A. F. Morland

Extra Krimi Paket Sommer 2021


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Jacken- und Hemdsärmel hochschob, grölte der Schichtleiter vor Vergnügen: »Na klar, wissen Sie, warum die nach Herlingen gekommen sind? - Die wollten endlich mal Jnen kalten Entzug erleben.«

      »Ein echtes Sonntagserlebnis«, pflichtete Rogge bei. »Kann ich mal telefonieren?«

      »Nebenan.«

      An Kilis Apparat flötete eine Frauenstimme: »Bei Haindl.«

      »Ich fiebere dem Tag entgegen, an dem Sie das bei weglassen.«

      »Jens!« Sie schrie vor Entzücken leise auf und Rogge konnte sie sich gut vorstellen: Küsschen ins Telefon hauchend und dabei auf den vor Eifersucht zerspringenden Kili schielend. Jasmin - so hieß sie - war die Rache des weiblichen Geschlechts an seinem schürzenjagenden Adlatus. Ausnahmsweise strampelte der nämlich in einem Netz und Jasmin, Diplomingenieurin der Fachrichtung Maschinenbau, zahlte ihm genüsslich heim, was Kili allen Frauen durch seine Untreue bisher angetan hatte. »Wann sehen wir uns endlich wieder?«

      »Ich verschmachte auch, liebe Jasmin, aber jetzt muss ich euer trautes Beisammensein brutal beenden. Geben Sie mir bitte den Nichtsnutz.«

      Kili knötterte: »Ich hab keine Bereitschaft...«

      »Der gute Pfadfinder ist allzeit bereit. Du holst meine Dienstwaffe aus dem Präsidium, vergiss deine eigene nicht und in meinem Schreibtisch unten rechts liegen zwei Totschläger. Handschellen, Feldstecher, den üblichen Krams.«

      »He, was ist los? Willst du einen Bürgerkrieg anzetteln?«

      »Wenn’s Not tut, auch das. Und dann wartest du auf dem Revier in Herlingen auf mich.«

      »Chef, hat das nicht Zeit? Jasmin ist ...«

      »Jasmin liebt und verehrt Männer, die ihre Pflicht über ihr Vergnügen stellen. Frag sie ruhig!«

      Nebenan hatte der Schichtleiter das Chaos unter Kontrolle bekommen: »Den Oberkommissar finden Sie bestimmt in seinem Garten ...«

      Wibbeke kroch auf den Knien unter einem riesigen Busch herum und schnitt vertrocknete Halme und Zweige. Über eine Unterbrechung schien er nicht böse zu sein, teilte sogar großzügig den Kaffee aus seiner Thermosflasche und hörte sich schweigend an, was Rogge berichtete. In den Nachbargärten wurde noch fleißig gewerkelt, die beiden Männer saßen in der Sonne und genossen die Wärme.

      »Glauben Sie, dass Brockes auf Sie geschossen hat?«

      »Keine Ahnung. Trauen Sie’s ihm denn zu?«

      »Tja«, murmelte Wibbeke unschlüssig. »Wenn ich da nur ... ich will’s mal so formulieren: Dass Benno eifersüchtig wird, weil sich die Gertrud so gut mit Ihnen versteht, kann ich mir ja noch vorstellen. Aber dass er deshalb auf Sie schießt - Nee, also, bei allem Schwachsinn, den ich Benno zutraue, das will mir nicht in den Kopf.«

      »Vielleicht gibt’s noch einen anderen Grund?«

      »Möglich. Aber welchen?«

      »Vergessen Sie nicht, dass sich Olli und Benno ganz gut verstehen.«

      »Ja, das stimmt wohl. Ich würde mal sagen: gleiches Kaliber.« Wibbeke brummte gereizt. »Olli hat gesungen wie die Nachtigall. Und den armen Eckard gewaltig reingeritten.«

      »Aber weil Olli einen festen Wohnsitz hat ...«

      »... ist er wieder draußen.« Wibbeke kicherte bösartig. »Ich bezweifele nur, dass er sich an diesem Wohnsitz noch lange freuen wird.«

      »Die schöne Angi rafft sich auf?«

      »So munkelt man.« Dabei lachte Wibbeke still in sich hinein, sein Bauch wackelte. Erst jetzt schien er zu bemerken, dass dicke Erdklumpen an seiner Hose klebten, er bückte sich und klopfte sie ab. Als er sich wieder aufrichtete, schimmerte eine Spur Feindseligkeit in seinem Blick: »Herr Rogge, ist Ihnen auch aufgefallen, dass sich Angi und Gertrud gut verstehen? Und haben Sie sich schon mal gefragt, ob die Ehefrau nie etwas von der Hehlerei des Ehemannes bemerkt hat?«

      Während Rogge vor dem Revier hin- und hertigerte und auf Kili wartete, kaute er mehr an Wibbekes Tonfall als an seinen Worten herum. Der versteckte Vorwurf beschwerte ihn nicht, aber ihm missfiel, dass Wibbeke plötzlich bereit schien, seine gute Meinung über Gertrud zu ändern. Hegte Wibbeke einen bestimmten Verdacht oder ärgerte er sich nur, dass ein Fremder etwas aufgedeckt hatte, was in seinem Bezirk geschehen war? Michael würde nicht ewig bleiben, Rogge musste noch mit Gertrud reden.

      Kili brummte. Jasmin hatte sich über ihn lustig gemacht, jawohl, herzlos und ungeschminkt, und Rogge hatte ihm eine mühsam herbeigeführte Chance durchkreuzt.

      »Hatte sie die Schuhe schon ausgezogen?«, erkundigte Rogge sich sarkastisch.

      »Schuhe? Du hast es nicht mit einem Anfänger zu tun!«

      »Umso besser. Wir müssen einen Schläger überrumpeln. Er hinkt, aber täusch dich nicht, er soll verdammt schnell sein.«

      »Deswegen die Nahkampfausmstung, ich kapiere. Vielleicht kann mir Jasmin nachher die Wunden verbinden und dabei ihr weiches Herz entdecken.«

      »Offenbaren, Kili.«

      »Ein Chef hat immer das letzte Wort.«

      Als sie in die Zufahrt der alten Schäferhütte einbogen, sah Rogge, dass sich eine Gardine bewegte. Wenigstens war jemand zu Hause.

      Kili schaute sich um und schauderte: »Das ist ja ein grässlicher Stall.«

      Benno öffnete die Tür, bevor sie ganz herangekommen waren, und stierte sie an. »Was wollen Sie?«, knurrte er und versperrte den Eingang.

      »Mit Ihnen reden.«

      »Ich wüsste nicht worüber.«

      »Entweder lassen Sie uns herein oder wir nehmen Sie mit aufs Revier.« Rogge erklärte es ganz freundlich, aber Benno schaute auf Kili, der wie zufällig seine Waffe herausholte und durchlud, und wurde blass.

      »Was soll das ...?«

      »Das wirste alles hören. Drinnen, Benno.« Damit schob Kili ihn zur Seite und Benno gab nach.

      Er hatte plötzlich Angst und verstand die Welt nicht mehr.

      Der Wohnraum lag direkt hinter der Tür, es stank nach ranzigem Fett, links führte eine Tür in eine Küche, von der Rogge nur den bis mit Geschirr obenhin voll gestellten Ausguss sehen konnte. Das Mobiliar schien sich Benno auf dem Sperrmüll zusammengeklaubt zu haben und überall flog etwas herum,

      Socken, Hemden, Handtücher, Zeitungen. Auf dem wackligen Tisch standen zusammengequetschte Bierdosen und eine fast leere Flasche Apfelkorn.

      »Also, was wollen Sie?« Benno dachte nicht daran, ihnen Platz anzubieten, aber Kili räumte schon einen Sessel leer und hielt dabei einen schwarzen Spitzen-BH in die Höhe. »Schönes Stück, Benno.«

      »Das geht Sie nichts an!«

      »Abwarten. Mein Boss hat ein paar Fragen an dich. Hängt ganz von dir ab, wie lang wir brauchen.«

      Aus Kili wurde der Riese nicht schlau, er hatte die Augenbrauen zusammengezogen und runzelte die Stirn. Kili sah aus und trat auf, als sei er einem Modejournal für Männer entsprungen, tadelloser hellgrauer Anzug, dunkelblaues Hemd, Seidenkrawatte, nicht einmal das obligate Ziertuch in der Brusttasche fehlte. Solche Lackaffen stieß Benno normalerweise mit einer Hand aus der Wäsche, aber dieser Laffe legte demonstrativ die Waffe auf den Tisch und juchzte dabei so fröhlich, dass man nicht wusste, was ihm gleich noch einfiel. Benno ahnte nicht, dass es Kili gerade auf diesen Eindruck anlegte. Benno ließ sich auf einen der quietschenden Sessel nieder und griff nach einer Bierdose.

      »Nicht werfen!«, mahnte Kili.

      »Was wollen Sie eigentlich?«

      Rogge verbiss sich das Lachen, Kilis Show war immer wieder schön, nicht ganz den Vorschriften gemäß, aber erfolgreich.

      »Also, es geht um den 15.