A. F. Morland

Extra Krimi Paket Sommer 2021


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      »Wollen Sie zu uns?«, fragte der Mann gemütlich.

      »Wenn Sie Dr. Fuhrmann sind - ja.«

      »Der bin ich. Meine Frau. Sie sind Herr Rogge, nicht wahr, der Kriminalbeamte aus dem Bären?«

      »Es hat sich wohl herumgesprochen«, seufzte Rogge und gab der Frau die Hand. »Guten Tag, gnädige Frau.«

      »Guten Tag«, erwiderte sie hart und er begriff, dass sie ihn mit einem Blick taxiert und für unsympathisch befunden hatte. Ihre Augen waren klein und ihr Blick stechend. Warum fixierte sie ihn so böse? Ihr Händedruck fiel verboten kräftig aus.

      »Was können wir für Sie tun?«

      »Ich würde gerne mit Ihnen sprechen, Herr Doktor.«

      »Über was? Über Olli?«

      »Indirekt, ja. Sie haben gehört, was ...?«

      »Natürlich. Sogar der Pfarrer hat eben darüber gepredigt.« Dabei schüttelte der Arzt den Kopf, als könne er es immer noch nicht glauben. »Lene, macht es dir etwas aus, wenn Herr Rogge und ich in die Praxis gehen?«

      »Nein«, fauchte sie. Natürlich machte es ihr etwas aus und an jeder anderen Stelle als auf der offenen Straße hätte sie ihm seinen Wunsch glatt abgeschlagen. Ohne ein weiteres Wort an Rogge zu verschwenden, schwenkte sie zur Seite und marschierte auf die Haustür zu. Sie ging ruckartig, als versage sie sich jede Form von Verbindlichkeit oder Weiblichkeit, und diese Bewegung kam ihm bekannt vor.

      »Kommen Sie, Herr Rogge.«

      In der Praxis zerrte Fuhrmann die Jalousien hoch, und nachdem er im Sprechzimmer hinter seinem Schreibtisch umständlich Platz genommen hatte, schien er sich wohler zu fühlen.

      »Was wollen Sie wissen?«

      »Herr Doktor Fuhrmann, haben Sie einen Bruder Eberhard, der in Hannover wohnt?«

      Dem Arzt blieb der Mund offen stehen, mit allen möglichen Fragen hatte er gerechnet, doch nicht damit. Nach einer Weile schluckte er heftig, als müsse er zu sich kommen, und stammelte: »Ja, den habe ... Ja, Eberhard.« Mühsam riss er sich zusammen; »Warum fragen Sie mich das?«

      »Haben Sie bitte noch etwas Geduld? Ich will's Ihnen nachher gerne erklären.«

      »Ja ... ja ...« Er hatte sich von seiner Überraschung noch nicht erholt.

      Rogge musterte ihn scharf: »Wann haben Sie Ihren Bruder das letzte Mal getroffen?«

      »Wann? - Wann war - im vorigen Jahr.«

      »Hier in Stockau?«

      »Ja, hier im Haus. Er kam - das war im Mai. Oder Juni.«

      Zeitlich stimmte es, die erste Hürde war genommen. Deshalb griente Rogge verlegen: »Ich weiß, was Ärzte übers Rauchen denken, aber würden Sie mir gestatten ...?«

      »Sicher.« Komischerweise gab die Bitte seines Besuchers Fuhrmann die alte Sicherheit zurück und er stand auf. »Wir müssen aber das Fenster öffnen. Wenn meine Patienten riechen, dass hier geraucht wird, tun sie noch weniger, was ich Ihnen vorschreibe. Aber für ganz schlimme Sünder habe ich sogar einen Aschenbecher.«

      Bevor Fuhrmann sich wieder setzte, schüttelte er ratlos den Kopf: »Eberhard ...«

      »Herr Dr. Fuhrmann, ich komme gerade aus Hannover. Ich habe dort mit Ihrem Bruder gesprochen. Es tut mir Leid, wenn ich Sie jetzt verletze: Er lebt mehr als bescheiden, reißt Frauen in billigen Lokalen auf und hat Schulden.«

      »Sie erzählen mir nichts Neues.« Das klang so gequält wie bitter.

      »Wie stehen Sie zu Ihrem Bruder?«

      »Wie ich zu ihm stehe? - Wir schätzen uns nicht sonderlich.«

      »Dann besucht er Sie also nicht regelmäßig?«

      »Regelmäßig? - Ach nein. Er kann mich nicht leiden und meine Frau hasst ihn beinahe.«

      »Warum war er dann im vorigen Jahr hier?«

      Der Arzt lehnte sich zurück, sein Gesicht wurde verschlossen, darauf wollte er nicht antworten.

      »Gut, ich wilPs Ihnen sagen. Er hat sich Geld von Ihnen geliehen.«

      »Wirklich? Wie kommen Sie denn darauf?« Hinter dem gutmütigen Spott schwang etwas anderes mit.

      »Heute Morgen hat er mich für einen Geldeintreiber gehalten.« Rogge lächelte zerknirscht. »Ich hab den falschen Eindruck nicht korrigiert, was nicht die feine Art ist, aber so hat er mir unfreiwillig eine wichtige Auskunft gegeben: Ich hab doch gesagt, ich kann nicht alles auf einmal zurückzahlen, so hat er sich verteidigt.«

      »Ja?«

      »Er fährt einen großen Wagen, etwas zu teuer für seine Verhältnisse, nicht wahr?«

      »Eberhards Lebensprinzip: Mehr scheinen als sein.«

      »Ja. Er zahlt oder stottert ab, gerade genug, dass ihn seine Gläubiger nicht zwingen, den großen Wagen zu verkaufen. Aber so unregelmäßig, dass er sich vor mir gefürchtet hat.«

      »Gut möglich. Mein Bruder steckt immer in Schwierigkeiten, das ist sein Markenzeichen.«

      »Er hat Sie also im Vorjahr um Geld angebettelt.« Es war ein Schuss ins Blaue, aber Fuhrmann ließ das Gespräch treiben, wehrte sich nicht, weil er in Gedanken bei einer ganz anderen Sache war, weit weg.

      »Wenn Sie's schon wissen ... fünfundzwanzigtausend.«

      »Sie haben’s ihm geliehen?«

      »Was man Eberhard leiht, ist so gut wie verschenkt.«

      »Obwohl Sie ihn nicht sonderlich schätzen?«

      »Ach Gott, schließlich ist er mein Bruder. Und wozu - wir haben keine Kinder, wem sollte ich’s vererben?«

      »Ihre Frau war einverstanden?«

      »Sie weiß nichts davon«, erwiderte Fuhrmann ruhig. »Ich möchte auch nicht, dass sie’s erfährt.«

      »Das war im Mai oder Juni vorigen Jahres?«

      »Ja.« Fuhrmann blickte auf seine gefalteten Hände.

      »Wie oft ist er hier gewesen?«

      »Einmal. Um sich das Geld zu holen.«

      »Das stimmt nicht, Herr Dr. Fuhrmann. Er ist mehr als einmal in Stockau gewesen.«

      Rogge hielt es ihm ganz freundlich, fast besorgt vor und Fuhrmann hob den Kopf. »Warum soll das nicht stimmen, Herr Rogge?«

      »Es gibt Zeugen dafür, dass er mehr als einmal hier war.«

      »Zeugen?«, wiederholte der Arzt resigniert.

      »Ja.« Drei, vier Züge rauchte Rogge schweigend, Fuhrmann rang mit sich, als müsse er mit sich ins Reine kommen, eigentlich wollte er was verbergen, aber zugleich schämte er sich dessen.

      »Er war ein paar Mal hier«, gab Fuhrmann endlich zu und sah Rogge prüfend an.

      Nein, ein schlechtes Gewissen wegen seiner Lüge hatte er nicht; was ihn beschäftigte, konnte mit seinem Bruder Zusammenhängen, vielleicht wusste oder ahnte er etwas und wünschte nicht, dass der Kriminalbeamte davon erfuhr. Ein weniger beunruhigter Mann hätte sich längst erkundigt, was diese Fragen nach seinem Bruder mit den Aktivitäten des Bärenwirtes zu tun hatten.

      »Würden Sie mir den Grund nennen?«

      »Geld. Was denn sonst! Er hatte sich ganz tief in die Schei..., er hat Probleme. Und ein paar brutale Geldeintreiber waren die kleinere Sorge, die er hatte.« Unvermittelt lachte der Arzt böse auf. »Aber immer Auftritte wie Graf Kotz der Große, Blumen für meine Frau, Pralinen für Monika, diskreter Hinweis auf großartige Geschäfte, die er gerade angeleiert hatte.«

      »Wer