Eva Reichl

Mühlviertler Kreuz


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nicht!

      Die Zubraut, die ihr zur Seite stehen sollte, ihr behilflich sein musste bei den vielen Dingen, die bei einer Hochzeit anfielen, machte sich an ihren Ehemann ran! Unerwartet spürte Marion Eifersucht ihre Knochen emporkriechen. Was widersinnig war, da sie Fabian Hallsteiner gar nicht liebte. Sie verabscheute ihn in diesem Augenblick sogar, kniff die Augen zusammen und streckte den Rücken durch. Dann versprühte sie ihr Gift.

      »Ich finde, wir sollten uns ein kuscheliges Plätzchen suchen, wo wir ungestört sind«, flötete sie ihren blauäugigen Helden an.

      »Wenn du möchtest.«

      »Heißt das, du willst nicht?«, fragte sie keck ob der zurückhaltenden Antwort.

      »Es ist deine Hochzeit, nicht meine«, erwiderte der Unbekannte.

      »Wie heißt du? Nein! Sag es mir nicht! Ich möchte einmal in meinem Leben mit jemandem ficken, dessen Namen ich nicht kenne.« Marion zwinkerte ihm zu und entwand sich seinen Armen. Anschließend verließ sie die Tanzfläche, ihr Ritter folgte ihr.

      Bei ihrem Gang über den Burghof bemerkte Marion, dass sie betrunken war. Nicht beschwipst und auch nicht angeheitert, sondern richtig betrunken. In diesem Zustand würde es nicht leicht sein, die Stufen in die Hochburg zu erklimmen. Ihr Schwiegervater hatte die komplette Burg für diesen Abend gemietet, demnach standen ihnen die Räumlichkeiten ganz oben ebenfalls zur Verfügung. Doch schon nach den ersten Stufen musste sich Marion setzen. Sie brauchte eine Pause.

      »Was ist mit dir?«, fragte derjenige, den sie eben noch hatte abschleppen wollen.

      »Mir ist schlecht«, antwortete Marion, den Kopf in beide Hände gestützt.

      »Also wird es nichts mit …«

      »Nein! Hau ab!«, schrie sie ihn an.

      »Schon gut, beruhige dich …«

      »Ich will mich nicht beruhigen, hau einfach ab!«

      In diesem Augenblick kam ein Pärchen die Treppe herab und bemerkte Marion und ihren Ritter am Fuße derselben. Es war Marions Cousine Luise mit ihrem Ehemann Floyd. Marion hatte sich schon immer über den seltsamen Namen gewundert.

      »Geht es dir gut?«, fragte Luise. Zumindest nahm Marion an, dass es ihre Cousine war. Sie sah das Gesicht der Frau nur verschwommen und wünschte sich, dass die Stufen endlich aufhörten sich zu drehen.

      »Alles bestens«, stieß Marion aus.

      Luise musterte den Mann an Marions Seite, der unschuldig mit den Schultern zuckte und sich lässig an die Mauer lehnte.

      »Ihr ist schlecht«, sagte er und deutete auf Marion, als wüssten die Anwesenden nicht, wen er meinte.

      »Wenn du Hilfe brauchst …«

      »Wir schaffen das«, unterbrach er sie. »Sie braucht nur ein paar Minuten Auszeit. Danach ist sie wieder ganz die Alte.«

      Luise und Floyd zogen von dannen.

      »Was jetzt? Willst du hier sitzen bleiben?«, fragte er Marion, als niemand mehr in Hörweite war.

      »Nein«, antwortete Marion. »Bring mich zurück zur Feier.« Sie versuchte sich aufzurichten, was kläglich misslang, und rutsche lediglich auf ihrem Hinterteil eine Stufe nach unten.

      »Los, ich zieh dich hoch«, sagte er und fasste ihr unter den Arm. Mit Schwung half er Marion auf die Beine. Da sie nicht wusste, wie lange das funktionieren würde, weil ihr immer noch schwindelig war, hakte sie sich bei ihm unter.

      »Warte!«, sagte ihr Ritter und hielt ihr seinen Finger hin.

      »Was soll das?«, wollte sie von ihm wissen und starrte den Finger an, als wäre er eine obszöne Geste. Als würde der Blauäugige erwarten, dass sie ihn lutschte.

      »Spuck darauf! Deine Wimperntusche ist verschmiert.«

      Marion lachte. Der Mann war fürsorglich, genau wie Fabian. Doch während sie diese Eigenschaft bei ihrem frisch angetrauten Ehemann verabscheute, gefiel sie ihr bei ihrem Gegenüber. Sie leckte seinen Finger ab, und er wischte ihr damit die verschmierte Mascara weg. Wieder vorzeigbar schlenderten sie Arm in Arm zurück, wohl wissend, dass sie von den Gästen neugierig beobachtet wurden.

      An der eigens für die Hochzeit aufgestellten Bar genehmigte sich Marion ein Glas Wasser, um klarer im Kopf zu werden. Sie bat den Barkeeper, ihr das Wasser in ein Weinglas zu füllen, damit niemand sie mit dem alkoholfreien Getränk ertappte. Schließlich wollte sie den Eindruck machen, dass sie Spaß hatte, und wie bei einer Hochzeitsfeier üblich, musste dafür reichlich Alkohol fließen. Nüchtern würde sie den heutigen Abend und die folgende Nacht auch nicht ertragen. Aber noch war die Hochzeitsfeier ja nicht vorüber. Das traditionelle Brautstehlen fehlte, und Marion wünschte sich, dass ihr blauäugiger Ritter sie ganz weit weg von hier brächte, an einen Ort, von wo sie nie mehr zu dieser Feier zurückkehren würde und ein freies Leben führen könnte, ganz so, wie sie es sich vorstellte.

      »Wie geht es dir?«, fragte eine Stimme hinter ihr. Ihr Ritter war es nicht, der war auf seltsame Weise verschwunden. Es war Albert Freiherr, der Zubräutigam.

      »Warum fragen mich alle, wie es mir geht?«, fuhr Marion ihn an.

      »Weil es deine Hochzeit ist und du glücklich sein solltest«, antwortete Albert und nippte an seinem Rotwein.

      Marion erwiderte nichts, sondern sah hinüber zu dem Tisch, an dem ihre Eltern saßen. Sie unterhielten sich angeregt mit Leuten, die Marion nicht kannte. Wahrscheinlich Geschäftspartner ihres Vaters oder Verwandte von Fabian. Vielleicht auch irgendjemand, der für sie immer unbekannt bleiben würde, weil diese Menschen nur wichtig für andere waren.

      »Lass uns tanzen«, sagte sie an Albert gewandt.

      »Jederzeit gerne, das weißt du.«

      »Ja, das weiß ich.«

      Albert zog Marion hinter sich her auf die Tanzfläche. Die Band stimmte im selben Augenblick eine Ballade an und der Sänger zwinkerte Marion zu. Sie löste sich von Albert, marschierte in Richtung Bühne und neckte den Frontman der Band mit lockendem Zeigefinger, er möge sich zu ihr herunterbeugen. Der Sänger kam der Aufforderung nach, und anstatt eine weitere Zeile Text zu singen, ließ er sich von der Braut küssen. Ein Raunen ging durch die Gäste, und Marion fing den erzürnten Blick ihres Vaters auf. Volltreffer!, dachte sie und ging beschwingt zu Albert zurück.

      »Findest du das klug?«, fragte er.

      »Nein«, antwortete Marion ehrlich. »Aber was bringt es mir, klug zu sein?«

      »Du würdest nicht den Unmut deiner Alten auf dich ziehen, auch nicht den deiner Schwiegereltern«, resümierte Albert.

      Marion sah, während sie sich von Albert über die Tanzfläche führen ließ, zu Viktor und Stefanie Hallsteiner hinüber, ihren Schwiegereltern. Anhand deren Mimik erkannte sie, dass ihnen ihre kleine Einlage nicht gefallen hatte. Sie würde sich nach der Hochzeit demnach nicht nur von ihren Eltern und ihrem Ehemann etwas anhören müssen, sondern auch von ihrer angeheirateten Familie. Sie seufzte, hatte jedoch keine Lust, zu dem bösen Spiel, das um sie herum stattfand, eine fröhliche Miene aufzusetzen.

      »Es ist mir egal, was sie über mich denken«, sagte sie schließlich.

      »Ist es dir nicht«, konterte Albert.

      »Ist es wirklich. Schließlich ist das hier meine Abschiedsparty.«

      »Abschiedsparty? Du heiratest doch bloß.«

      »Ja, aber einen Mann, den ich mir nicht ausgesucht hab.«

      »Was hast du vor?« Albert hielt Marion eine Armlänge von sich gestreckt und musterte sie. Dann zog er sie wieder heran und drehte sich mit ihr, wie es der Tanz verlangte.

      »Keine Ahnung. Abhauen?« Marion setzte ein Lächeln auf, doch es war nur eine Maske, die sie trug, damit niemand ihre wahren Gefühle erkannte.

      »Mach dich nicht lächerlich. Du kannst immer zu mir kommen, das weißt du.«

      »Ja,