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Lebendige Seelsorge 4/2015


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und gefördert werden muss. Hier zeichnet sich die institutionelle Verantwortung für diese Aufgaben ab: die gesamtkirchliche Erweislast, dass NFS eine kirchlich wahrgenommene Aufgabe ist und sein soll. NFS braucht strukturell, finanziell und personell eine breitere Grundlage, da ansonsten die Last der Aufgabe auf dem Modell des zusätzlichen Dienstes der oftmals noch hauptamtlichen Beteiligten liegt, obwohl andere pastorale Modelle zumindest schon schlagwortartig, hoffentlich als Leitbilder schon im Raume stehen. Dies können sein: NFS als eine Form „diakonischer Seelsorge“, die „charismen- und kompetenzorientiert“ von Freiwilligen (Ehrenamtlichen) und Hauptamtlichen durchgeführt und „professionell begleitet“ wird. Dafür bedarf es eines Rahmens, der Ressourcen jenseits der bisher bekannten gemeindlichen oder kategorialen, amtlichen oder charismatischen Vorstellungen die Aufgabe sieht und nachhaltig bereit stellt.

      Diese Frage wird auch von der evangelischen Kirche gesehen, wird auf dem Hintergrund ihres Selbstverständnisses und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten und -ziele jedoch anders beantwortet. Dazu wird in diesem Heft eine evangelische Position vorgestellt.

      SPEZIELLE THEMEN

      Die Entwicklung des notfallseelsorglichen Dienstes hat in den letzten Jahren besonders zwei Aspekte hervorgebracht. Einmal ist es neben der Kooperation der Notfallseelsorge mit Feuerwehr, Polizei und Hilfsorganisationen die gesellschaftlich sich in Notsituationen abzeichnende interreligiöse Gegebenheit, der sich Notfallseelsorge stellt. Dazu wird in diesem Heft ein Text auch Auskunft geben. Wie sich diese Kooperation entwickelt, dies ist regional noch sehr unterschiedlich. Aber sie ist schon jetzt elementarer Bestandteil einer als Netz psychosozialer Notfallbegleitung (PSNV) angelegten größeren Aufgabe, die kommunal, staatlich und kirchlich im Verbund mit den Vertretern anderer Religionen und Kulturen wahrgenommen werden muss.

      Ein weiterer Aspekt ist aus diesem Zusammenhang heraus gut verständlich. Es ist die sich zunehmend abzeichnende kirchliche und gesellschaftliche Aufgabe der öffentlichen Trauer bei großen Schadensereignissen (so etwa beim Germanwings-Absturz). Was diesbezüglich gesehen, vorgehalten und unternommen wird, ist seitens der katholischen Kirche regional und diözesan noch sehr unterschiedlich aufgestellt. Die kommenden Jahre müssen zeigen, wie sich die katholische Kirche dieser Aufgabe in der Gesellschaft stellt. Allerdings wird hier noch einmal anders die Grenze von NFS gegenüber und im Kontext einer gesamtkirchlichen Aufgabe der öffentlichen Trauer in Notlagen sichtbar.

      RESÜMEE

      NFS ist inzwischen deutlich erkennbar ein Angebot kirchlicher Seelsorge in der Welt von heute und für die Menschen von heute. Sie hat einen speziellen Ort außerhalb gemeindlicher Grenzen, aber nicht ohne die kirchliche Glaubensgemeinschaft, aus der die Seelsorgenden leben. Sie hat ein spezielles Profil, das sich besonders aufgrund der menschlichen Frage nach Gott angesichts von Tod und Leid und in Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Hilfseinrichtungen als diakonisch-seelsorgliches Handeln zur Begleitung und zur geistlichen Stärkung des Gegenübers ausweist. Dieses Angebot aufrechterhalten zu können und Trauer im öffentlichen Raum für Einzelne, Familien und für die Gesellschaft verantwortlich mitzugestalten, bedarf seitens der katholischen Kirche eines erhöhten Engagements zur Umsetzung von stabilen Rahmenbedingungen, innerhalb derer Seelsorgende die Aufgabe der Begleitung von Menschen nach plötzlichem Tod übernehmen können.

      Diese noch neue Aufgabe erfordert, wie andere Bereiche auch, die (Weiter-/Neu-)Entwicklung von kirchlichen Diensten und Sozialformen, bei der es der Kirche (als System) nicht um sich selbst und um ihren Systemerhalt gehen kann, sondern bei dem sie einen Ruf entdeckt und ihm folgt.

      Gerhard Dittscheidt

      Dr. theol., Pastoraltheologe, Pastoralpsychologe (DGfP), Supervisor (DGSv), Pastoralreferent in der Koordination von Notfall- und Feuerwehrseelsorge sowie Krankenhausseelsorger im Stadtdekanat Wuppertal.

      LITERATUR

      Dittscheidt, Gerhard, Menschen im Notfall helfen. Zur pastoralen Grundlegung der Notfallseelsorge in Kirche und Gesellschaft (= Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge 91), Würzburg 2014.

      Dittscheidt, Gerhard, Glauben auf der Grenze in notfallseelsorglichem Handeln. Seelsorgetheologische Präzisierungen des notfallseelsorglichen Dienstes (= Wege zum Menschen 67), Göttingen 2015, 147–159.

      Handbuch Notfallseelsorge, hg. v. Müller-Lange, Joachim / Rieske, Uwe / Unruh, Jutta, Edewecht3 2013.

      Sellmann, Matthias (Hg.), Gemeinde ohne Zukunft? Theologische Debatte und praktische Modelle, Theologie kontrovers, Freiburg 2013.

      Steinkamp, Hermann, Diakonie statt Pastoral. Ein überfälliger Perspektivwechsel (= Diakonik 10), Münster 2012.

      Notfallseelsorge – eine evangelische Perspektive

      Als ich für diesen Artikel angefragt wurde, habe ich zunächst gestutzt: ist es sinnvoll, Notfallseelsorge konfessionell getrennt anzuschauen? Notfallseelsorge war von Anfang an eine ökumenische Angelegenheit und in den meisten Systemen arbeiten sowohl evangelische als auch katholische SeelsorgerInnen. Und im Ernstfall – auch darin waren wir uns von Anfang an einig – kommt es nicht darauf an, ob die Konfession stimmt, sondern ob Menschen in Not- und Krisensituationen menschlich und seelsorglich gut begleitet werden. Dennoch stimmt es natürlich, dass bei der Integration der Notfallseelsorge in die Strukturen der Kirchen unterschiedliche auch konfessionell bedingte Aspekte wichtig wurden. Hanjo von Wietersheim

      Interessant finde ich, dass die innerkatholischen Unterschiede zwischen einzelnen Diözesen, die innerevangelischen Unterschiede zwischen einzelnen Landeskirchen und die regionalen Unterschiede zwischen verschiedenen Landstrichen (z.B. Nord- und Südbayern) zum Teil gravierender sein können als konfessionelle Unterschiede. Deshalb hätte ich meinen Artikel fast lieber überschrieben mit „Aktuelle Fragen der Notfallseelsorge aus evangelisch-unterfränkischer Sicht“. Trotz aller Unterschiede glaube ich, dass wir uns gemeinsam weiterentwickeln und ich denke, dass die Notfallseelsorge ein Feld ist, in dem exemplarisch viele Punkte sichtbar werden, die auch die ganze Kirche betreffen. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam gute Wege gehen können, damit Menschen in Not- und Krisensituationen immer besser begleitet werden können.

      DEM GOTTESDIENST IST NICHTS VORZUZIEHEN (AUS DER REGEL DES HL. BENEDIKT)

      Als wir mit der Notfallseelsorge angefangen haben, gab es viele KollegInnen in den Kirchen (d.h. in evang. Landeskirchen und in kath. Diözesen), die diese Neuentwicklung skeptisch betrachteten. Sie fragten z.B.: „Ist es sinnvoll, sich in jeglicher Arbeit für einen NFS-Einsatz unterbrechen zu lassen?“ oder „Was soll ich tun, wenn ich gerade einen Gottesdienst oder eine Schulstunde halte?“ oder „Wird der Schuldirektor Verständnis für mich haben, wenn ich nach einem nächtlichen Einsatz morgens müde und erschöpft zum Unterricht komme?“ oder „Ist es überhaupt sinnvoll, Seelsorge in dieser Form zu organisieren?“ Diese Kolleginnen und Kollegen waren so eingebunden in ihre alltägliche Routine und sie waren so beeindruckt von Autoritäten (Schulrektor), dass sie sich die Frage nach Prioritäten überhaupt nicht stellten. Sie sahen auch nur ihren eigenen Verantwortungsbereich und konnten sich nicht vorstellen, dass es in der Notfallseelsorge darum geht, das „System Kirche“ erreichbar zu machen und nicht die einzelnen Seelsorgerinnen und Seelsorger.

      Die Notfallseelsorge stellt hier zwei wichtige Fragen:

      1) Gibt es Prioritäten in den vielfältigen Aufgaben der Pfarrerinnen und Pfarrer? Ich meine: Ja! Meine Erfahrung zeigt mir, dass wir mit der Notfallseelsorge in einem sehr wichtigen Bereich arbeiten und dass diese Arbeit nur in einem sehr kurzen Zeitfenster getan werden kann. Für Betroffene macht es einen großen Unterschied, ob ich als Seelsorger „in der Situation“ da war oder irgendwann später. Deshalb ist die Begleitung von Menschen in Not- und Krisensituationen manchmal sogar wichtiger als der Gottesdienst.

      2) Können wir als „System Kirche“ erreichbar sein, ohne einzelne