Christof Gasser

MordsSchweiz


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er nass genug ist, holen wir ihn wieder raus.«

      Allerdings scheint Markovic nicht gewillt zu sein, so schnell wieder an Land zu kommen. Eine leichte Strömung erfasst den leblosen Körper und treibt ihn in sicherem Abstand dem Ufer entlang. Abwechslungsweise erscheinen seine weiß schimmernden Hände an der Wasseroberfläche, so als würde er schwimmen.

      »Wo willst du hin, verdammt noch mal«, flucht Engeler und bereut, sein Angelzeug nicht mitgenommen zu haben.

      Markovic bleibt kurz an einem vor Anker liegenden Motorboot hängen, treibt dann weiter und auf die Brücke zu. Nun muss alles ganz schnell gehen, einen Menschenauflauf am Geländer darf es nicht geben. So werden die Fußgänger von den Polizisten angewiesen, das Bauwerk rasch zu überqueren, einige gemurmelte Bemerkungen, die nach Statik, Bombe und Epidemie tönen, reichen aus, um die spärlichen Passanten zur Eile zu bewegen.

      Wenig später startet beim Schwimmbad Espi die Geheimaktion mit dem Decknamen Boris, bei der sich eine Polizistin nasse Füße holt und sich ein etwas übergewichtiger Polizist fast einen Bandscheibenvorfall einfängt. Der seit Langem aufwendigste Einsatz der Kantonspolizei Stein am Rhein läuft schnell, diskret und routiniert in absoluter Dunkelheit ab. Nachdem Markovic etwas abtropfen konnte, wird er wieder aufs Mofa geschnallt und mit Vollgas über die Brücke und hinauf zum Posten gekarrt. Fünf fröhliche Weinliebhaber, die eigentlich auf dem Heimweg waren und von diesem Spektakel erschreckt wurden, machen rechtsumkehrt. Zur Beruhigung ihrer Nerven und um das Gesehene zu vergessen, werden sie sich sicher eine weitere Flasche gönnen. Mindestens.

      »Nun haben wir also unsere Leiche«, sagt der Postenchef, nimmt vier Formulare und drei Durchschlagspapiere (Damals konnte man ein Dokument nicht einfach so ausdrucken, auch standen nicht in jedem Büro Fotokopierer herum) und spannt alles in die Schreibmaschine ein. Schreibmaschinen sind Geräte, die man eventuell noch im Brockenhaus bekommt. Übrigens ist es ein weitverbreiteter Irrtum, dass die Firma Apple die Schreibmaschine erfunden haben soll, auch sind Tasten und Programm nachgewiesenermaßen nicht von Microsoft.

      »Was willst du schreiben?«

      Engelers Finger, die adlergleich über den Tasten aufgestiegen sind, landen wieder neben der mit der abgestandenen Filterbrühe gefüllten Tasse Kaffee.

      »Von der Wasserleiche eben.«

      »Es ist aber keinesfalls ein Verbrechen, als Wasserleiche im Städtchen vorbeizutreiben.«

      »Natürlich nicht.« Engeler nimmt einen großen Schluck und verzieht das Gesicht. »Wo holen wir bloß ein Verbrechen her?«

      »Wie wäre es mit Einbruch?«

      Das Gesicht des Postenchefs hellt sich auf. »Super Idee. Ich weiß auch schon wo.« Er nimmt den Hörer in die Hand und wählt.

      Es ist bereits zehn Uhr vorbei, als Armin Kleiner den Polizeiposten betritt. Claudia Schwarz hat in der Zwischenzeit neuen Kaffee aufgebrüht, bei ihren zehn Bleistiften die Spitzen abgebrochen und ihre Schreibgeräte mit Inbrunst neu gespitzt. Engeler hat die Schreibarbeiten erledigt. Die fertig getippten Protokolle und die ausgefüllten Formulare liegen auf seinem Schreibtisch bereit und warten darauf, von den Beteiligten unterschrieben zu werden.

      »Was ist mit dem?« Der Uhrmacher zeigt auf Markovic, der neben dem Eingang auf dem feuchten Teppich liegt. »Wieder mal zu viel gesoffen?«

      »Heute nicht. Auf dem Programm steht Einbruchdiebstahl, dann ins Wasser gefallen und auf der Flucht unglücklich gestürzt. Genickbruch.«

      »Und wo soll er eingebrochen sein?«

      Kleiner muss nicht lange von der Idee überzeugt werden. Da sein Geschäft in der Steiner Altstadt nicht sonderlich gut läuft (»Man müsste Bratwürste verkaufen und Kuchen«, sagt er zu jedem, der sich in seinen Laden verirrt, »dann könnte man sich vielleicht eine goldene Nase verdienen. Qualitätsprodukte sind heutzutage nicht mehr gefragt«) und er sich auch schon die eine oder andere Überlegung gemacht hatte, ist er sofort begeistert. Markovic würde in dieser Nacht in sein Geschäft einbrechen und seine Uhren mitgehen lassen.

      »Wie ist es mit der Versicherung, Armin?«, fragte Engeler.

      »Kein Problem.«

      »Hast du diese Fliegeruhr noch? Ich meine, die mit dem speziellen Zeiger.«

      Kleiner nickt.

      »Gut. Dann musst du hier noch die Anzeige unterschreiben.«

      Gegen Mitternacht machen sie sich auf den Weg. Das Mofa samt Markovic nehmen sie in die Mitte. Mit einem Brecheisen, das schon seit Urzeiten auf dem Posten herumliegt, hebelt Claudia Schwarz die Hintertür des Hauses auf. Kleiner zeigt ihnen den Sicherungskasten. Engeler zieht Handschuhe an, dann schraubt er die Sicherung der Alarmanlage raus und steckt sie Markovic in die Hosentasche. Vom Hausflur aus kommen sie zu Kleiners Geschäft. Es ist ein Kinderspiel, hier einzudringen. Seit einem Präventionskurs kennt die Polizistin die Schwachstellen von Türen und Fenstern.

      Kleiner räumt die wertvollsten Uhren aus dem Gestell und lässt sie im Kellerabteil des Hauses verschwinden. Einige billige Aufschneidermodelle werden Markovic in die Jacke gesteckt. Andere Uhren kommen in eine Tasche, mit der der Einbrecher abgehauen sein soll.

      Zum Schluss darf Markovic noch überall Textilfasern und Fingerabdrücke hinterlassen, der kriminaltechnische Dienst soll nicht umsonst aus Schaffhausen kommen müssen.

      »Und jetzt?«

      »Du bist oben in der Wohnung und hörst Geräusche«, erklärt der Postenchef. »Im Schlafanzug kommst du die Treppe hinunter und stößt fast mit Markovic zusammen.«

      »Und dann?«, fragt Kleiner.

      »Dann das!« Ohne Vorwarnung landet Engelers Faust auf dem Auge des Uhrmachers. »Das gibt ein schönes Veilchen.«

      »Bist du verrückt geworden?«

      Die Polizistin Schwarz kann sich ein Lachen kaum verkneifen.

      »Markovic flieht, du rufst bei der Polizei an.« Engeler reibt sich die Faust. »Das steht übrigens alles im Protokoll, du hättest es vor dem Unterschreiben lesen sollen.«

      Wenig später ist im Städtchen der Teufel los. Die Polizei braust auf Moped und Fahrrad durch die Gassen und bremst auf dem Rathausplatz. Bei Armin Kleiner sei eingebrochen worden. Im Schlafanzug und mit einem ordentlichen Veilchen steht der Uhrmacher vor seinem Geschäft und zeigt den Beamten die Richtung, in die der Täter geflüchtet ist. Sofort machen sich Claudia Schwarz und Andi Engeler an die Verfolgung.

      Im Polizeibericht kann man später Folgendes nachlesen: »Der Beschuldigte Markovic Boris wurde von uns in der Nähe des Hotels Chlosterhof entdeckt. In der Hand trug er eine Tasche mit dem Diebesgut. Bei der anschließenden Verfolgung sprang er vom Garten des Hotels in den Rhein und stieg auf der Höhe des Parkplatzes am Fischmarkt wieder aus dem Wasser. Als wir dort ankamen, fanden wir Markovic Boris im Hof des Klosters Sankt Georgen. Es scheint, dass er beim Versuch, die Klostermauer zu übersteigen, abgestürzt war und sich dabei unglücklich das Genick gebrochen hatte. Bei der Leibesvisitation wurden einige Uhren gefunden. Die Tasche mit dem restlichen Diebesgut ist wohl im Rhein geblieben.«

      Angeheftet ist eine Liste der gestohlenen Uhren mit genauer Wertangabe, die der Geschädigte am Morgen auf dem Posten abgegeben hat. Dann der Totenschein des Amtsarztes, der, weinselig aus dem Roten Ochsen kommend, noch auf der Unfallstelle den Tod und die Ursache bestätigt.

      Der kriminaltechnische Dienst schreibt, dass er im aufgebrochenen Geschäft an mehreren Orten die Fingerabdrücke von Markovic Boris feststellen konnte. Ebenfalls angehängt ist der Bericht der Polizeitaucher. Sie haben im Rhein einige Uhren von eher geringem Wert gefunden. Die Tasche mit den übrigen Uhren wurde wohl von der Strömung mitgetragen, eine Suchaktion verlief ergebnislos.

      Das alles geht im Doppel an den Kommandanten in Schaffhausen.

      Gezeichnet Engeler Andreas, Postenchef, Schwarz Claudia, Polizistin.

      Auf dem Polizeiposten ist wieder Ruhe eingekehrt. Polizistin Schwarz macht Kaffee und ordnet ihre Bleistifte, Postenchef Engeler