ist. Dies gilt insbesondere für die Arbeit mit Erwachsenen, etwas schwächer ausgeprägt aber auch für die Sozialarbeit in Kinderhospiz- und Palliativdiensten. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung finden sich in Europa die meisten Palliativ-Sozialarbeitenden in Deutschland, Österreich und Schweden. In Deutschland waren es 10,3 Sozialarbeiternnen pro 1 Million Einwohner*innen. Nur in jedem fünften der beteiligten Länder gab es nationale Leitlinien zur Sozialen Arbeit in diesem Bereich. Dazu zählen Deutschland und Österreich. Eine spezialisierte Ausbildung für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Hospiz- und Palliativbereich gab es ebenfalls nur in jedem fünften Land. Bemerkenswert ist auch die Erkenntnis, dass die Befragten deutlich mehr angehörigenbezogene Aufgaben als direkt patientenbezogene Aufgaben wahrnehmen. Im direkten Ländervergleich zeigte sich das besonders deutlich bei den österreichischen und britischen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, während bei den deutschen ein hoher Anteil an administrativen Aufgaben sichtbar wurde. Keine signifikanten Unterschiede zeigten sich bei den Rollen, die die Befragten innehatten. Die Studie zeigt insgesamt ein sehr buntes Bild der palliativen Sozialarbeit in Europa, Stärken und Schwächen, Präsenz und Absenz von Sozialer Arbeit. Sie macht auch deutlich, dass es noch viel zu tun gibt, damit die Soziale Arbeit in ihrem einzigartigen und nicht verzichtbaren Beitrag für die Hospiz- und Palliativversorgung in Europa adäquat wahrgenommen und anerkannt wird.
Schließlich sollen alle Menschen in Europa, die im Umfeld des Sterbens Unterstützung bedürfen, auch in Zukunft mit dem wirksamen Beitrag und der qualifizierten Expertise von Sozialarbeitenden rechnen können. Grundlagen für die fachliche Weiterentwicklung sind u. a. das vorliegende Buch und das White Paper der EAPC aus den Jahren 2014/15 zu den Kernkompetenzen von palliativer Sozialarbeit in Europa (Hughes et al. 2014; Hughes et al. 2015). Es bedarf aber weiterer Reflexion und Forschung auf nationaler und auf europäischer Ebene. Es bedarf des Fachdiskurses auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene, allein schon, um sicherzustellen, dass alle dasselbe meinen, wenn sie vom selben reden und die Konzepte und Methoden, die wir anwenden, auf einem soliden Fundament stehen. In einer Zeit, in der in vielen europäischen Ländern die Strukturen für die Hospiz- und Palliativversorgung gesetzt sind, geht es darum, die Position der Sozialen Arbeit zu festigen und fachlich weiter zu entwickeln, sodass die Qualität, die Soziale Arbeit in die Versorgung einbringt, sichtbar wird und fachlich wie monetär anerkannt wird.
Das vorliegende Buch ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Es ist international eines der wenigen Fachbücher, die sich spezifisch dem Beitrag der Sozialen Arbeit in der Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen sowie deren Angehörigen widmet. Es stiftet großen Nutzen – nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Feld arbeiten, sondern für alle, die sich in der Sozialen Arbeit engagieren. Denn, wer sich dem Leben stellt, wird auch mit dem Sterben konfrontiert, und wer sich dem Sterben stellt, wird bald bemerken, dass Sterbende auch Lebende sind, die unserer Solidarität bedürfen.
Karl W. Bitschnau
Co-Vorsitzender der Social Work Task Force der European Association for Palliative Care (EAPC)
Geleitwort zur 1. Auflage
Dieses Buch war überfällig. Die Soziale Arbeit ist die vielleicht am meisten unterschätzte Profession in der Palliativversorgung. Sie wird oft als »Anhängsel« im Rahmen der von den Leistungsträgern etwas despektierlich betrachteten psychosozialen Versorgung am Lebensende angesehen. Dabei ist sie wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil von Palliative Care in ihrer umfassenden Definition, wie sie von Cicely Saunders 1967 bis hin zur Weltgesundheitsorganisation 2002 entwickelt wurde: ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von lebensbedrohlich erkrankten Patienten und ihren Angehörigen, unter Einbeziehung physischer, psychosozialer und spiritueller Aspekte. Diese Definition macht unmissverständlich klar, dass es bei Palliative Care um viel mehr geht als um humanistisch verbrämte Schmerztherapie bei Sterbenden (»Morphin und Händchenhalten«).
Tatsächlich zeigen die vorhandenen Daten, dass der Wunsch nach vorzeitiger Lebensbeendigung bei Schwerstkranken in der Regel aus psychosozialem Leiden heraus resultiert: etwa aus sozialer Isolation, aus dem Gefühl, eine Belastung für die eigene Familie zu sein, oder aus dem subjektiv erlebten Verlust des Lebenssinns. Die Angehörigen wiederum leiden unter der Situation oft noch mehr als die Kranken selbst: In einer Untersuchung bei Angehörigen von heimbeatmeten Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) stuften 30 % der pflegenden Angehörigen ihre eigene Lebensqualität als niedriger ein als die des vollständig gelähmten, rund um die Uhr beatmeten Patienten, für den sie sorgten (vgl. Kaub-Wittemer et al. 2003). Es ist daher nicht so verwunderlich, wie es zunächst erscheinen könnte, dass die Arbeitszeit mit und für die Angehörigen in einem mobilen Palliativteam höher ausfällt als die am Patienten (vgl. Vyhnalek et al. 2011). Wobei es in diesem Zusammenhang geradezu bizarr anmutet, wenn die Krankenkassen den gesetzlich verankerten Anspruch aller Versicherten auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) auf dessen medizinisch-pflegerischen Anteil reduzieren und die psychosoziale Begleitung explizit an die Hospizvereine delegieren – ohne diesen freilich die finanzielle Möglichkeit zu geben, diese zentrale Aufgabe auch professionell durchführen zu können. Das Ergebnis ist eine amputierte Rumpfversorgung, welche zentrale Aspekte der Palliative Care schuldhaft außer Acht lässt.
Genau hier setzt die Soziale Arbeit an: Sie unterstützt zwar auch (und nicht zu knapp) die Ärzte und die Pflegenden bei der Durchführung ihrer Aufgaben, sie organisiert Hilfsmittel und stellt Sozialansprüche sicher. Sie kümmert sich aber vor allem, dank ihres systemischen Ansatzes, um die (Wieder-)Entdeckung verborgener Kräfte und Ressourcen im Familiensystem und Sozialgefüge der Patienten. Sie spürt Defizite auf, aber auch ungeahnte Stärken. Und sie kann einen zentralen Beitrag zu der Koordinierung der Betreuung leisten, um den Angehörigen wieder ihre Aufgabe als soziale Stütze des Kranken zurückzugeben und sie von der erzwungenen Rolle der Laien-Case-Manager zu befreien. Eine erfahrene Palliativ-Sozialarbeiterin gehört zwingend in jedes Palliativteam, sei es stationär (Palliativstationen, stationäre Hospize), konsiliarisch (z. B. palliativmedizinische Dienste in Krankenhäusern) oder ambulant (SAPV-Teams). Möge dieses wichtige Buch dazu beitragen, dass sich diese Erkenntnis baldmöglichst bei den Entscheidungsträgern durchsetzt.
Lausanne, März 2014
Gian Domenico Borasio
Vorwort zur 2. Auflage
Ein paar Jahre sind vergangen seit dem ersten Erscheinen dieses Buches. Dass nun bereits eine 2., erweiterte und überarbeitete Auflage erscheinen kann, zeigt, dass die Frage nach der Rolle der Sozialen Arbeit im Kontext der Palliative Care viele interessiert hat. Interessierte, freundliche und konstruktiv-kritische Rückmeldungen haben uns darin bestätigt, wie wichtig eine solche grundlegende Betrachtung von Beiträgen der Sozialen Arbeit für ein ganzheitliches Verständnis von Palliative Care ist. Soziale Arbeit ist ein unabdingbarer Bestandteil des palliativen Angebots (geworden). Gleichwohl bestehen immer noch an manchen Stellen Anerkennungsprobleme für eine Profession, deren Potenziale nicht sofort auf den ersten Blick wahrgenommen werden. Dass das nicht mehr so leicht möglich ist, dazu hat dieses Buch beigetragen. Die Überarbeitung hat aber auch gezeigt, dass noch viel Luft nach oben vorhanden ist.
Seit der 1. Auflage hat sich manches verändert (z. B. neue rechtliche Grundlagen durch die Verabschiedung des Hospiz- und Palliativgesetzes 2015), manches hat sich weiter professionell ausdifferenziert (z. B. Sozialarbeiterinnen als Gesprächsbegleiterinnen im Rahmen des Advanced Care Planning (ACP) Prozesses und manches blieb weitgehend gleich. Damit ist auch das gesamte Spektrum der vorliegenden Überarbeitungen umrissen: Einige Beiträge wurden ergänzt und neu geschrieben, andere stark und andere nur wenig überarbeitet, um den aktuellen Stand der Fachdiskussion abzubilden.
Die Beiträge entstanden vor Ausbruch der Corona-Pandemie, daher wird im Buch nicht explizit darauf eingegangen. Die Einschränkungen und Verbote aufgrund der Pandemie haben enorme psychische und soziale Belastungen in der Bevölkerung mit sich gebracht; an dem Virus schwer Erkrankte werden isoliert behandelt und dürfen zumeist nicht von ihren Zugehörigen besucht werden, ein Abschied nehmen von sterbenden Patient*innen ist nicht möglich. Gerade jetzt sind Sozialarbeiter*innen daher gefordert Schwerkranke und Sterbende und ihre Zugehörigen zu unterstützen und zu begleiten und auch für andere Mitarbeiter*innen des Gesundheitssystems