A. F. Morland

Extra Krimi Paket Sommer 2021


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mit unbewegtem Gesicht.

      »Gibt es denn eine Spur?«

      »Nein.«

      Dienstag, 26. September

      Bis auf einen leicht metallischen Geschmack auf der Zunge fühlte er sich ausgeschlafen und topfit. Charlotte Zinneck alias Inge Weber hatte nicht einmal ihre Zahnbürste eingepackt, Handtücher und Seife gab es auch, er vermisste nur einen Rasierapparat, aber Gunda behauptete ohnehin, mit einem Dreitagebart wirke er männlicher und Dörte von Sandau schwärmte sogar für Rauschebärte. Im Kühlschrank fand er alles für ein ordentliches Frühstück. Neun Uhr, Kili würde anfangen, sich Sorgen zu machen, und deshalb rief Rogge ihn auf dem Handy an: »Ich habe die Nacht in einem fremden Bett verbracht.«

      »Das freut mich für dich!«

      »Leider allein. In Inge Webers Wohnung. Dummerweise sind zwei Herren schneller gewesen als ich und haben mich schlafen geschickt.«

      »Wer? Wie? Warum?«

      Ja, das hätte Rogge auch gern erfahren, aber dazu war es nun zu spät. Kili schwieg bedrückt, der Chef war unberechtigt in eine fremde Wohnung eingedrungen, was sich bei einem Kriminalbeamten besonders schlecht anhörte, und was immer sich an Hinweisen in den Räumen befunden hatte, war den beiden Profis bestimmt nicht entgangen.

      »Also fangen wir wieder von vorne an!«, seufzte sein Adlatus und Rogge kicherte bösartig: »Ja, und ich weiß auch schon, wo und wie.«

      »Mach keine Dummheiten!«

      »Das wird sich später heraussteilen. Wenn Simon nach mir fragt - ich bin gestern nach Hause gegangen und du weißt nicht, wo ich abgeblieben bin.«

      »Sei bloß vorsichtig!«

      Auf dem Wohnzimmertisch fand Rogge sein Eigentum unversehrt wieder, Brieftasche und Portemonnaie, Waffe, Schlüssel, Ausweise, sogar das kleine Einbruchbesteck. Als er seine Sachen auf die Taschen verteilte, irritierte ihn ein kaum vernehmbares Schnarren: Besorgt um seinen Schlaf hatten sie sogar das Telefon leise gestellt. Inge Weber würde kaum in ihrer eigenen Wohnung anrufen und Schönborn wollte er nichts erklären. Nur aus Neugier sah er sich in den beiden Zimmern um. Was immer die beiden Typen hier gewollt oder gesucht hatten - ihre Mütter hatten sie zu Ordnung erzogen. Nichts deutete darauf hin, dass diese Räume stundenlang durchsucht worden waren; Rogge überlegte daher sogar einen Moment, ob er das Bett machen sollte. Wenig Möbel, alles sehr unpersönlich, sehr sachlich und funktional, aber hier hatte ja eine Frau sozusagen auf Abruf gelebt. Oder auf Wiederkehr ihres Gedächtnisses gewartet, obwohl er an dieser Version mittlerweile zweifelte. Zehn zu eins, dass die beiden Männer gekommen waren, um Inge Weber oder Charlotte Zinneck zu entführen. Kein normaler Einbrecher schleppte Spritze, Schlafmittel und Pflaster mit sich herum.

      Unbemerkt verließ Rogge das Hochhaus. Die Weberin war abgetaucht, als ihr ein schusseliger, leicht dämlicher Kriminalbeamter in aller Harmlosigkeit eröffnete, dass ihre Tarnung geplatzt war. Am frühen Nachmittag, nachdem sie ihren normalen Dienst absolviert hatte und aus der Bäckerei fortgegangen war. Was wiederum ein gehöriges Maß an Selbstbeherrschung und Kaltblütigkeit verriet. Und schon Stunden später hatte sie zwei Profis an den Hacken, die sie kidnappen wollten.

      Eine ganze Weile stand Rogge vor seinem Auto und starrte Löcher in die Luft. Wie konnten die eigentlich so schnell erfahren haben, dass die Kripo Inge Webers richtigen Namen herausgefunden hatte?

      Auf der Fahrt nach Stockau tröstete Rogge sich mit der Überlegung, eine Frau, die so viele Psychiater und Psychologen an der Nase herumgeführt hatte, sei eben auch fähig, einen naiven Hauptkommissar zu täuschen. Doch der niedrige, graue Himmel trug nicht dazu bei, seine Stimmung zu heben und den Selbstbetrug zu erleichtern.

      Hier draußen hatte es stärker geregnet als in der Stadt, einige Felder standen regelrecht unter Wasser, und als Rogge über die Kuppe der Anhöhe fuhr, fröstelte er. Die Schäferhütte rechts voraus schien mitten in einer Wasserfläche zu liegen, das Holz der beiden großen Gebäude hatte sich voll Feuchtigkeit gesogen. Ein Tor stand weit offen, Benno war wohl fortgefahren. Rogges Auto schwankte, es rauschte wie bei einer Bootsfahrt, als er den Wagen durch die tiefe Pfütze in den Stall lenkte. Kein zufällig Vorbeikommender sollte ein fremdes Auto vor dem Haus bemerken. Rogge zog das Tor zu.

      Das Türschloss der Hütte stellte sich als besserer Witz heraus, er öffnete es mit einem einfachen Haken. Im Haus war es kühl, es roch nach schimmeliger Nässe. Seit sie Benno hier einkassiert hatten, war nicht aufgeräumt worden, Rogge zählte noch mehr eingedellte Bierdosen auf dem Tisch. Leise ächzend stieg er die schmale, steile Treppe hinauf und begann unter dem Dach mit der Suche.

      Nach drei Stunden verließ er das Haus. Wenn Benno irgendwo Beute versteckt hatte, dann nicht in seinem Häuschen. Und wahrscheinlich auch nicht in dem Stall, den er als Garage benutzte, sonst hätte er wohl das Tor geschlossen.

      Elektrisches Licht gab es in dem langen Gebäude nicht, Rogge musste sich mit der Helligkeit begnügen, die durch die kleinen, verdreckten Fenster fiel. Entweder besaß Benno eine Vorliebe für nutzloses Gerümpel oder er war zu faul, etwas wegzuwerfen; Rogge stöhnte laut auf, als er den Haufen von alten Landmaschinen, Brettern, Steinen, Kisten und Säcken sah. An den Längsseiten waren Holzverschläge eingerichtet, ebenfalls bis obenhin voll gemüllt. Herkules würde hier kapituliert haben, deswegen holte Rogge die Taschenlampe aus dem Auto und ging anders vor. Fingerdicker Staub überzog alle Gegenstände und er suchte nach den Stellen, an denen der Staub dünner war oder fehlte oder durch Spuren anzeigte, dass hier vor kurzer Zeit etwas bewegt, in seiner Lage verändert worden war. Neben dem Tor fand er Schnur, die er mit dem Taschenmesser zerschnitt und dort zu Schleifen band, wo er solche Störungen entdeckte oder zerrissene Spinnweben im Licht glitzerten. Nach einer Stunde schienen ihm zwei Stellen besonders viel versprechend, ein Verschlag, gefüllt mit alten Kartons und Kisten, und an der hinteren Schmalseite eine Art Wandschrank, ohne Dach, aber mit einer festen Tür, in dem Hacken, Spaten und Schaufeln herumflogen. Er musste sich beeilen, denn ohne Tageslicht, nur mit einer Lampe, konnte er in diesem düsteren Bau nicht arbeiten.

      Der Wandschrank war kein schlechtes Versteck. Als er mit Hilfe einer Latte Innen- und Außenmaße verglich, fand Rogge heraus, dass es eine doppelte Hinterwand geben musste, und nach langem Probieren entdeckte er, dass man die eine Wand einfach aus drei Nuten herausheben konnte.

      Die Ausbeute war mager. Zwei Damenhandtaschen, leer, ein schon zerschrammter Aktenkoffer, zwei Lederjacken, mehrere Wolldecken, Autoatlanten, ein wertloser Fotoapparat mit zersprungenem Gehäuse, nichts, was einen Hehler begeisterte. Enttäuscht belud Rogge sich mit der Beute und ging ins Haus zurück. In den Taschen der Lederjacken steckte nichts, was auf die früheren Besitzer hinwies. Auch kein Namensschildchen oder ein Etikett des Fabrikanten. In der billigeren Handtasche fand er einen Lippenstift, der schon zerbröselte, als er ihn aufdrehte. Die andere Tasche, aus schwarzem Lackleder, war wohl teuer gewesen. Der Fotoapparat tat es nicht mehr. In einem Autoatlas lag ein Zettel: Christine anrufen! Das große Los zog Rogge mit dem Aktenkoffer. In einem der vier Deckelfächer entdeckte er eine Diskette und einen zerknüllten Briefumschlag, adressiert an Hans Zinneck, Beelestraße 11, 34131 Kassel. Jemand hätte den Umschlag hastig aufgerissen, um an das Schreiben zu kommen, und nachher den Brief tief in das enge Fach gestoßen, sodass Benno ihn nicht entdeckt hatte ...

      Ein Maklerbüro aus Dresden. Abgeschickt am 10. September des vorigen Jahres.

      Sehr geehrter Herr Zinneck,

      zu meinem großen Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass Herr Leuthäuser seine Zusage zurückgenommen hat. Er will den Mietvertrag nicht unterschreiben, weil er zwischenzeitlich einen Käufer für das Haus gefunden hat. Es, tut mir außerordentlich Leid, dass es so gekommen ist. Wenn Sie weiter daran interessiert sein sollten, ein Haus in Dresden oder Umgebung zu mieten, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.

      Mit freundlichen Grüßen Ingo Wehrholz RDM.

      Bis auf Brief und Diskette ließ Rogge alles liegen. Benno sollte sich ruhig etwas sorgen, wenn er die Sachen fand. Mit der Diskette durfte sich Kili beschäftigen. Wenn sie beschrieben war, würde Computerfreak Kili den Inhalt hervorkitzeln. Wofür