A. F. Morland

Extra Krimi Paket Sommer 2021


Скачать книгу

sagen es, Kollege Driesch, so ist es.«

      Damit entfernte er sich, um eine andere Gruppe mit seiner Gegenwart zu belästigen, und Driesch blies viel Luft ab. Je länger er mit Hommel zu tun hatte, desto unsympathischer wurde ihm der Mann, was, so stand zu befürchten, auf Gegenseitigkeit beruhte. Nun ja, alles zu seiner Zeit, er zuckte die Schultern, als müsse er den Leitenden abschütteln, und steuerte energisch die Gruppe um die neue Kollegin an.

      Brigitte Damerow betrachtete Driesch offen und ein wenig herausfordernd, wie er fand. Ihre Mundwinkel zuckten.

      »Der letzte Mohikaner«, moserte sie ihn an.

      »Vorsicht, keine vorwitzigen Urteile. Der Hammel hat mich eben mit Herr Kollege angeredet.«

      Die beiden jüngeren Staatsanwälte staunten und vergaßen einen Moment, was sie zusammengeführt hatte; Brigitte Damerow riss dagegen die dunkelbraunen Augen weit auf: »Und was hat das zu bedeuten? Lob, Tadel, Strafversetzung oder vorzeitige Beförderung?«

      »Das kommt ganz darauf an. Wenn er schlechte Laune hat, heißt es, er beginnt einen Rückzug. Wenn er gute Laune hat, will er damit ausdrücken: Vergessen Sie nicht, ich bin Ihr Vorgesetzter.«

      »Das verstehe ich nicht!«, räumte sie ein und die beiden Kollegen amüsierten sich. »Hier geht’s ja - merkwürdig zu.«

      »Streng dienstlich, Frau Kollegin.«

      »Frau - das ist ja ätzend - Sagen Sie mal, haben Sie jetzt gute oder schlechte Laune?«

      »Tja, eigentlich schlechte, aber bei Ihrem Anblick wird sie von Sekunde zu Sekunde besser.« Driesch wusste, dass er alberte, was so gar nicht zu ihm passte, die beiden anderen Männer warfen sich bereits Blicke zu und zerkauten ein wissendes Lächeln, aber er schaffte es einfach nicht, sich in Brigitte Damerows Gegenwart normal zu geben. Zumal sie gern zu lachen schien und mit ihren feuerroten Löckchen und unzähligen Sommersprossen ganz bestimmt kein Kind von Traurigkeit war. Er hatte sich in ihre dunklen Kulleraugen verguckt, die sie prachtvoll rollen konnte. Was sie jetzt wieder tat, ein schneller Blick streifte seinen Ehering, bevor sie ihm ihr leeres Glas hinstreckte: »Mit trockenem Hals höre ich ausgesprochen schlecht.«

      IV.

      In der Nacht war es abgekühlt, die Sonne kämpfte sich durch einen dichten Wolkenschleier und wärmte noch nicht. Zu dieser frühen Morgenstunde hatten Hommel und Reineke den Golfplatz praktisch für sich allein, zweihundert Meter vor ihnen marschierte ein Unentwegter, der alle fünfzig Schritt gymnastische Übungen einlegte, Kniebeugen und Armkreisen oder Luftsprünge wie ein Hampelmann.

      »Was ist los mit dir? Seit wann kriegt man dich an einem normalen Arbeitstag so früh aus den Federn?«

      Hommel drehte ärgerlich den Kopf, aber Reineke ordnete ungerührt die Schläger in seinem Wägelchen, wobei er leise vor sich hin pfiff.

      »Mit mir ist gar nichts los«, sagte der leitende Staatsanwalt endlich verkniffen. Ihm war kalt, er hasste das Frühaufstehen und Lust zu einer Runde verspürte er überhaupt nicht. »Ich wollte dir einen Gefallen tun.«

      »Dann im Voraus besten Dank.«

      »Kannst du dich noch an diesen Tepper erinnern?«

      »Tepper?«, wiederholte Reineke ausdruckslos und richtete sich auf.

      »Wolfgang Tepper. Vor sieben Jahren.«

      »Doch, ja, schwach.« Er runzelte die Stirn.

      »Du wolltest ihn unbedingt haben.«

      Reineke nickte zögernd: »Das war der Mann mit der französischen Mutter und dem deutsch-englischen Vater?«

      »Genau der.«

      »Was ist mit ihm?« Reineke schien mehr aus Höflichkeit denn Interesse zu fragen.

      Hommel verschluckte eine böse Bemerkung. Zwanzig Schritte schwieg er beleidigt, passte sich aber unwillkürlich dem Tempo an, das Reineke vorlegte.

      »Teppers Frau ist abgehauen, noch bevor ich die Einstellung - angeordnet hatte. Auf deinen Wunsch hin, Fuchs«, setzte er aufgebracht hinzu.

      »Ja, ich erinnere mich, er war verheiratet«, sagte Reineke ungerührt. »Mit einer sehr Hübschen.«

      »Nach sieben Jahren ist sie jetzt aus Amerika zurückgekommen und sucht nun ihren Mann.«

      »Wirklich? Woher weißt du das?«

      »Sie hat den Kollegen aufgesucht, der damals die Ermittlungen eingeleitet hatte, und wollte von ihm eine Adresse ihres Mannes haben.«

      »Weiß sie denn nicht, wo ihr Mann steckt?«

      »Offenbar nicht. Angeblich hatten sie seit ihrer - Flucht nach Amerika überhaupt keinen Kontakt mehr.«

      »Ungewöhnlich«, murmelte Reineke nach einer Pause und stellte sein Wägelchen ab. »Wer schlägt zuerst?«

      »Was ist eigentlich aus diesem Tepper geworden?«

      »Woher soll ich das wissen? Ich habe ihn weitervermittelt und aus den Augen verloren.«

      Hommel betrachtete seinen Kollegen scharf, aber Reineke erwiderte seinen Blick offen.

      »Ich muss mir also keine Sorgen machen?«

      »Aber nein! Warum denn?«

      Nach neun Löchern kehrten sie in stillschweigendem Übereinkommen um, Hommel fror immer noch, die Bewegung half einfach nicht, ihn aufzuwärmen, und Reineke musste sich zusammenreißen, um keine Ungeduld zu zeigen. Während des Studiums hatten sie sich kennen gelernt und angefreundet, zusammen in der Uni-Mannschaft Degen gefochten, in Klausuren vereint gemogelt und zwei Semester lang auch eine Bude geteilt. Der bessere Jurist war ohne Zweifel Eckehard Hommel, aber Peter Reineke besaß mehr Fantasie und Unternehmungsgeist. Für Hommel stand das Berufsziel immer fest, Staatsanwalt oder Richter; der Gedanke, als Anwalt ohne festes Einkommen zu praktizieren, hatte ihn regelrecht gelähmt. Ohne große Lust hatte Reineke noch das zweite Staatsexamen absolviert und vorübergehend mit dem Gedanken geliebäugelt, zur Polizei zu gehen, doch zu dieser Zeit las er eine Anzeige: Das Landeskriminalamt stellte Volljuristeri ein. Mehr aus Jux bewarb er sich und wurde angenommen, die Tätigkeit gefiel ihm sogar, wenigstens zu Beginn, bis seine alte Unruhe, verbunden mit seiner Unfähigkeit, irgendetwas so tierisch ernst zu nehmen, wie man das von ihm erwartete, wieder durchbrach. Zugleich stellte er fest, dass er tatsächlich in einer Behörde arbeitete, es gab Vorschriften, Dienstwege, Vorgesetzte, und das alles ertrug er immer schwerer. Seine Beliebtheit sank dramatisch, schließlich fasste er sich ein Herz und marschierte zu seinem Chef: »Ich möchte raus aus dem Amt, praktisch arbeiten, am Schreibtisch ersticke ich.«

      Nach einer langen Bedenkpause nölte sein Chef: »Die Todesstrafe ist abgeschafft.«

      »Wie bitte?«

      »Die Verbrecher, die Sie jagen möchten, lachen sich bei Ihrem Anblick tot.«

      »Heißen Dank!«

      »Nicht so hitzig. Können Sie sich ernsthaft vorstellen, dass Sie acht Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, sechs Monate lang eine Hütte im Wald beobachten, in der sich möglicherweise ein Gesuchter mit einem anderen trifft?«

      »Nein«, fauchte Reineke, »aber so blöd wäre ich auch nicht, für so was gibt’s technische Geräte. Und Kollegen von der Schutzpolizei.«

      »Die erste Idee ist gut, die zweite schlecht.« Wenn sein Chef still in sich hineinlachte, wackelte sein beachtlicher Bauch. »Aber es gibt eine Koordinierungsstelle im Haus, die solche Kooperationen mit den anderen Ämtern, mit den Brüdern aus Wiesbaden und mit der örtlichen Polizei regelt. Regeln sollte, denn daran hapert's bis jetzt. Ich gebe Ihnen eine Chance, warum, weiß ich selbst nicht, und versetze Sie probeweise in die Abteilung XIII.«

      »Dreizehn ist eine richtige Glückszahl!«

      »Ach, da sind nur Verrückte beschäftigt, Herr Reineke,