Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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Don Brigg, der Bruder des reichen Ranchers Glenn Brigg, unter seiner Kugel zusammengebrochen war.

      Der Schnurrbärtige stand geduckt mitten im hereinflutenden Sonnenlicht. Sein Blick fiel auf Kinross, der bewusstlos am Boden lag, und für einen Moment stand er wie versteinert. Überraschung und Wut vermischten sich auf seinem breitflächigen Gesicht.

      Für Greg war keine Sekunde zu verlieren!

      Er ließ den Sattel liegen und sprang auf die Treppe zu. Draußen auf dem sonnenbestrahlten Gehsteig pochten eilige Stiefeltritte. Da kamen die übrigen Männer der Kinross Mannschaft heran.

      Greg erreichte den Fuß der Treppe. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm den hochflirrenden Coltlauf des Mannes. Er feuerte um einen Sekundenbruchteil früher.

      Durch den zerflatternden Pulverrauch sah er den Schnurrbärtigen ungläubig die Augen aufreißen. Der Mann machte zwei torkelnde Schritte auf die Stiege zu, dann fasste er mit beiden Händen an den linken Oberschenkel und setzte sich mitten auf den Boden.

      Das helle Viereck der offenen Tür wurde verdunkelt. Sehnige Gestalten drängten über die Schwelle. Greg schaute in finstere wilde Gesichter. Eine vor Erregung kratzende Stimme schrie: „Da ist er! Er hat Jim und Stan erledigt! Los, drauf auf ihn!“

      Greg feuerte zwei schnelle Kugeln ab. Holzteile splitterten aus dem Türrahmen. Die Männer auf der Schwelle prallten erschrocken zurück.

      Greg fuhr herum und rannte, den glatten Kolben seines 44er Navy Colts krampfhaft umklammernd, die Stufen hinauf. Schweiß biss salzig auf seinen ausgedörrten Lippen. Sein Herz hämmerte wie rasend. Er wusste, dass er von keinem dieser Leute Schonung zu erwarten hatte. Glenn Brigg hatte eine Mannschaft hinter ihm hergeschickt, die nur an eines dachte: an die zweitausend Dollar, die auf seinen Kopf ausgesetzt waren!

      Vom Hoteleingang her rasten Revolverschüsse auf.

      Eine Kugel bohrte sich knirschend dicht unter Gregs Stiefelabsatz in eine Stufe, eine andere zischte haarscharf an seinem Kopf vorbei. Das Krachen übertönte alle Geräusche, die von der Straße kamen. Auf halber Treppenhöhe gab Greg, ohne anzuhalten, zwei weitere Schüsse nach unten ab. Der schrille Aufschrei eines Mannes lag in seinen Ohren. Pulverqualm vernebelte die Sicht. Und durch diese milchigen Schwaden stachen neue Mündungsfeuer.

      Greg hetzte weiter.

      Stiefel polterten auf der Treppe. Stimmen schrien durcheinander. Irgendwo auf der sonnengleißenden Straße vor dem Rio Colorado Hotel wieherte durchdringend ein Pferd.

      Greg rannte von der Treppe fort den Korridor entlang. Eine Kugel schlug wuchtig in die Bretterwand, dann verstummte das Dröhnen der Waffen. Im Laufen zerrte Greg den Schlüssel aus der Hosentasche.

      Keuchend blieb er vor seinem Zimmer stehen. Seine Finger zitterten, und er setzte zweimal vergeblich an, ehe er den Schlüssel ins Schloss brachte. Die Treppe ächzte unter dem Ansturm der Männer, von denen jeder zuerst oben sein wollte. Rostig knirschte der Schlüssel. Greg stieß die linke Fußspitze gegen die Tür. Sie schwang knarrend nach innen auf.

      Er schaute über die Schulter und sah, dass die ersten Verfolger das obere Treppenende erreichten. Weiter unten brüllte ein Mann: „Schießt ihn ab, diesen Mörder!“

      *

      Die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst, schwang Greg den 44er empor und zog den Stecher durch. Es knackte nur metallen. Die Kammern waren leer!

      Der Mann an der Spitze der Meute feuerte.

      Greg schnellte ins Zimmer. Die Kugel klatschte wuchtig in das Holz des Türrahmens – genau dort, wo Greg eben noch gestanden hatte. Ein Stakkato von Schüssen dröhnte jetzt den Korridor entlang. Greg schlug die Tür zu und schob den Riegel vor.

      Sein Atem ging schwer.

      Mit schweißüberströmtem Gesicht lehnte er sich neben der Tür an die Zimmerwand. Sein Blick irrte gehetzt hin und her.

      Der Raum war klein und einfach eingerichtet. Das schmale Bett, ein wurmstichiger Schrank, dessen Türen nicht mehr richtig schlossen, ein runder wackliger Tisch und ein Stuhl – das war alles. Eine Nacht und einen halben Tag hatte Greg Williams hier verbracht. Zum ersten Mal seit Wochen hatte er angefangen, sich wieder als Mensch unter Menschen zu fühlen – nicht wie ein gehetztes Tier. Und nun war alles wieder beim alten, vielleicht noch schlimmer als vorher!

      Draußen im offenen sonnendurchglühten Land hatte er stets sein Pferd in Reichweite gehabt. Da draußen hatten ihm viele Wege zur Flucht offengestanden. Und hier? In diesem engen Zimmer fühlte er sich wie in einer tödlichen Falle!

      Auf dem Korridor kamen die eiligen harten Schritte der Verfolger heran. Stimmen redeten gedämpft durcheinander. Sporen klirrten.

      Greg erinnerte sich daran, dass sein Colt leergeschossen war. Hastig zerrte er Patronen aus den Schlaufen seines breiten Ledergurtes und füllte die Colttrommel nach. Die leeren Hülsen klickten auf die Bodenbretter. Draußen war das Stimmengewirr und Schrittepochen vor der Zimmertür angelangt. Ein Mann knurrte ungeduldig.

      „Ach was! Den werden wir gleich haben! Vorsicht, macht mir Platz!“

      Greg presste sich enger an die Wand. Die Mündung seiner Waffe richtete sich auf die verriegelte Tür.

      Auf dem Gang peitschten drei schnelle Schüsse. Die Kugeln wummerten gegen das eiserne Schloss. Knirschen und Bersten waren zu hören. Greg biss sich auf die Unterlippe, als er sah, wie sich der Riegel aus der Halterung zu lösen begann. Jemand trat wuchtig von außen gegen die Tür.

      Greg feuerte, und die Kugeln durchschlugen splitternd das Holz. Auf dem Korridor gellte ein Schmerzensschrei. Dann folgten die gestöhnten Worte: „Mein Arm! Verdammt, er hat mich direkt in den Arm getroffen!“

      „Dieser Satan!“, knurrte eine andere Stimme. „Heh, Williams, gleich haben wir dich! Und dann wirst du allerhand zu bezahlen haben, du verdammter Revolverschwinger!“

      Neue Kugeln schmetterten gegen das Schloss.

      Ein Gedanke kam Greg. Er rannte quer durchs Zimmer zum offenen Fenster. Das Sonnenlicht blendete ihn. Draußen flimmerte die Luft über den Dächern von Austin. Am blauen Himmel war kein einziger Wolkenfetzen zu bemerken.

      Greg spähte in die Tiefe. Da unten war das Dach der Hotelveranda. Die breite Straße – ein schnurgerades gelbes Band, das vom einen Ende der Stadt zum anderen verlief – war menschenleer. Gesattelte Pferde standen im Schatten an langen Haltegeländern.

      Hinter sich hörte Greg das Zerbrechen des Schlosses. Die Tür bewegte sich knarrend. Auf dem Korridor schrie ein Mann in wildem Triumph: „Geschafft! Jetzt haben wir ihn!“

      Mit dieser wilden Meute auf den Fersen waren Gregs Chancen gering. Aber alles in ihm bäumte sich dagegen auf, für ein Verbrechen zu sterben, das er nicht begangen hatte. In diesen Augenblicken saß nur ein Gedanke in seinem Gehirn fest: Flucht!

      Er schwang die Beine übers Fensterbrett und ließ sich nach draußen gleiten. Sekundenlang hielt er sich noch am Sims fest, den Körper frei an der Hotelfassade baumelnd. Dann hörte er droben das einsetzende Wutgeheul und löste seinen Griff.

      Er landete schwer auf dem schräg abfallenden Verandadach. Mit rudernden Armen suchte er das Gleichgewicht zu halten. Er fiel und glitt zum Dachrand hin abwärts. Nirgends bot sich ihm Halt.

      Durch das Rauschen in seinen Ohren drang der wilde Lärm aus seinem Zimmer: Wütende Schüsse wurden in die Wände gejagt, Tisch und Stuhl zertrümmert, die Dielen erzitterten unter dem Gestampfe der Stiefel.

      Dann war da schon die Dachkante! Seine Füße schossen ins Leere hinaus. Instinktiv krümmte er den Rücken, um die Wucht des Aufpralls zu mildern. Schon schlug er auf. Staub wolkte und brannte in seinen Augen.

      Er rollte keuchend herum und stemmte sich auf die Knie. Seine Ellenbogen waren zerschrammt, das derbe Baumwollhemd an der linken Schulter aufgerissen. Der Colt war ihm entfallen. Er sah ihn einige Handbreit von sich entfernt im sonnen warmen Sand liegen. Sofort streckte er die Hand nach der schweren Waffe aus.

      Da