Eva Apfel

Die Waldi-Philosophie


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Das waren Zeiten, damals, als mein Ururururopa Rudelführer war.

      Diese herausragenden Eigenschaften werden in meiner Hunderasse wiedergefunden!

      Ich, Waldi der Teckel, bin der designte Wolf und „Nicht im Schafspelz“! Sicher gibt es auch andere gezüchtete Hunderassen, aber egal.

      Pudelpeggy würde ich herausstreichen, sie fällt unter die Kategorie: Furchtbar peinlich oder muss ich mich fremdschämen? Nie im Leben hatte ich einen rosaroten Wolf gesehen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

      Diese Wölfe, habe ich gehört, ist ein großes Thema. Einwanderer aus dem Osten, leider weitestgehend unerwünscht. Alle reden von Bio und zurück zur Natur, jeder trägt „Jack Wolfskin“.

      Selbst die Rentner tragen neuerdings Outdoorsachen! Wozu auch immer? Um ein Beispiel zu nennen, die Rollstuhlrenate, sie wohnt in unserem Altenheim. Zum täglichen Rauchen wird die Rentnerin im Krankenfahrstuhl hinausgeschoben. Zug um Zug steigen der Rauchzeichen auf und ihre Outdooraktivitäten verflüchtigen sich als leichter Luftzug.

      Während der Sommersaison brennt der Planet auf die Raucherin herunter und der Seniorenkörper wird aufgeheizt, so dass er kräftig in der Doppeljacke transpiriert. Die Belüftungsreißverschlüsse können geöffnet werden und die Jacke wird atmungsaktiv.

      Das Outfit ergänzt sich mit einem winddichten Tragekomfort. Der nächste Herbst, der für stürmische Erlebnisse sorgt, wirbelt bestimmt bald umher!

      Schneegestöber während der Winterperiode lässt eine Outdoorjacke zur Schutzjacke avancieren. Rollstuhlrenate ist saisonal ausgerüstet, um ihre Rauchzeichen abzugeben. Ihrem ganz besonderen Genuss kann sie hoffentlich viele Jahre frönen!

      Abends ist die Zigarettenpackung leer, der Geruch von Freiheit und Zigarettenqualm nimmt ein jähes Ende. Die Rentnerin wird hineingeschoben, und sorgfältig eingeschlossen in den Seniorenindoorpark mit Schlafgelegenheit.

      In der Nacht ist es zu gefährlich für Outdooraktivitäten.

      Rauchen ist indoor verboten! Die Rauchmelder schlagen sofort Alarm. Zu oft raste die Feuerwehr unnötig und zu unbezahlten Löschversuchen heran.

      Unsere wölfischen Vorfahren beschäftigten sich das gesamte Jahr mit Outdooraktivitäten. Ein fragwürdiges Benehmen unserer Verwandten, sie fressen einfach die Schäfchen von der Weide. In ihrem Blutrausch sind die Wölfe unkontrollierbar.

      Früher standen Großmütter und Rotkäppchen auf der Speisekarte, sie haben sich gemäßigt und das Gesetzbuch gelesen, Menschenraub wird ab sofort bestraft.

      Aber mal unter uns, Doreens Verwandtschaft bedient sich ebenfalls und selbstverständlich aus dem Kühlschrank. Verbote spricht meine Doreen niemals aus! Hier wird Gastfreundschaft großgeschrieben.

      Tante Wilma besucht mehrmals jährlich mein Frauchen. Ungefragt zieht die 85-Jährige mit ihren großen Koffern für Tage oder Wochen ein.

      Höchstleistungen, was das Jagen betrifft, kann Doreen keineswegs von ihrer Tante erwarten. Sie macht ausschließlich Jagd auf Witwer, es stehen genug Kontaktanzeigen im örtlichen Tageblatt.

      Verwandtschaft kann sich keiner aussuchen, meistens bleiben sie länger, als man sie gebrauchen kann. Was das anbelangt, sollte man abreisen, solange es noch schön ist oder rücksichtsvoll gehen. Nach drei Tagen beginnt der Fisch zu stinken. Diese Form der Höflichkeit sind Tante Wilma und den Wölfen unbekannt, ihr Aufenthalt ist selbstverständlich.

      Hier ist der Tisch gedeckt. Und habt euch mal nicht so! Wir haben unsere Verwandtschaft seit längerer Zeit vermisst, sie wurden ausgewiesen, ausgerottet, vertrieben und abgeschoben.

      Die Sünden der Vergangenheit haben uns eingeholt! Schwein gehabt! Wir dürfen sie verwöhnen und Wiedergutmachung leisten, und wenn ein paar Schafe daran glauben müssen, Hunger macht böse!

      Doreen war äußerst schweigsam und ließ sich auf kein Gespräch mit Pudelpeggy ein. Im Kopf schwirrte ihr das Verhalten von Cordula herum, ihre Freundin rannte verstört die Straße hinunter, regelrecht grün war sie im Gesicht.

      Wenn mein Frauchen ihr Herz nicht am richtigen Fleck hat, wer dann? Sie tratscht sicherlich gern, doch ist die „Hundekacke am Dampfen“, ist sie Kumpel und hilft, wo sie kann. Natürlich mit Schweigepflicht, das ist ihre Berufung. Dafür liebe ich sie!

      Wiederholt knurrte und zerrte ich an der Leine, schauspielern kann ich ausgezeichnet. Doreen versuchte mich mit ihren Kommandos zu kontrollieren. Mein Spürsinn roch ihre Aufregung, an dem aufgezwungenen Gespräch beteiligte sie sich kaum.

      Es war Gefahr in Verzug! Ungeduldig meldete sich Frauchen zu Wort. Pudelpeggy ließ sie keineswegs vom Hacken, letzten Endes gelang es ihr, sich zu verabschieden, Termine vorschiebend.

      Die Fährte wurde augenblicklich von mir aufgenommen, ich presste die Nase auf den Boden. Meine Arbeit hatte Vorrang, freudig schnüffelte ich los, die Leine spannte sich.

      „Du meine Güte, Waldi renne doch nicht so! Ich kriege keine Luft mehr!“, hastete Doreen hinterher.

      Wir nahmen unseren Dienst auf, leider führte alles über 3,4 km zur Luftnot. Um einen Atemstillstand meines Frauchens zu vermeiden, musste ich die Geschwindigkeit drosseln. Ich werde ihre Diensttauglichkeit in Frage stellen und die Fitnessschraube anziehen.

      Mein Traum eine Ausbildung zum Dachshund, muss ich vergessen! In der Hundeschule bin ich zurzeit in der 1. Klasse. Diese angestrebte Karriere konnte ich nur durchlaufen, wenn mich ein Jäger in den Dienst nehmen würde.

      Wie soll ich das Doreen sagen? Potenzial ist vorhanden, ich muss eine Entscheidung treffen: „Auge in Auge mit einem wutschnaubenden Dachs oder Auge in Auge mit den Tränen einer betrogenen Ehefrau.“

      Völlig außer Atem und mit dicken Achselschweißrändern, die sich an ihrem T-Shirt abzeichneten, spürten wir Cordula im Park auf. In 100 Meter Entfernung erblickte ich die Betrogene auf der Trauerbank sitzen.

      Ein Jammerbild, es tröpfelte, die Sonne hatte sich hinter dicken Regenwolken verzogen, das Wetter entsprach ihrer Situation.

      Cordula bemerkte kaum, dass sie nass wurde. Trauernd saß sie unter der Trauerweide, Helmut trauernd daneben.

      Er war noch angeleint, und hatte keine Möglichkeit herumzutollen, und wie gewohnt seine Bäume und Sträucher zu markieren. Gedankenverloren dachte sie an ihren Schatzi und stand vollkommen neben sich.

      Der Riesenschnauzer wusste noch nichts von seiner neuen Situation. Bald würde er ein herrenloser Streuner sein oder einfach ein Scheidungshund. Mit Wochenenden bei Herrchen und Woche bei Frauchen oder Wochenende bei Frauchen, Woche bei Herrchen.

      Diesen Sachverhalt würde das Gericht klären, alles würde das Gericht klären müssen. Der Hammer kam bestimmt, und wenn es lediglich der Hammer bei Gericht war!

      Egal, für Helmut war das völlig egal! Hauptsache es blieb alles wie bisher! Er möchte seinen wohlverdienten Ruhestand weiterhin genießen, im Luxus All inclusive!

      Doreen konnte keineswegs anders: „Frau Callipo, Cordula, kann ich ihnen helfen, geht es ihnen gut?“

      Erschrocken sah die Veruntreute auf.

      „Was, wie bitte?“, stammelte sie, „Ach, ich bin gestresst! Momentan möchte ich mich nicht dazu äußern. Mir geht so einiges durch den Kopf, familiäre Probleme. Oh je, du meine Güte es ist bereits Viertel nach vier, ich muss schleunigst nach Hause! Die Kinder warten und ich muss dringend den Einkauf erledigen. Jetzt muss ich mich sputen! Bis bald mal auf einen Kaffee, Doreen!“ joggte Cordula los und rannte ihren Verpflichtungen hinterher.

      Heute konnten wir ihr keine Hilfestellung leisten, aber wir werden sie nicht aus den Augen verlieren!

      Ich führe Doreen weiter durch den Stadtpark, eine Aufregung heute. Wir brauchen dringend eine Atempause.

      Diese romantischen Abendspaziergänge, wenn die späte Sonne den Himmel lichtdurchflutet. Frisch glitzert und funkelt es nach dem leichten Regen, die Tropfen spiegeln das Farbspektrum brillant, und unsere Lungen werden von der sauberen Luft gereinigt.