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Lebendige Seelsorge 4/2015


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sich ab, dass in der Gesellschaft elementar die Frage nach Sinn/Gott im Kontext eines familiären Umfeldes und bei plötzlichem Tod oder einem großen Unglück mit vielen Toten im Raum steht und gestellt wird. Die Menschen stellen diese Frage indirekt aber auch ausdrücklich, wenn sie NFS als Unterstützung meist bei plötzlichem Tod wünschen und wenn Kirchen im Rahmen öffentlicher Trauer nach großen Unglücken als Partner angesprochen und Gottesdienste (auf-)gesucht werden.

      Das bedeutet nicht, dass Angehörige und Trauernde im bisher bekannten Sinn konfessionell gebunden oder kirchennah sind. Die Beweggründe der Betroffenen sind vielfältig und entsprechen einer eher grundsätzlichen spirituellen Betroffenheit oder Ergriffenheit an der Grenze des bisher erfahrenen Lebens. Die Motive sind oftmals nicht mehr oder auch gar nicht bewusst konfessionell verstanden und bedürfen einer vorsichtigen symbolisch-expressiven Begleitung, keineswegs jedoch eines missionarisch-katechetischen Ansinnens. Sie bilden solcherart die diffuse Gemengelage der heutigen Situation von Gesellschaft und ihren Herausforderungen sowie von Kirche mit ihren spirituellen Ressourcen sehr treffend ab.

      Das Desiderat, das sich daraus für die (katholische) Kirche ergibt, lässt sich wie folgt unter zwei Aspekten zusammenfassen:

      

Seelsorglich: Kirche ist gerufen und stellt sich in den Personen der Seelsorgenden mit den Betroffenen der Gottesfrage in elementarisierter und unmittelbarer Weise: es geht um die Suche nach Sinn in einer Situation der Leidenserfahrung angesichts des plötzlichen Todes. Welchen „Namen“ hat hier Gott und wo ist er?

      

Pastoraltheologisch: Kirche kann und darf diesen Dienst nicht leisten um ihrer selbst willen im Sinn einer Ekklesiogenese, die eine Verheutigung der Kirche dadurch leisten zu können glaubt, dass sie aktuelle Anfragen strategisch aufgreift. Das gilt zumal, wenn Tod und Auferstehung Jesu Christi Teil ihres Selbstverständnisses sind. Dieses Herzstück christlichen Glaubens ist christologisch und eschatologisch in einem Rahmen ausgefaltet aber auch eingespannt, der die Theodizeefrage als nadelspitzen Punkt nicht einfach aufzulösen in der Lage ist und den Glaubenden hoffend und betroffen von der Dunkelheit des Anderen glauben lässt.

      So verwebt sich einerseits ein Grundmotiv kirchlich-seelsorglichen Handelns mit der Welt von heute, andererseits differenziert es Kirche in sich so aus, dass sie Fragen nach seelsorglichem Handeln und seelsorglich Handelnden neu stellen muss.

      DIAKONISCHE SEELSORGE KONKRET: NFS ALS SEELSORGE BEI PLÖTZLICHEM TOD

      Wenn die Situation der Frage nach Gott angesichts eines Unglücks und des plötzlichen Todes gesellschaftlich gesehen und kirchlich in der NFS begleitet wird, und wenn gleichzeitig festzustellen ist, dass Elemente einer aus dem katholischen Kontext bekannten seelsorglichen Begleitung in Trauer, wie z.B. Krankensalbung und Beerdigung aufgrund der plötzlichen Situation des Todes, und der lockeren konfessionellen Anbindung nicht die entscheidenden Angebote sind, die NFS für Angehörige bereithält, muss noch genauer gefragt werden, was dann das seelsorgliche Proprium der NFS ist (Inhalte und Ziele), wer es erfüllen kann (Rollen) und wie es Kirche mitträgt (institutionelle Garantenstellung für Betroffene, für Kooperationspartner und für Seelsorgende). Diese Fragen lassen sich inhaltlich im Rahmen einer diakonischen Seelsorge jenseits der Einteilung von territorialer und/oder kategorialer Seelsorge erschließen. Unter diesem Aspekt wird bei genauer Betrachtung die konfessionelle Binnenkultur sichtbar, die innerkatholische Eigenheiten, Chancen und Grenzen sowie seelsorgliche Selbstverständnisse etc. umfasst. Notfallseelsorglich zeigen sich Spezifizierungen, auf die konzeptionell oder pastoral eingegangen werden muss.

      Es bedarf bestimmter Kompetenzen in der Begleitung von Menschen bei plötzlichem Tod. Das muss bewusst gesehen und im Dialog von Seelsorge mit Notfallpsychologie oder Psychotraumatologie stabil entfaltet werden. Die immer wieder auftretende Frage, ob man in der NFS nur als Notfallpsychologe arbeite, spiegelt in der Irritation das Erfordernis. Nun kommt es seitens hauptamtlicher Seelsorgender aus den bisherigen Kontexten, etwa der gemeindlichen Trauerbegleitung, heraus dazu, NFS als Aufgabe anzusehen, die sie auch übernehmen können. Dies lässt sich unter den Aspekten der Nachhaltigkeit des Personalkreises, der Dienstverfügung und der sich abzeichnenden speziellen Kompetenzen nicht aufrechterhalten. Indikationen wie die Begleitung von Familien nach plötzlichem Säuglingstod oder nach einem Unfalltod oder auch die Begleitung nach Suizid oder nach größeren Schadenslagen sind im Rahmen der Alltagsseelsorge nicht (mehr) zeitnah und als kompetente seelsorgliche Unterstützung umzusetzen.

      Wohl wird die Frage, ob die christlich-kirchliche Begleitung von Menschen bei plötzlichem Tod und nach einem Unglück zum Grund oder Kern kirchlichen Handelns gehört, ohne Einschränkung mit ja beantwortet werden können. Demgemäß bietet sich vor allem die Leitvorstellung einer „diakonischen Seelsorge“ an. Sie fragt initiativ: „Was willst Du, dass ich Dir tun soll?“ (Lk 18,41). Sie beginnt dabei mit einem personalen Angebot, das sich christlich selbst unter der Verheißung getragen sieht durch Gott, der „da-sein“ heißt und dasein will (Ex 3,14) (vgl. Müller-Cyran in diesem Heft).

      Sie wirkt mit der Absicht, geistlich, psychisch und physisch, im Sinne einer ganzheitlichen integrativen Seelsorge, dem alltäglichen Leben jedes Menschen Gott in seiner Schöpfung und unter der Zusage aus der Menschwerdung seines Sohnes transparent zu machen. Sie ist wesentlich solidarisch und compassional (Steinkamp 2012).

      DIE SEELSORGLICHE ROLLE IN DER NFS AUS PASTORALPSYCHOLOGISCHER SICHT

      Deutlich sichtbar ist inzwischen, dass die gegenwärtige Sozialgestalt der Kirche und ihr Profil von haupt- und ehrenamtlichen Seelsorgenden dem notfallseelsorglichen Dienst nicht aus sich heraus dienlich ist (Dittscheidt 2015). Das Anforderungsprofil an Seelsorgende in diesem Bereich ist verschiedentlich beschrieben worden. Es umfasst Aspekte der Arbeitspsychologie unter Hinsicht auf Kompetenzprofile und Arbeitssicherheit (Handbuch 2013). Aber auch inhaltlich mit Blick auf die seelsorgliche Kompetenz im engeren Sinn lässt sich eine spezielle compassionale und mäeutische seelsorgliche Kompetenz beschreiben, die sich der Situation des Schocks im Leid und bei plötzlichem Tod sowie der darin auftretenden Frage nach dem Sinn und nach Gott auszusetzen versteht und die den Anderen, seine Bedürfnisse und seine Wünsche uneingeschränkt in die Mitte stellt und einen Weg aus dem Engpass des Schocks mit dem Anderen geht (Dittscheidt 2014, 375-380).

      Diese Kompetenz muss eigens gesehen und gefördert werden. Dies geschieht in einem Rahmen seelsorglicher Ausbildung und nachhaltiger Begleitung im Zentrum der professionellen Auswahl, Ausbildung und Begleitung von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

      Genau an dieser Stelle bedarf es organisatorischer und fachlicher Rahmenbedingungen, die inzwischen immer weniger aus den bisherigen pastoralen Ausbildungs- und Handlungsstrukturen heraus wahrgenommen werden können. Nur so kann einer Tendenz entgegen gewirkt werden, die die NFS in der katholischen Kirche kennzeichnet: es findet eine doppelte Ausdünnung statt:

      

Trotz der Gewissheit, dass der Dienst sinnvoll sei, verkleinert sich der Mitarbeiterkreis.

      

Ebenso dünnen die Indikationen aus, die als notfallseelsorgliche Situationen übernommen werden können.

      Hier bedarf es seitens der Katholischen Kirche einer Entscheidung für ein nach vorne weisendes Konzept.

      ZWEIERLEI VERANTWORTUNG: SEEL -SORGENDE UND KIRCHLICHE INSTITUTION

      Die spezielle Verantwortung von Seelsorgenden aus der Zusammenarbeit mit Einsatzkräften aus Feuerwehr, Polizei und Hilfsorganisationen hat sich wie oben beschrieben abgezeichnet. Daraus ergibt sich ein bestimmtes Seelsorgeprofil, das gut entwickelt ist und in abgestimmten Grund- und Weiterbildungen vorliegt (Herberhold 2014). Dies im Verbund mit heute ebenfalls anstehenden anderen gravierenden Fragen des personell und finanziell erforderlichen Wandels der Kirche und der Kirchen zu sehen hat einerseits zur Konsequenz, dass NFS