es Greg einen Stich. Torrences Decken waren leer!

      Er richtete sich langsam auf die Ellenbogen. Das Gefunkel der Sterne reichte kaum aus, die Dunkelheit zu durchdringen. Trotzdem erkannte Greg den Schatten, der eben am Küchenwagen vorbei in die Finsternis hineinglitt.

      Hastig schlug Greg die Decken zurück und richtete sich auf. Er schnallte seinen Revolvergurt um und überprüfte den richtigen Sitz des schweren 45ers, den der alte Tipstone ihm geschenkt hatte.

      Greg dachte keinen Moment daran, einen der anderen zu wecken. Seit dem Vorfall mit Torrence empfanden alle, mit Ausnahme von Mike Tipstone, heftiges Misstrauen gegen ihn. Ein Verdacht allein reichte nicht aus, sie zu überzeugen.

      Wie es auf jedem Rindertrail üblich war, hatte er in den Stiefeln geschlafen. Auf den Zehenspitzen schlich er nun sofort in die Richtung, in der Torrence verschwunden war.

      Vor ihm in der Dunkelheit raschelte dürres Gras. Drüben im Seilkorral schnaubten Pferde. Dann glaubte Greg, die hohe hagere Gestalt Torrences in der Dunkelheit vor sich zu erkennen. Er duckte sich tiefer.

      Torrence warf einen prüfenden Blick zum Camp zurück. Er schien Greg nicht zu bemerken. Und deutlich sah Greg, dass der Vormann die Hände trichterförmig vor den Mund legte. Gleich darauf tönte der hohle Ruf eines Nachtkauzes leise durch die Finsternis.

      Mit einem Schlag war jede Faser in Greg Williams gespannt. Er erinnerte sich an alles, was Old Mike Tipstone und Mary Lockwood ihm erzählt hatten, und er dachte an jene Zeit in New Mexico zurück, die ihm Torrence in äußerst ungünstigem Licht gezeigt hatte. Eine beklemmende Ahnung breitete sich immer mehr in ihm aus.

      Er wartete voller Spannung.

      Nichts geschah!

      Torrence machte einige Schritte tiefer in die Nacht hinein und wiederholte sein Signal. Drei, vier Sekunden verstrichen, in denen nur Hörnergeklapper und ein entferntes Rindergebrüll zu hören waren. Dann kam der dumpfe Käuzchenruf aus der Nacht zurück.

      Greg nickte grimmig vor sich hin. Er ließ sich auf Hände und Knie nieder und kroch näher an die Stelle heran, wo Lee Torrence stand. Hinter hohen Salbeistauden kauerte er sich lautlos nieder.

      Es dauerte nicht lange, und wieder war das Rascheln dürrer Grashalme zu hören.

      „Lee!“, kam eine gedämpfte Stimme hastig durch die Dunkelheit. „Wo steckst du, Lee?“

      „Hier drüben! Bist du es, Brod?“

      Greg wagte kaum mehr zu atmen.

      Nur wenige Yard seitlich von ihm löste sich eine dunkle Gestalt aus der Nachtschwärze. Die Schritte wurden vom weichen Grasboden gedämpft. Der Fremde ging an ihm vorbei und blieb dicht vor Torrence stehen.

      „Alles in Ordnung, Lee?“

      „Nicht ganz!“, murmelte der Vormann. „Das Girl hat einen Neuen in die Mannschaft aufgenommen.“

      „Und?“

      „Der Koyote kennt mich von früher.“

      „Wer ist der Bursche?“

      „Greg Williams.“

      „Williams? Hm, Lee, dann glaub’ ich, dass ich was für dich habe.“ Die Stimme sank zu einem heiseren Raunen herab, und Greg konnte, obwohl er sich anstrengte, kein Wort mehr verstehen.

      Die beiden Männer vor ihm standen so dicht beieinander, dass die schwarzen Umrisse ihrer Gestalten zu verschmelzen schienen. Schließlich wurde die Stimme des Fremden, den Torrence „Brod“ genannt hatte, wieder lauter.

      „Ich denke, Lee, dass du ihn auf diese Weise im Zaum halten kannst. Und nun zur anderen Sache! Wann schlagen wir endlich zu?“

      „Erst wenn wir den Red River überschritten haben und im Indianerland sind.“

      „Meinst du, wir bekommen das Girl nicht früher weich?“

      „Auf keinen Fall! Seit dem Tod des alten Lockwood ist sie noch entschlossener, den Trail fortzusetzen und die Herde in Dodge zu verkaufen.“

      Torrences Stimme klang kalt. Greg kostete es Mühe, ruhig zu bleiben. Sein Verdacht gegen den Vormann hatte sich also auf Anhieb bestätigt. Dieser Mann, der Mary Lockwoods Vertrauter war und den sie als Freund ihres Vaters betrachtete,