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Soziale Arbeit in Palliative Care


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Verdrängung der letzten menschlichen Aufgabe. […] Mit der Einlieferung in eine Sterbeklinik oder in ein Sterbeheim wird dem Schwerkranken jede Hoffnung abgesprochen und genommen. […] In der öffentlichen Diskussion wird die Einrichtung von Sterbekliniken jetzt schon als ein Schritt hin zur Euthanasie gedeutet. […] Vorhandene und bereitzustellende Mittel des Bundes und der Länder sollten nach unserer Auffassung nicht dazu benutzt werden, solche Sterbekliniken einzurichten. Vielmehr sollten finanzielle Mittel und personeller Einsatz dazu dienen, in den Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen genügend Räume bereitzuhalten, die entsprechend ausgestattet sind, um sterbenden Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in Ruhe und im Beisein ihrer Angehörigen auf den Tod vorzubereiten. […] Notwendig ist die Ausarbeitung eines Programms für die Humanisierung des Sterbens in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, verbunden mit einer besseren und gezielten Ausbildung der Ärzte, Schwestern, Pfleger usw. […] Zusammenfassend möchten wir die von Ihnen gestellte Frage dahin beantworten, daß wir die Einrichtung besonderer Sterbekliniken ablehnen, weil solche Einrichtungen aus vielerlei Gründen das Sterben nicht menschenwürdiger, sondern unmenschlich machen.« (Godzik 1993, S. 27–36)

      Diese kritischen Stellungnahmen hatten zur Folge, dass in Deutschland die Entwicklung der Palliativversorgung im Vergleich zu anderen Ländern mit einer erheblichen Verzögerung begann. So wurde erstmals im Jahre 1983 eine Palliativstation als Fünf-Betteneinheit in der Chirurgischen Klinik der Universität Köln eröffnet. Seither entwickelt sich Palliativ Care auch in Deutschland als ein sich praktisch und theoretisch immer weiter ausdifferenzierendes Konzept für schwerstkranke Menschen.

      Nach der im Jahre 2002 revidierten Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Palliative Care/Palliativmedizin ein:

      »Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.« (World Health Organization 2002c)

      Nicht Lebensverlängerung um jeden Preis ist das Ziel, sondern die qualitative Verbesserung der Lebenszeit, was Doyle wunderbar folgendermaßen zusammenfasst: »Palliativmedizin bedeutet nicht, dem Leben bei fortgeschrittenen Erkrankungen mehr Zeit, sondern der verbleibenden Zeit mehr Leben zu geben« (Doyle 1998, S. 3).

      Die verschiedenen Ebenen und Aspekte des englischen care, das im Deutschen sowohl Sorge, Kümmern, Fürsorge, Pflege wie auch Behandlung bedeutet, lassen sich nur teilweise ins Deutsche übertragen. Palliative Care steht nicht – wie oft missverstanden – im Gegensatz zur kurativen Medizin, sondern stellt eine Ergänzung dar, die darauf verweist, dass die Worte care und cure gemeinsame Wurzeln haben. Der Begriff »palliativ« beinhaltet daher einen umfassenden Ansatz, der über das am Wiederherstellen von Funktionen orientierte Heilungsverständnis der etablierten modernen Medizin hinausreicht. Es geht um ein nicht nur für die Medizin wichtiges, wieder neu entdecktes Verständnis des Heilens, das auch in dem umfassenden Begriff Heilung als Ganzbzw. Wholesome-Sein zu finden ist. Dieser sehr breit zu verstehende Begriff führte aber auch zu einigen Begriffsblüten. Die Vielzahl von Bedeutungen dessen, was palliativ ist oder sein sollte, zeigt sich in der großen Anzahl verschiedener Definitionen, mit denen die Aufgaben von Palliative Care in den letzten Jahren bestimmt werden. Die definitorischen und semantischen Bemühungen, die die Begriffe Palliative Care, Palliativmedizin, Palliativversorgung, Sterbequalität etc. begleiten, erschweren manchmal die inhaltliche Bestimmung dessen, worum es geht. Im Hinblick auf Aufgaben, Strukturen, Zielgruppen und qualitative Merkmale haben die Begriffe Palliative Care und Palliativmedizin in den letzten 30 Jahren eine Reihe von Transformationen erfahren, die zu unterschiedlichen Gewichtungen geführt haben, sodass bisher auch keine allgemein konsentierte Definition in der internationalen Literatur zu finden ist. In einer qualitativen Analyse der Fachliteratur wurden 37 englischsprachige und 26 deutschsprachige Definitionen zu den Begriffen Palliative Care und Palliativmedizin identifiziert, wobei als gemeinsame Zielvorstellungen die Linderung und Prävention von Leiden sowie die Verbesserung von Lebensqualität ermittelt wurden (Pastrana et al. 2008, S. 222–232).

      Einer der wichtigsten Gründe für die breite Entwicklung palliativer Konzepte für schwerstkranke und sterbende Patienten war sicherlich die Tatsache, dass das Thema Sterben und Tod sowie Leidenslinderung am Lebensende in der modernen Medizin lange nahezu ausgeklammert wurde, indem die unbeabsichtigten Nebenfolgen des Fortschritts (Schmerzen, Hilfsbedürftigkeit, existenzielle Not und Pflege des sterbenskranken Menschen) nicht beachtet wurden. Hier kommt erneut die »Schwester« des Palliativgedankens ins Spiel: Auch im Selbstverständnis der Hospizbewegung ist die Begleitung des Sterbens nicht nur eine praktizierte Idee und ein karitatives Engagement, sondern es geht vor allem auch darum, das Sterben als zum Leben gehörig wieder in das gesellschaftliche Leben und soziale Miteinander zu integrieren, indem der Sterbende auch in seiner Bedeutung für den anderen in den Mittelpunkt gestellt wird: Du zählst, weil du du bist. Und du wirst bis zum letzten Augenblick deines Lebens eine Bedeutung haben. Palliative Care umschreibt dagegen – wie schon angedeutet – mehr die professionellen Aufgaben, die sich durch die technischen Möglichkeiten der Medizin zur Lebensverlängerung und durch die institutionellen Rahmenbedingungen ergeben haben. Cicely Saunders hat daran gearbeitet, diese beiden Aspekte zusammenzuführen (vgl. Clark 2002).

      Inzwischen haben sich Hospizbewegung und Palliative Care weltweit neben- und miteinander etabliert. Bis 1985 leitete Cicely Saunders das St. Christopher Hospice, aber auch in ihrem Ruhestand engagierte sie sich leidenschaftlich für die Hospizidee und eine menschenwürdige Betreuung Sterbender, welche sie als die einzig angemessene Antwort auf die auch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts auftauchenden Bewegungen für eine Legalisierung der Euthanasie und der Beihilfe zum Suizid ansah: »Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig, und wir werden alles tun, damit Sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben können« (Burgheim 2005, S. 7). Cicely Saunders hat die Begleitung des Sterbenden als Lebensaufgabe angesehen. Sie ist wie Elisabeth Kübler-Ross, die sich vor allem für das Verstehen der unterschiedlichen Phasen des Sterbens verdient gemacht hat, eine der wichtigsten Persönlichkeiten, denen es zu verdanken ist, dass Sterben und Tod auch unter den Bedingungen der modernen Medizin und industriellen Entwicklung wieder mehr Beachtung finden. Sie starb am 14. Juli 2005 im Alter von 87 Jahren – liebevoll begleitet in dem von ihr gegründeten St. Christopher Hospice in London.

      Weiterführende Literatur

      Clark D (2002) Cicely Saunders – founder of the hospice movement: selected letters 1959–1999. Oxford: Oxford University Press.

      Kraska M, Müller-Busch HC (2017) Von »Cura palliativa« bis »Palliative Care«. Würzburg: Königshausen & Neumann.

      Müller-Busch HC (2012) Abschied braucht Zeit. Palliativmedizin und Ethik des Sterbens. Berlin: Suhrkamp.

      

      2 Entwicklung von Palliative Care in den angelsächsischen und den deutschsprachigen Ländern

      H. Christof Müller-Busch

      Im Hinblick auf Aufgaben, Strukturen, Zielgruppen und qualitative Merkmale haben die Begriffe Palliative Care und Palliativmedizin in den letzten 30 Jahren eine Reihe von Transformationen erfahren, die zu unterschiedlichen Gewichtungen geführt haben, sodass bisher auch keine allgemein konsentierte Definition in der internationalen Literatur zu finden ist. Für den deutschsprachigen Versorgungskontext und damit auch für die Aufgaben der in der Palliativversorgung engagierten verschiedenen Berufsgruppen wurden im Jahre 2016 wichtige Begriffe zur Hospiz- und Palliativversorgung in einem Glossar der eutschen Gesellschaft für Pallitivmedizin (DGP) erläutert, das wesentlich auf einem von der European Association for Palliative Care (EAPC) herausgegebenen Weißbuch beruht (Radbruch und Payne 2011a, Radbruch und Payne 2011b, DGP 2016). In der modernen Palliativversorgung können zudem ein palliativer Ansatz sowie allgemeine und spezialisierte palliative Versorgungsformen unterschieden werden (Müller-Busch 2011, S. 7–14).

      Zum Selbstverständnis von Palliative Care gehört eine personale Herangehensweise, die den kranken