A. F. Morland

Extra Krimi Paket Sommer 2021


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die Tür zu den Privaträumen und rief laut: »Hallo?«

      Die Tür zur Küche ging auf und die schöne Wirtin starrte ihn an, als sehe sie Rogge zum ersten Mal.

      »Guten Morgen«, grüßte Rogge munter. Offiziell wusste er ja von nichts.

      Sie runzelte die Stirn, ihr Blick kam aus weiter Ferne zurück und dann haute es ihn fast um: Sie lächelte, nicht mühsam oder höflich, sondern herzlich, geradezu fröhlich. »Guten Morgen«, erwiderte sie.

      »Entschuldigen Sie, ich wollte nicht stören ...«

      »Nein, nein. Es tut mir Leid, ich habe mich verspätet, Ihr Kaffee kommt sofort.«

      Sieh mal an, dachte er amüsiert. Frau Wirtin schien von der Tatsache, dass die Polizei ihren Mann einkassiert hatte, nicht gerade erschüttert. Eher erleichtert. Ob sie etwas von Ollis Hehlerei geahnt hatte? Oder nur auf einen solchen Vorfall gewartet hatte?

      Als sie das Tablett absetzte, hatte sie sich jedenfalls wieder gefangen. Ein Monatsgehalt für das, was hinter deiner schönen Stirn vorgeht, schoss Rogge durch den Kopf.

      Aber sie sagte nichts außer »guten Appetit«, und als sie zum Tresen ging, musterte Rogge sie etwas aufgebracht. Enge Samthosen und ein enges, dünnes weißes Oberteil, für sie ging das gewohnte Leben weiter. Er zahlte und sie behielt das verträumte Lächeln bei.

      »Grüßen Sie bitte Gertrud von mir«, bat er, was sie versprach: »Gerne, Herr Rogge. Alles Gute.«

      Um zwei betrat Rogge sein Büro, bereit, die unvermeidliche Papierkriegsschlacht zu bestehen. Drei Stunden saß er vor dem Computer und tippte seinen Bericht, tastete die Druckbefehle und ging ins Dienstzimmer, wo der Drucker leise summte. Seine Leute hatten ihn nicht zu stören gewagt oder nicht bemerkt, dass er wieder an Deck war. Kili belämmerte Hertha mit einer langen Erzählung, sie schmunzelte, eigentlich mochte sie den Filou ganz gut leiden, aber sie würde sich lieber die Zunge abbeißen, als das zuzugeben.

      »Gibt’s schon Ergebnisse von der KTU?«, unterbrach Rogge den Kaffeeplausch.

      »Nein. Lohse und Eckard kriegen wir dran, aber das ist ja wohl nicht das, was dich im Moment beschäftigt. Ach ja, hier sind die drei Anschriften. Und dann hat vorhin Wibbeke angerufen, das Labor wolle sich nicht festlegen. Was meint er damit?«

      »Lies meinen Bericht - ach, und schick einen Durchschlag an Wibbeke. Oder bring ihn hin, ich verreise übers Wochenende.«

      »Schon wieder?«, argwöhnte Kili, die Stirn wie ein Dackel gefaltet.

      Rogge holte tief Luft: »Weißt du, Kili, in diesem Laden ersticke ich manchmal.«

      Samstag, 23. September

      Um sechs Uhr ordnete er sich auf der Autobahn ein und staunte. Tiefflug konnte er zwar nicht üben, das gab sein betagter Wagen nicht mehr her, aber bis Hannover brauchte er nur ziemlich genau drei Stunden, obwohl die Autobahn kurz vor Hildesheim doch voll geworden war. Er folgte den Hinweisschildern ins Zentrum und stieg auf gut Glück im erstbesten Hotel ab; der junge Mann beglückwünschte ihn gemessen zum Wochenend-Sonderpreis, Sauna und Gymnastikstunde inklusive, und organisierte im Handumdrehen einen Stadtplan.

      Drei Männer hatten im vorigen September einen Mercedes S 500 Coupé mit dem Kennzeichen H-PE xxx gefahren. Eine Adresse lag direkt an der Eilenriede, eine Straße fand Rogge in Hainholz, die dritte in Linden.

      In der Klenzestraße musste er sein Auto in eine winzige Parklücke rangieren und sich wie ein Aal heraus schlängeln. Das Haus Nummer 19 war ein Neubau, bei dem an nichts gespart worden war, weder an Glas, Kupfer noch an Holz. Jede Wette, das waren Eigentumswohnungen, und zwar in der Preislage, die sich normale Sterbliche nicht leisten konnten, erst recht keine Hauptkommissare. Ein Coupé entdeckte er nicht, das Tor zur Tiefgarage war geschlossen.

      Arno Welder schien das Penthouse zu bewohnen, Rogge rückte die Krawatte zurecht, übte noch einmal kurz das beflissene Gesicht und klingelte.

      Eine etwas nörglerische Frauenstimme meldete sich; »Ja?«

      »Guten Morgen, mein Name ist Rogge, ich bin mit Herrn Welder verabredet.« Zehn Sekunden später summte der Türöffner.

      Der Architekt musste selbst beim Aufzug überlegt haben, was er an zwar überflüssigem, aber teurem Schnickschnack einbauen konnte. Rogge schnaufte mäßig beeindruckt und verließ den Käfig mit, wie er hoffte, serviler Eile und dienstbeflissener Miene. In der Tür stand eine leicht bekleidete Schönheit, die ihn geringschätzig musterte; eine brennende Zigarette hing achtlos zwischen ihren Fingern, was Rogge als starken Raucher vergrätzte, und während er sich vor ihr verbeugte, hüllte ihn eine Wolke eines schweren, süßlichen Parfüms ein. Kunstblonde Gespielin kurz vor dem Verfallsdatum, taxierte Rogge.

      »Sie wollen zu Arno?«, quengelte sie und er nickte demütig: »Bitte.«

      »Er kommt gleich.« Damit trat sie zur Seite.

      Über Geschmack ließ sich bekanntlich nicht streiten, ebenso wenig darüber, dass diese Sammlung von nicht zueinander passenden Scheußlichkeiten ein aasiges Geld gekostet haben musste. Welder besaß mit Sicherheit keinen Stil, aber ohne jeden Zweifel ein dickes Bankkonto.

      »Wollen Sie was trinken?«, erkundigte die Frau sich und verschliff die einzelnen Wörter.

      »Wenn Sie einen Kaffee für mich hätten ...«

      »Kaffee gibt's nicht«, beschied sie ihn verächtlich und glitt in einen Sessel, wobei ein Gutteil ihrer ohnehin spärlichen Bekleidung zur Seite geschoben wurde; die Dame war, vom Gesicht abgesehen, ganz ansehnlich, aber sonst ein Museumsstück, wie Rogge solche Frauen bezeichnete: Schau hin, aber lass die Finger davon. Bewusst dekorativ goss sie sich ein Glas Champagner ein, er betrachtete sie ausdruckslos.

      Nach drei unbehaglichen Minuten spazierte ein großer, kräftiger, auffällig gebräunter Mann ins Wohnzimmer. Er mochte Mitte dreißig sein, trug auf der Stirn das Schild Sportfanatiker und unter dem Kinn den Hinweis: Vorsicht, verträgt keinen Spaß.

      Rogge war er auf den ersten Blick unsympathisch und deshalb erhob er sich besonders höflich: »Herr Welder?«

      »Ja.« Kein Gruß, auch Welder liebte es kurz angebunden da, wo er glaubte, auf Höflichkeit verzichten zu dürfen, und sein Blick verriet, dass er Rogge längst als unbedeutend, außerdem als lästig klassifiziert hatte.

      »Mein Name ist Rogge, von der Firma Terrana Immobilien.« Sein erwartungsvolles Lächeln löste bei Welder nur ein Stirnrunzeln aus.

      »Ja?«, machte Welder noch einmal, schon hörbar unfreundlicher.

      »Ich komme wegen der Hotelanlage in Sunderloch.« Dabei griff Rogge mit großer Gebärde nach seiner Aktenmappe, was den Zweck nicht verfehlte.

      »Sunderloch?«

      Rogge verlangsamte seine Bewegung und zauberte einen Ausdruck von besorgter Unsicherheit auf sein Gesicht. »Ja, Sie wollten doch mit uns sprechen ...«

      »Ich mit Ihnen?« Welder bekam schmale Augen.

      »Ja, doch. Wegen der Hotelanlage, der Beteiligung ...« Er war immer leiser geworden.

      »Wie heißt Ihre Firma?«

      »Terrana Immobilien.«

      »Kenne ich nicht.« Welder presste die Lippen zusammen.

      »Das verstehe ich nicht. Ich bin doch extra aus Stuttgart ... Arno Welder, Klenzestraße.«

      »Ja, der bin ich, aber Ihre Klitsche kenne ich nicht, und nun machen Sie, dass Sie verschwinden.«

      Gegen einen sauberen Rauswurf wehrte Rogge sich nicht, langte nach seiner Mappe und verbeugte sich tief verletzt, aber höflich vor ihr und ihm. Sie gluckste, als habe eine Fliege Männchen gemacht.

      Auf der Straße grinste Rogge. Hätte er sich ordnungsgemäß bei seinen Hannoveraner Kollegen angekündigt, würde er denen jetzt den Tipp geben, sich um die Einkommensverhältnisse