A. F. Morland

Extra Krimi Paket Sommer 2021


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er treibt sich auf dem Golfplatz herum, und weil er ein altmodischer Mensch ist, weigert er sich, ein Handy mitzunehmen. Immer noch Sherry muy seco?«

      »Immer noch, Vera.«

      Der alten Freundin musste Karin ihre Geschichte ausführlich erzählen und Vera nickte zustimmend. Von Wolfgang Tepper hatte sie nie viel gehalten, das aber erst ausgesprochen, als die Ehe bereits in die Brüche gegangen war. Ob sie Karins Entscheidung, Hals über Kopf mit einem anderen Mann auszureißen, wirklich billigte, ließ sie sich nicht anmerken, sie war eine so kluge wie taktvolle Frau, die weder predigte noch tadelte, erst recht nicht vorschnell verurteilte.

      »Nein, wo Wolfgang heute steckt, wissen wir auch nicht«, bedauerte sie. »Es gab noch einen unschönen Auftritt, drei oder vier Tage, nachdem er deinen Brief gefunden hatte. Da erschien er hier, ziemlich betrunken, und warf uns vor, wir hätten dich auf gehetzt, wir seien schuld an dem Bruch, wir hätten jede Versöhnung hintertrieben, nun ja, du kennst ihn ja. Seine Fähigkeit, anderen die Verantwortung für sein Scheitern zuzuschieben, hatte unter seinem Alkoholpegel nicht gelitten.«

      »Und danach?«

      »Von ihm direkt haben wir nichts mehr gehört. Aber Richard traf dann zwei oder drei Monate später einen Nachbarn und der erzählte ihm, dass Wolfgang das Haus verkauft habe und weggezogen sei. Ohne sich von seinen Nachbarn zu verabschieden.«

      »Das sieht ihm ähnlich.«

      »Ja, es hat uns nicht - verwundert.« Vera konnte unnachahmlich sticheln und Karin lachte leise. Emmo lag zu ihren Füßen und knurrte milde, wenn sie mit dem Streicheln aufhörte.

      »Du weißt, dass Wolfgang damals in geschäftlichen Schwierigkeiten steckte?«

      »Das ist die Untertreibung des Tages, liebe Karin.«

      Es hätte sie nicht überraschen dürfen, Vera erfuhr immer alles, was sich in der Nachbarschaft und in ihrem Bekanntenkreis abspielte. Das Angenehme - oder auch Irreführende - war, dass sie nicht immer zu erkennen gab, was sie wusste.

      »Ja, entschuldige. Wolfgang war pleite, nachdem er sich verspekuliert hatte, und der Staatsanwalt interessierte sich für ihn.«

      »Das war schon damals kein Geheimnis.«

      »Von seinen Geschäften habe ich nie etwas verstanden. Oder begriffen.«

      »Das glaube ich dir sofort. Bei seiner Art von Geschäften empfahl es sich, die Zahl der Mitwisser klein zu halten.« Das kam sehr trocken heraus und Karin musterte ihre alte Freundin unschlüssig. Bei aller Freundlichkeit verfocht Vera sehr feste Grundsätze von Anstand und Moral, und wer die verletzte, verspielte ihre Freundschaft. Wie Wolfgang, den sogar der Staatsanwalt verdächtigt hatte, einen gigantischen Betrug inszeniert zu haben.

      »Warst du schon auf dem Einwohnermeldeamt?« Vera wollte das Thema wechseln und Karin ging erleichtert darauf ein.

      »Nein, ich bin erst gestern gelandet und heute gleich zu unserem alten Haus gelaufen.«

      »Die Nachbarn haben also auch keine Ahnung, wo Wolfgang abgeblieben ist«, sagte Vera lebhaft. »So, und nun will ich mehr über Martin Carlsson hören.«

      Zwei Stunden später brach Karin auf, Emmo fiepte jämmerlich. Richard war noch nicht zurückgekommen, deshalb musste sie ihre Hoteladresse hinterlassen und zahlreiche Eide schwören, dass sie nicht wieder spurlos untertauchen würde.

      In der S-Bahn starrte sie aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen. Vera und Richard hatten ihr damals angeboten, zu ihnen zu ziehen, bis die Scheidung ausgesprochen war. Das Angebot hatte Karin geholfen, sich zu entschließen, weil sie sich darauf verlassen durfte, im schlimmsten Fall ein Dach über dem Kopf zu haben und nicht allein zu bleiben. Doch Martin hatte nicht viele Worte aufwenden müssen, um sie zur Flucht zu überreden. Ein Schnitt sollte es werden und dazu gehörte ein anderer Platz als dieser saubere, ruhige Taunus-Ort, in dem sie alles an Wolfgang und ihre eigenen Fehler erinnerte.

      Abends rief Richard im Hotel an: »Wie Vera schon sagte, ein Wunder, und zwar eines der netteren Art. Du hockst doch nicht etwa den ganzen Abend auf deinem Zimmer?«

      »Nein, du Unverbesserlicher«, log sie. »Noch zwei Minuten, um das Gesicht anzustreichen, dann wartet eine alte Freundin zum Essen auf mich.«

      »Wehe, du kommst nicht bald noch mal vorbei. Der arme Emmo schnüffelt im ganzen Haus nach dir.«

      »Bald, Richard, ich hab’s Vera doch versprochen.« Das Wochenende brauchte sie noch für sich, doch das wollte sie den alten Freunden nicht erklären.

      Eine Stunde musste sie warten, bis das schüchterne Mädchen hereinkam: »Frau Tepper? Herr Dr. Schütz lässt bitten.«

      Alle Notare, mit denen sie bis jetzt zu tun gehabt hatte, waren würdevolle ältere Herren gewesen, um deren ergraute Häupter die Aura des Gesetzes glänzte. Schütz war entweder viel zu jung für ein Notariat oder hatte sich unverschämt gut gehalten, tief gebräunt, mit rabenschwarzen Haaren und dunklen, lebhaften Augen. Er erhob sich nicht, sondern schnellte hoch, als hasste er seinen würdevollen Ledersessel, auf dem er nicht herumzappeln durfte.

      »Schütz. Guten Tag, Frau Tepper, was kann ich für Sie tun?«

      »Mir fünf Minuten Zeit geben, um eine verrückte Geschichte anzuhören.«

      »Verrückte Geschichten sind gut, davon lebe ich«, erwiderte er fröhlich.

      »Ich heiße Karin Tepper und war verheiratet mit einem Wolfgang Tepper, bin es vielleicht noch, ich weiß es nicht.«

      »Das ist in der Tat ungewöhnlich«, gab der Notar zu und zwinkerte.

      »Ich habe nämlich vor sieben Jahren meinen Mann verlassen, nein, ich bin ausgerissen, um es deutlich zu sagen, und mit einem anderen Mann in die Vereinigten Staaten gezogen. Seit diesem Tag habe ich von meinem gesetzlichen Ehemann nie wieder etwas gehört.«

      Schütz rieb sich die Hände, er schien ein seltsam unernster Mensch zu sein.

      »Nun will ich ihn finden und bin deshalb zu unserem alten Haus gefahren. In dem er nicht mehr wohnt, das Haus ist verkauft worden, vor vier Jahren an ein Ehepaar Alberts und Sie haben den Verkauf beurkundet oder wie man das nennt.« Sie brach ab, weil Schütz eine unbeschreibliche Grimasse schnitt, bevor er mit beiden Händen in seinen Haaren wühlte, als habe er zu viel davon und wolle ihr eine Strähne schenken. »Ist etwas?«

      »Mich laust der Affe!«

      In letzter Sekunde schluckte sie den Einwand herunter, das tue er schon selbst. »Das darf doch nicht ...« Er drückte auf eine Taste der Sprechanlage: »Eva? Bitte sofort die Akte Tepper, Wolfgang ... Nein, in der Treuhänderabteilung ... Danke.«

      Als er sich Karin wieder zuwandte, sah er eine Spur ernsthafter aus: »Gedulden Sie sich bitte eine Minute? Ich glaube, ich warte bereits seit sieben Jahren auf Sie.«

      »Wie meinen Sie das?«, fragte sie verwirrt.

      »Gleich, Eva ist sehr - da ist sie ja schon.« Das junge Mädchen lächelte und reichte ihm hastig eine Akte, die er sofort aufschlug, ein kaum hörbares »Danke« murmelnd. Wer für ihn arbeitete, musste sich seinem Tempo anpassen.

      »Tatsächlich - Sie heißen Karin Tepper, nicht wahr?«

      »Ja, ja.«

      »Können Sie sich irgendwie ausweisen - Pass, Personalausweis, Geburts- oder Heiratsurkunde?«

      »Ich habe alles dabei«, stotterte Karin betäubt.

      »Umso besser. Dann werden Sie diesen Raum sehr viel reicher verlassen, als Sie ihn betreten haben.«

      »Ich verstehe nicht ...«

      »Entschuldigung, der Reihe nach - und setzen Sie sich besser fest hin!«

      Vor sieben Jahren war Wolfgang Tepper hier erschienen, um eine Vermögensfrage mit dem Notar zu bereden. Seine Ehefrau Karin hatte ihn Knall auf Fall verlassen und war seitdem nicht mehr erreichbar. Ihren Entschluss, ihn nie