A. F. Morland

Die besten 12 Strand Krimis Juni 2021


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wärst das.“

      Tiggers schüttelte den Kopf. „Ich bin bloß sein Stellvertreter.“

      Sie fuhren zum Hafen. Nahe der Gowanus Bay steuerte Tiggers ein altes Lagerhaus an. Das Gebäude hatte eingeschlagene Fenster und teilweise vernagelte Türen. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Bount spürte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Wenn er Glück hatte, stieß er jetzt bis zum Boss der Truck-Hyänen vor. Wenn ihm das Glück dann aber nicht treu blieb, konnte er in arge Schwierigkeiten geraten. Und ganz dick würde es kommen, wenn die Gangster sein falsches Spiel durchschauten.

      Victor Tiggers stoppte sein Fahrzeug neben einem rostzerfressenen Eisentor. Er schaltete die Beleuchtung aus und verließ den Wagen. Bount folgte seinem Beispiel.

      Von der Upper Bay wehte eine feuchte Brise herüber. Der Himmel war tintig. Kein Stern zeigte sich, denn über der Stadt hing seit dem frühen Nachmittag eine dicke Wolkendecke.

      Tiggers trat an das Tor. Er klopfte: dreimal lang, zweimal kurz. Drinnen wurde ein Riegel zur Seite geschoben, und dann sah Bount Reiniger Charles Marcuse wieder.

      Bount schluckte trocken. In dem Durchgang, in dem er an Marcuse geraten war, war es stockdunkel gewesen. Dort konnte der Gangster sein Gesicht nicht gesehen haben. Aber vielleicht war es ihm schon früher aufgefallen.

      Marcuse streifte Bount mit einem kurzen Blick. „Was ist mit dem?“, fragte er seinen Komplizen. „Wie heißt der?“

      „Bruce Sheridan“, antwortete Bount.

      Marcuse musterte ihn finster. „Sag mal, haben wir uns schon mal irgendwo gesehen?“

      „Nicht, dass ich wüsste“, erwiderte Bount Reiniger.

      „Dein Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor.“

      „Ich bin oft in Jack Lunas Lokal.“

      „Dann werde ich dich da gesehen haben“, brummte Marcuse und trat zur Seite. Tiggers führte Bount in ein kleines Büro mit Glaswänden. In einem Schreibtischsessel, der bei jeder Bewegung quietschte und ächzte, saß ein Mann, dessen Namen Bount von Victor Tiggers erfuhr: Eliot Banninger.

      Banninger erhob sich und bot Bount Platz an. Doch Bount Reiniger schüttelte den Kopf und sagte: „Vielen Dank, ich stehe lieber.“ Er war beweglicher, solange er stand. Und es war angeraten, im Kreise dieser Verbrecher auf der Hut zu sein.

      Von der Decke hing ein schwarzer Draht, der in eine Fassung mündete, in die eine Glühbirne geschraubt war. Wegen des blechernen Lampenschirms konnte das Licht nur nach unten fallen.

      Bount verschränkte die Arme vor der Brust. „Und nun?“, fragte er.

      „Der Boss wird in wenigen Minuten eintreffen“, sagte Tiggers.

      „Wie soll ich mich verhalten?“

      „Ganz natürlich.“

      „Mir liegt sehr viel daran, einen guten Job zu kriegen“, sagte Bount.

      „Ich bin sicher, du wirst ihm gefallen“, meinte Tiggers.

      „Und was dann?“

      „Dann gehörst du zu uns. Du kriegst eine Maske, eine MPi und darfst dich an der Truck-Jagd beteiligen.“

      Bount spielte den Verblüfften. „Ach, ihr seid das?“

      „Überrascht?“

      „Einigermaßen. Mann, ist ja toll, dass ich bei euch einsteigen kann.“ Bounts Miene wurde ernst. „Verdammt, was ist aber, wenn ich eurem Boss nicht zusage?“

      „Wenn diese Möglichkeit bestanden hätte, hätte ich dich nicht hierhergebracht“, erwiderte Tiggers.

      „Meine Güte, ich bin gespannt wie ein Regenschirm“, sagte Bount. Im selben Moment hörte er einen Wagen vorfahren. Der Boss der Truck-Hyänen war eingetroffen.

      Eine Fahrzeugtür fiel ins Schloss. Gleich darauf hörten die Männer Schritte. Sie näherten sich dem Tor. Dann wurde geklopft: dreimal lang, zweimal kurz. Charles Marcuse sagte: „Ich gehe schon.“

      Er verließ das Büro. Bount Reiniger versuchte, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen. Er setzte sich auf die Schreibtischkante, hörte, wie Marcuse das Tor öffnete und den Chef einließ.

      Durch die Glaswand sah Bount Reiniger die beiden Gestalten näher kommen. Rechts ging Marcuse. Nach wenigen Augenblicken erfasste der flache Lichtkegel der Lampe auch das Gesicht des anderen.

      Es war Tennessee Brooks, der Fuhrparkleiter von Errol Cabots Frachtunternehmen!

      23

      Brooks betrat vor Marcuse das Büro. Bount blickte ihn mit offenem Mund an. Der Boss der Truck-Hyänen lachte amüsiert. „Mach den Mund zu, Sheridan. Es zieht.“

      „Sie sind also der Kopf der Gang“, sagte Bount Reiniger.

      „Was verblüfft dich so? Traust du mir so etwas nicht zu?“

      „Errol Cabot bringt Ihnen großes Vertrauen entgegen.“

      „Ein Vertrauen, das ich durchaus rechtfertige, was meine Aufgaben als Fuhrparkleiter angeht“, sagte Tennessee Brooks. „Was ich nebenbei noch mache, geht Cabot nichts an. Ich arbeite mit den größten Hehlern New Yorks zusammen. Wenn meine Männer einen Truck überfallen, ist die Ware schon so gut wie verkauft. Die Coups schnurren so zufriedenstellend ab, dass ich mich entschlossen habe, meine Crew auszubauen.“

      „Deshalb bin ich hier. Ich würde furchtbar gern für Sie arbeiten“, sagte Bount.

      Brooks trat einen Schritt näher. Er musterte Bount Reiniger von Kopf bis Fuß. „Ich würde jeden anderen nehmen, nur nicht dich, Bruce Sheridan!“, kam es scharf über seine Lippen.

      Bounts Mund wurde trocken. „Was haben Sie gegen mich?“, fragte er mit belegter Stimme.

      Brooks’ Augen verengten sich. „Packt ihn!“, befahl er seinen Männern. Alle drei stürzten sich augenblicklich auf Bount. Sie umklammerten ihn so fest, dass er sich nicht mehr rühren konnte.

      „Mister Brooks, was hat das zu bedeuten?“, rief Bount erschrocken aus.

      Tennessee Brooks kam noch einen Schritt näher. „Ich habe Erkundigungen über dich eingeholt, mein Junge. Die Auskünfte, die ich erhielt, waren nicht sehr zufriedenstellend für mich. Bei BINGO TRANS hat es nie einen Bruce Sheridan gegeben. Ich habe gut ein Dutzend anderer Frachtunternehmen angerufen. Auch da ist ein Bruce Sheridan unbekannt. Es gibt keinen Fahrer dieses Namens. Kannst du mir das erklären?“

      Bount saß verdammt in der Klemme. Er musste sich ganz schnell eine halbwegs glaubhafte Geschichte einfallen lassen. „Ich ... ich war verheiratet. Bin seit zwei Jahren geschieden. Meine Frau verfolgt mich mit Unterhaltszahlungen ... Sie will mich fertigmachen. Sobald sie herauskriegt, wo ich arbeite, lässt sie meinen Lohn pfänden, deshalb bin ich gezwungen, ständig den Arbeitsplatz zu wechseln. Manchmal verwende ich dazu auch einen falschen Namen. Ich habe mir Papiere auf verschiedene Namen verschafft ...“

      Tennessee Brooks baute sich vor Bount auf. „Ein schönes Märchen, das du mir da auftischst.“

      „Es ist die Wahrheit.“

      „Eben nicht!“, schrie Brooks. Er holte aus. Bount sah die Faust kommen und spannte die Bauchmuskeln. Der Schlag war hart und schmerzhaft. „Du lügst. Sag mir die Wahrheit. Sag, wer du wirklich bist!“

      „Mein richtiger Name ist William Borden“, stöhnte Bount.

      „Oh nein“, widersprach ihm Brooks. „Du lügst schon wieder. Ich fand in Errol Cabots Büro auf einem Notizblock eine Telefonnummer. Kein Name. Keine Anschrift. Nur die Nummer. Ich wählte sie, und da meldete sich eine sympathische Mädchenstimme mit: ,Detektei Reiniger. Büro für private Ermittlungen ... Ich war nicht zu faul, zu dieser Detektei zu fahren. Ich gab dem Pförtner deine Beschreibung,