gehörte.
Sie nickte atemlos.
In diesem Schreiben hieß es wörtlich: »Mach mit dem Haus und den Möbeln, was du willst.«
»Das stimmt«, warf sie eilig ein und Schütz lachte: »Kennen Sie diese Handschrift?«
Dabei hielt er ihr die Akte hin und sie schnappte nach Luft: »Das ist doch mein Brief ...«
»Genau. Ihr Mann wollte das Haus verkaufen - er brauchte Geld, nicht wahr?«
»Ja, er war mit seiner Firma in Schwierigkeiten geraten ...«
»Es bestand der Verdacht eines betrügerischen Konkurses«, berichtigte Schütz, und obwohl er dabei schmunzelte, erreichte die Heiterkeit seine Augen nicht.
Sie seufzte: »Ja. Für einige Zeit hatte der Staatsanwalt sogar mich in Verdacht, da mitgemacht zu haben, aber ich wusste wirklich nichts von den Geschäften meines Mannes.«
»So hat Ihr Mann es auch dargestellt. Jedenfalls eilte es ihm mit dem Verkauf und von mir wollte er wissen, ob diese Passage in dem Brief eine Blanko-Einverständniserklärung sei und wie er es mit Ihrem Anteil halten müsse. Sie waren nämlich im Grundbuch als hälftige Eigentümerin eingetragen.«
»Und?«
»Er hat verkauft und ich habe für Ihren Anteil ein Treuhandkonto eingerichtet.«
»Wie bitte?«
»Für Ihren Anteil, Frau Tepper. Er wollte alles Geld einstreichen, aber da haben ich und das Gericht nicht mitgespielt. So, und wenn Sie mir nun beweisen, dass Sie wirklich Karin Tepper, die Ehefrau des Wolfgang Tepper sind, können Sie bald über eine gute halbe Million Mark verfügen.«
Abends saß sie an der Hotelbar und kniff sich ab und zu in den Arm, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte. Nicht einmal in ihren größten Fantasien hatte sie sich ausgemalt, sie werde noch Geld für das Haus bekommen, sie hatte es in dem Moment abgeschrieben, vergessen, als sie mit Martin in das Flugzeug gestiegen war. Sie brauchte kein Geld, Martin hatte ihr alles vererbt, was er besaß, und das war nicht wenig. Außerdem hatte die Lebensversicherung nach seinem Absturz gezahlt und sie hatte nicht geahnt, dass die Police auf eine halbe Million Dollar lautete. Dazu jetzt mehr als 500.000 Mark, es war nicht zu glauben. Sie kicherte albern und nippte an ihrem Drink. Unvorstellbar. Ein Märchen. Hinter ihr schmalzte der junge Pianist, sie drehte sich um und warf ihm eine Kusshand zu.
Doch in einem Punkt hatte der Besuch bei diesem Unernsten mit einer Enttäuschung geendet. Schütz hatte keine Ahnung, wo sich Wolfgang zurzeit aufhielt. Während des Verkaufs hatte Wolfgang in Frankfurt gewohnt, in der Odenwaldstraße. Dorthin schickte ihm Schütz auch die Benachrichtigung des Grundbuchamtes, doch dieser Umschlag kam mit dem Vermerk Adressat unbekannt verzogen zurück. Zwei Wochen lang hatte Schütz alles versucht, Einwohnermeldeamt, Post, Bank, Vermieter, aber ohne Erfolg; niemand konnte ihm mitteilen, wohin Wolfgang gezogen war. Zum Schluss hatte es den Notar so geärgert, dass er sogar eine Privatdetektei beauftragte, aber auch die konnte den Aufenthaltsort nicht ausfindig machen. Wolfgang Tepper hatte sich in Luft aufgelöst, nachdem die Überweisung des alten Herrn, der das Haus erworben hatte, auf dem Konto eingegangen war und er über seine Hälfte verfügte. Schon dreißig Monate später gab der neue Eigentümer das Haus auf, weil der alte Herr nach einem schweren Sturz ein Pflegefall geworden war. Über Schütz verkaufte er das Haus an das junge Ehepaar Alberts.
Musste sie Wolfgang eigentlich aufstöbern? Gab es nicht auch eine Möglichkeit, sich ohne ihn scheiden zu lassen?
»Ich nehme noch einen«, sagte sie zu dem Barkeeper, der schon eine ganze Weile überlegte, warum eine so attraktive Frau allein in einer wenig belebten Hotelbar saß.
»Gerne.«
Was wollte sie denn von ihrem Mann hören? Dass er ihr verziehen hatte? Als ob sie darauf überhaupt Wert legte! Wie es ihm ergangen war? Wenn er nun vor der Justiz abgetaucht war, die sich damals so intensiv für seine Geschäfte interessiert hatte? War das überhaupt schon verjährt?
»Ihr Drink.«
»Vielen Dank. Fragen Sie doch bitte den Klavierspieler, ob er auch etwas trinken möchte.«
»Selbstverständlich, gnädige Frau.« Sein geschultes Gesicht verriet kein Erstaunen; sie hatte doch nicht etwa Gefallen an diesem Tasten-Schlaffi gefunden?
Gut, also ohne Wolfgang. Und nun? Diese Drinks schmeckten nach Obst, aber enthielten wohl mehr Alkohol, als man ihnen ansah. Was fing sie jetzt mit ihrem Leben an?
»Hei, Karin, tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe, aber die City war wieder einmal dicht.«
Gerd hatte sie fast schon vergessen, sie zuckte schuldbewusst zusammen und hielt still, als er sie umarmte und küsste.
»Du bist es tatsächlich. Und schöner denn je!«
»Du siehst auch nicht schlecht aus«, antwortete sie hastig. Daran hätte sie denken sollen, Gerd Arkenthin war schon immer ein berüchtigter Schürzenjäger gewesen und hatte auch vor der Frau seines angeblich besten Freundes Wolfgang nicht Halt gemacht. Ihn abzuweisen hatte sie viel Mühe gekostet, doch jedes Nein schien ihn nur noch mehr anzufeuern.
»Danke für das Kompliment«, erwiderte er eitel und schnipste nach der Bedienung. »Wo hast du dich bloß all die Jahre über versteckt?«
Es half nichts, sie musste ihre Geschichte wiederholen, aber irgendetwas warnte sie, ihre finanziellen Verhältnisse ehrlich zu schildern oder das Geld aus dem Hausverkauf zu erwähnen. Der Pianist wünschte einen Gin Tonic, was Gerd erbost zur Kenntnis nahm, sie genehmigte sich noch einen dieser wundervollen fruchtigen Drinks und hätte fast gelacht, als sie zum ersten Mal seine Hand von ihren Beinen entfernen musste. Sehr gekränkt gehorchte er und sie erkannte in seiner Schmollmiene plötzlich Wolfgang wieder, der es auch nicht vertragen hatte, zurückgewiesen zu werden, und ein Nein nicht hinnehmen konnte. Es ernüchterte sie wie eine kalte Dusche und deshalb rückte sie mit ihrem Hocker ein Stück zur Seite.
»Gerd, ich muss Wolfgang finden«, erklärte sie so ernsthaft, dass selbst er begriff - an ihm hatte sie kein Interesse.
»Da bist du bei mir an der falschen Adresse«, knurrte er.
»Wieso denn das? Ich denke - ich habe immer gedacht, du bist sein bester Freund?«
»Das war ich vielleicht einmal.«
»Was heißt das im Klartext?«
»Wir haben uns - Moment mal — vor sieben Jahren das letzte Mal getroffen. Richtig, du warst schon abgehauen und er hatte sich eine kleine Wohnung in Frankfurt gemietet.«
»In der Odenwaldstraße.«
»Stimmt! Woher weißt du das?«
»Ich sagte doch, ich suche ihn.« Den Teufel würde sie tun, den Notar Dr. Schütz ins Gespräch zu bringen.
»Ah, richtig, ja, so.« Machte der Alkohol hellsichtig oder bildete sie sich nur ein, dass Gerd jetzt scharf überlegte, wie weit sie sich mit Lügen und Erfindungen abspeisen ließ? »Damals stand Wolfgang ziemlich unter Druck, finanziell, meine ich.«
»Ich weiß, ich bin damals auch vom Staatsanwalt vorgeladen worden.«
»Wirklich? - Also, von seinen Geschäften hat er mir nie viel erzählt.« Woher nahm sie nur die Gewissheit, dass dieser Satz schamlos gelogen war? »Wolfgang brauchte Geld, ganz dringend, und hat Gott und die Welt angebettelt. Ich konnte ihm nur eine Kleinigkeit leihen, so flüssig war ich zu der Zeit auch nicht.«
Das warst du nie, berichtigte Karin bei sich. Wieso war ihr früher nie aufgefallen, dass der schöne Gerd Arkenthin nur ein Blender und Schnorrer war? »Na ja, und eines Tages brauchte ich meine Mäuse zurück, ziemlich dringend sogar, aber da war er aus der Wohnung verschwunden. Ohne Nachsendeadresse«, setzte er giftig hinzu und musterte sie von der Seite,
»Wie hoch waren eigentlich seine Schulden?«, nuschelte sie harmlos und drehte sich nach dem Pianisten um, der gerade den Flügel