Paul Fenzl

Fokus SEIDENPLANTAGE


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      Kapitel 7

      Die folgenden Stunden waren im Präsidium von Hektik geprägt. Regensburg mag ob seiner Einwohnerzahl als Großstadt gelten, aber ein Mord ist hier immer noch etwas Außergewöhnliches, das selbst die augenblicklichen sehr beängstigenden COVID-19 Nachrichten von der Titelseite der Mittelbayerischen Zeitung verdrängte. Und wieder wusste mal niemand, wie die Presse Wind davon bekommen hatte. Auf alle Fälle war der Köstlbacher kaum zurück in seinem Büro und wollte seine Truppe gerade zu einer Lagebesprechung zusammentrommeln lassen, als ihm die Klein einen angeblich freien Journalisten durchstellte, der nähere Details zum Mord oben auf den ›Winzerer Höhen‹ wissen wollte.

      »Hallo Herr Kommissar Köstlbacher. Mein Name ist Rudolf Kamarek. ›Unabhängige Presse Regensburg‹. Ich hätte ein paar Fragen an Sie wegen des Mordes von heute Morgen.«

      »Ich kenne keine ›Unabhängige Presse Regensburg!«. Der Tonfall vom Köstlbacher sagte viel aus über seine Lust, momentan mit einem Journalisten zu reden. »Außerdem haben wir einen Pressesprecher. Wenden Sie sich an den!«

      »Dann stimmt es also, dass heute eine junge Frau vor der SEIDENPLANTAGE ermordet worden ist?«

      »Haben Sie nicht verstanden? Wenden Sie sich an den Pressesprecher!«, sagte der Köstlbacher und legte auf. Durch die halb offenstehende Tür zu seiner Sekretärin Edith Klein grantelte er:

      »Wenn wieder so ein Pressefuzzi in der Leitung ist, dann wimmeln Sie ihn ab! Wir haben die Ermittlungen noch nicht einmal richtig aufgenommen, schon sind diese Aasgeier da.«

      »Entschuldigung Chef! Aber während Sie außer Hauses waren, hat Ihre Kollegin Cuscunà durchblicken lassen, dass eine Pressekonferenz anberaumt werden soll. Und da dachte ich…!«

      Der Köstlbacher erhob erstaunt seine Augenbrauen. ›Was zum Teufel ist in die Cuscunà gefahren?‹, fragte er sich und befahl laut: »Beordern Sie alle vom Team zu mir in den Konferenzraum. In einer Stunde! Wer unterwegs ist, soll unverzüglich seinen Einsatz abbrechen und zur Dienstbesprechung kommen!«

      Der Köstlbacher ist, wie viele seiner leitenden Kollegen in anderen Städten, ein großer Fan von Pinnwänden. Eine steht in seinem Büro, eine übergroße im Konferenzraum und eine eher minimalistisch kleine, bei ihm zu Hause. Die Pinnwand in seinem Büro hilft ihm, seine Gedanken zu einem Fall zu ordnen. Die im Konferenzraum gibt allen einen schnellen Überblick und wird ständig erweitert und umgebaut. Was im Konferenzraum an die Pinnwand kommt, ergänzt der Köstlbacher anschließend an seiner persönlichen im Büro. Oder er lässt es von der Klein ergänzen. Die macht dann im Konferenzraum ein Foto und bringt anschließend die Pinnwand in seinem Büro auf den neuesten Stand.

      Und die zu Hause? Die zu Hause ist eigentlich nur digital. Ein Handyfoto von der in seinem Arbeitszimmer im Präsidium, wenn man so will. Fallen ihm dann zu Hause Ergänzungen ein, dann macht er sich Notizen auf Zettelchen. Das kann überall geschehen. Sogar auf der Toilette. Dort sogar besonders gerne, weil es die Anna hasst, wenn er seine Arbeit zu Hause fortsetzt und sich keine Zeit für sie nimmt, wo er doch ohnehin selten pünktlich zum Abendessen nach Hause kommt. Ein Teilbereich der Pinnwände im Präsidium ist immer reserviert für eine Regensburg-Karte. Ermittlungsrelevante Orte werden dort mit kleinen Fähnchen gekennzeichnet. Das geht sogar digital. Der Kollege Jens Homeier von der Technik, ein junger Spund, frisch von der Uni, null Ahnung von der Polizeiarbeit, aber ein absoluter und exzellenter Informatik-Freak, hatte dem Köstlbacher eine App auf seinem Handy eingerichtet, mit deren Hilfe er eine Regensburg-Karte digital bearbeiten konnte. Der Jens, sein Spitzname ist ›Nerd‹, hatte das so perfekt erklärt, dass es sogar der Köstlbacher ›himself‹ verstanden hatte und am Ende sogar damit umgehen konnte.

      Erfreulich pünktlich kamen alle zur Besprechung in den Konferenzraum. Früher hätte so eine Besprechung auf engstem Raum im Arbeitszimmer vom Köstlbacher stattgefunden. Aber früher gab es auch noch kein Corona! Jetzt musste alles auf Abstand erfolgen und natürlich mit Maske. Zum Glück gab es so einen großen Konferenzraum. Vor Corona war dieser Raum nur zu Fortbildungszwecken und hin und wieder zu größeren Zusammenkünften mit dem Abteilungsleiter und der Staatsanwältin genutzt worden und stand sonst leer.

      Kapitel 8

      Der Sportstudent Peter Bräu, der mit großem Eifer als freiwillige Erweiterung zum praktischen Pflichtprogramm jeden nur erdenklichen Kampfsport belegte, erfuhr noch vor einer Meldung in der Mittelbayerischen Zeitung von dem Mord an der Joggerin. Woher, danach fragte niemand. Manchmal werden auch seitens der Kripo wesentliche Fragen nicht gestellt. Nicht zuletzt deswegen sollte dieser Peter Bräu für die Kripo Regensburg noch sehr anstrengend werden.

      Die ermordete Joggerin war dem Sportstudenten nicht unbekannt. Und, warum auch immer, er setzte es sich spontan in den Kopf, der Regensburger Kripo kein Vertrauen zu schenken und die ›Sache‹ selbst in die Hand zu nehmen. Was wohl zu bedeuten hatte, dass er auf eigene Faust zu ermitteln gedachte.

      Kapitel 9

      Vor der ersten Besprechung zum Mordfall SEIDENPLANTAGE nahm sich der Köstlbacher die Cuscunà zur Seite.

      »Habe ich Ihnen irgendwann gesagt, Sie sollen eine Pressekonferenz vorbereiten?«, blaffte er sie an.

      Die Kommissarin Cuscunà wurde schlagartig rot im Gesicht. Sie hatte natürlich mit einer zumindest ähnlichen Reaktion vom Köstlbacher gerechnet, aber wie es schien, war ihr Chef mehr als nur etwas angepisst. Ihr eigenmächtiger Vorstoß, dem Wunsch der Staatsanwältin auf dem kleinen Dienstweg Nachdruck zu verleihen, war doch nicht so gut gewesen.

      »Ich, ich wollte Ihnen nur eine Arbeit abnehmen«, stotterte sie. »Dass es eine Pressekonferenz geben würde, setzte ich dabei voraus!«

      »Setzten Sie voraus, Kollegin Cuscunà? Was bitte sollten wir den Aasgeiern jetzt schon sagen, ohne laufenden Ermittlungen vorzugreifen?«

      »Ich, ich…«, begann die Cuscunà erneut zu stottern.

      Der Köstlbacher ließ sie einfach stehen und drehte sich zu den anderen um, die von dieser Unterredung nichts mitbekommen hatten, weil sie selbst emsig in Gespräche vertieft waren, und weil der Köstlbacher zwar sehr energisch, aber trotzdem sehr leise gesprochen hatte.

      Die Martina Cuscunà verließ schnell für wenige Minuten den Raum. Sie hatte Tränen der Wut in den Augen und die wollte sie niemandem sehen lassen.

      Die Besprechung begann zäh. Obwohl inzwischen über das abgestellte Auto des Opfers und der darin aufgefundenen Papiere die Identität der Toten bekannt war, hatte man noch nicht den geringsten Anhaltspunkt, der Licht in den Fall hätte bringen können.

      »Bei der Toten handelt es sich um die 21jährige Norwegerin Helge Martinson, wohnhaft im Studentenwohnheim Blaue-Stern-Gasse.« Der Köstlbacher steckte, während er diese Info vorlas, zu dem Fähnchen vom Tatort an der Pinnwand das der Adresse der Ermordeten.

      »Das ist ja schon mal was«, bemerkte der Abteilungsleiter Lenz, der es sich wegen der Besonderheit des Verbrechens, quasi sein erster Mord seit seiner Beförderung, nicht hatte nehmen lassen, zu dieser Besprechung persönlich zu erscheinen.

      »Das und die Mordwaffe. Ein handelsübliches Küchenmesser. Natürlich alles Ansätze zu weiteren Ermittlungen«, ergänzte der Köstlbacher. »Was wir aber der Presse nicht auf die Nase binden sollten. Ich schlage vor, wir geben vor, eine heiße Spur zu verfolgen und können daher wegen laufender Ermittlungen vorerst noch nichts verlauten lassen.«

      »Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Allerdings neigt die Presse dazu, Märchen zu erfinden, wenn sie keine Fakten von uns an die Hand bekommt. Daher ist es vielleicht besser, wenn wir sie auf eine Spur lenken, die unverfänglich ist«, warf Abteilungsleiter Lenz ein.

      Der Köstlbacher hob erstaunt den Kopf. Natürlich wusste er nicht, dass diesen Floh die Staatsanwältin dem Abteilungsleiter ins Ohr gesetzt hatte. Denselben Floh, den sie der Kollegin Cuscunà auch schon…

      »Was