Vernetzung werden Wünsche, Bedürfnisse und der Willen von Sterbenden sowie deren Angehörigen als nahestehende Begleiterinnen und Begleiter von Schwerkranken wahrgenommen und umgesetzt. In der Palliative Care sind Ärztinnen, Pflegepersonal, Psychologinnen, Physiotherapeutinnen, Seelsorgerinnen, Theologinnen, ehrenamtliche Helferinnen sowie Sozialarbeiterinnen tätig.
Im Folgenden wird ein Profil der Sozialen Arbeit in Palliative Care zusammenfassend dargestellt, das von der Sektion Soziale Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin entwickelt wurde und die aktuellen fachlichen Standards gut abbildet (Sektion Soziale Arbeit der DGP 2012). Darin sind die oben angesprochenen Wissensebenen der Sozialen Arbeit deutlich erkennbar (Staub-Bernasconi 2007).
Dieses Profil umfasst sechs übergreifende handlungswissenschaftliche, theoriefundierte Ansatzpunkte zentraler Themen und Aspekte, auf die in allen Artikeln des hier vorliegenden Buchs jeweils unter spezifischen Gesichtspunkten explizit oder implizit Bezug genommen wird.
1. Erstes Grundprinzip und unverzichtbarer Eckpfeiler in der Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden sowie von Zugehörigen ist die notwendige Inter- und Multiprofessionalität. Darunter wird ein ganzheitlicher und mehrperspektivischer Behandlungsansatz in einem multiprofessionellen Team verstanden, mit dem Ziel, Leiden umfassend zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern, zu ermöglichen und zu erreichen. Das verbindende Element der verschiedenen Professionellen ist die Haltung, die die Profis in der Begegnung und Auseinandersetzung mit den Betroffenen einnehmen.
2. Zentral ist der gesellschaftliche Auftrag Sozialer Arbeit – ganz im Sinne der IFSW. Soziale Arbeit in Palliative Care bedeutet, Menschen in besonderen sozialen Problemlagen bei der Partizipation in der Gesellschaft zu unterstützen, ihre Ressourcen zu stärken, ihre Selbstbestimmung zu fördern und soziale Härten zu vermeiden. Im palliativen Arbeitsfeld ergeben sich auf der Handlungs- und Reflexionsebene folgende Schwerpunkte, in denen der Gegenstand der Sozialen Arbeit und der Palliative Care miteinander verbunden werden:
• Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Krankheit, Sterben und Tod sowie Integration dieser Prozesse in die Behandlungsplanung
• Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe und sozialer Gerechtigkeit
• Minimierung der Gefahr von Isolierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung
• Achtung vor dem besonderen Wert und der Würde aller Menschen und Unterstützung bei der Wahrnehmung der Rechte, die sich daraus ergeben
• Entwicklung und Förderung von Solidarität, mitmenschlichem Beistand und Entlastung, auch durch ehrenamtliche Begleitung
3. Soziale Arbeit hat spezifische Kernaufgaben und wirksame Handlungsmethoden. Konzepte und Arbeitsweisen Sozialer Arbeit tragen dazu bei, dass schwerkranke und sterbende Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der Wechselbeziehungen mit dem persönlichen Umfeld ihr Leben selbstbestimmt und würdevoll gestalten können. Hier ist ein ganzheitlicher, systemischer Blick erkennbar, der ermöglicht, komplexe Lebenslagen zu erkennen, zu analysieren und angemessene Methoden anzuwenden.
Soziale Arbeit in Palliative Care folgt in ihrem Handeln den wesentlichen Grundsätzen ihrer Profession – entsprechend der internationalen Definition Sozialer Arbeit: In sozialen Notlagen werden die betroffenen Menschen auf Basis von Ressourcenerschließung in ihrer Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit unterstützt, und der Zugang zu sowie die Nutzung von weiteren professionellen Hilfesystemen werden ermöglicht. Die Betroffenen werden dabei immer als Expertinnen und Experten ihrer Lebenswelt gesehen. Die Einbettung im persönlichen Netzwerk wird durch Förderung der Kommunikation, eine Bearbeitung des Spannungsfeldes divergierender Bedürfnisse und Wünsche sowie durch Entlastung gestärkt. Hierbei werden neben den klassischen Methoden auch spezifische Methoden und Konzepte angewandt, z. B. Netzwerkarbeit, sozialarbeiterisches Case- und Care-Management und Biografiearbeit. Weitere typische sozialarbeiterische Handlungs- und Arbeitsweisen sind:
a) Beratung von schwerkranken Menschen und ihren Angehörigen
Beratung bedeutet stützende Interaktion zwischen Ratsuchenden und Beratern. Der Beratungsprozess strukturiert sich in die Schritte (Sozial-)Anamnese, Diagnose, Maßnahme und Evaluation. Als Entscheidungshilfe werden dem Ratsuchenden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt und seine Handlungsfähigkeit wird unterstützt. Die Beratung basiert auf rechtlichen Grundsätzen und beinhaltet auch sozialanwaltschaftliches Handeln. Sie findet als Einzel-, Paar- oder Familienbzw. Zugehörigengespräch unter Berücksichtigung individueller sowie kultur- und religionsspezifischer Aspekte statt. Dazu gehören laut der Sektion »Soziale Arbeit« der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin:
• Beratung im Umgang mit Krankheit und begrenzter Lebenserwartung
• Auseinandersetzung mit Krankheit, Sterben und Tod
• Unterstützung beim Verstehen von Befunden, Behandlungsvorschlägen und
• deren Konsequenzen
• Schließen von Informationslücken
• Aufzeigen von Möglichkeiten zur weiteren Pflege- und Wohnsituation, von Versorgungsperspektiven und Entlastungsmöglichkeiten (z. B. ehrenamtlichen Hilfen etc.)
• Vermittlung von Selbsthilfegruppen und weiteren Dienstleistern
• Beratung in sozialen, ökonomischen und sozialrechtlichen Fragen
• Unterstützung in besonders belastenden Situationen (Suizidalität, Trennung/Scheidung, Sucht und Gewalt etc.), ggf. Krisenintervention
• Unterstützung in sozialen Notlagen (Arbeitsplatz- oder Wohnungsverlust, Schulden/Insolvenz etc.)
• Unterstützung bei bzw. von Kindern als Betroffene oder Zugehörigen (Sicherung der Betreuung etc.)
• sozialrechtliche Beratung zur existenziellen Absicherung (Versicherungsansprüche, Grundsicherung/Sozialleistungen etc.), ggf. Beantragung
• Information zu Erbschaft und Testament, Sorgerechtsregelung für Kinder, Hinterbliebenenrente etc.
• Beratung im Rahmen von Pflege und Versorgung
• Organisation weiterer ambulanter/teilstationärer/stationärer Pflege (Pflegedienst, Hospiz etc.) und zusätzlicher fachlicher Hilfen (SAPV, Beratungsstellen etc.)
• Organisation von ergänzenden Hilfen (Notrufsystem, Essen auf Rädern etc.), hauswirtschaftlichen Hilfen und Pflegehilfsmitteln sowie deren Kostensicherung
• Organisation der Betreuung von Kindern oder anderer betreuungsbedürftiger Zugehöriger
• Beratung zur Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung
• Unterstützung in der Umsetzung letzter Wünsche (z. B. Gestaltung der letzten Lebensphase, der Suche nach Zugehörigen, dem Sterbeort oder der Bestattung)
• Unterstützung und Angebote für Trauernde
Deutlich wird die große Bandbreite und Tiefe sozialpädagogischer Beratung, die hohe fachliche Ansprüche an Sozialarbeiterinnen, ihr Wissen und ihre Handlungskompetenzen stellt.
b) Die psychosoziale Begleitung von schwerkranken Menschen und ihren Zugehörigen beinhaltet das Aufzeigen und Erkennen von Wechselwirkungen zwischen physischen, psychischen, seelischen, kulturellen, spirituellen und sozialen Bedürfnissen zur Sensibilisierung schwerkranker Menschen und ihrer Zugehörigen zur Förderung ihrer Kommunikation.
c) Relevant sind auch ethisch-rechtliche Entscheidungsprozesse, für die Beratungen zu Vorausverfügungen und Vertretungsbefugnissen, Unterstützung und Beratung zur Eruierung des (mutmaßlichen) Patientenwillens, Unterstützung und Beratung zur Wahrnehmung der gesetzlichen Vertretung, Vorbereitung und Mitwirkung bei Round-table-Gesprächen zur Entscheidungsfindung, Unterstützung und Beratung bei der Umsetzung von Behandlungsentscheidungen und den daraus resultierenden psychosozialen Belastungen notwendig sind.
d) Es bedarf interner und externer Netzwerkarbeit und Koordination, um die Öffentlichkeit zu Themen von Palliative Care in regionalen und überregionalen Zusammenhängen zu