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Lebendige Seelsorge 4/2015


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zu Maßnahmen der Psychosozialen Notfallversorgung für Überlebende, Angehörige, Hinterbliebene, Zeugen und/oder Vermissende im Bereich der Psychosozialen Akuthilfe“ verabschiedet. Die Fachleute fast aller beteiligten Organisationen kamen überein, künftig nach diesen Mindeststandards im Bereich der PSNV auszubilden und zu arbeiten. Auch Vertreter der Kirchen unterschrieben das Papier.

      Was bedeutet es für die Kirchen, wenn wir zusammen mit anderen Systemen nach den gleichen Standards arbeiten? Für einige kirchliche Verantwortliche war es ein seltsames Gefühl. Sie waren eigentlich der Meinung, dass kirchliche SeelsorgerInnen besser ausgebildet sind als die KriseninterventionshelferInnen der Rettungsorganisationen. Aber sie waren nicht in der Lage, dies auch nachzuweisen. Die Kirchen haben es versäumt, die Aus- und Fortbildung ihrer SeelsorgerInnen ausreichend transparent und vergleichbar zu gestalten.

      Auch seelsorgliche Arbeit kann bewertet und kontrolliert werden. Wir sollten uns nicht mit einem vermuteten und nicht nachweisbaren Mittelmaß zufrieden geben. Ich denke, es ist dringend an der Zeit, Ausbildungen, Arbeitsmethoden, Supervision und Fortbildungen transparent und vergleichbar zu gestalten. Das würde zum einen die Seelsorgenden in ihrer Arbeit vergewissern, zum anderen könnte es den Kirchen helfen, ihre Arbeit klarer und nachvollziehbarer darzustellen.

      Auch im Bereich anderer Regulierungen hängen die Kirchen weit hinterher, z.B. beim Arbeitsschutzgesetz oder bei der Sicherheit der Arbeitsplätze. Viele kirchliche Verantwortliche vertreten (explizit oder implizit) die Meinung, dass die Arbeit in der Kirche anders sei als die Arbeit außerhalb der Kirche und dass deshalb hier andere (oder keine) Gesetze gälten. Beispielsweise sind ArbeitgeberInnen gesetzlich verpflichtet, die Mitarbeitenden fortzubilden, wenn sie in neuen Arbeitsgebieten eingesetzt werden. Im Bereich der NFS hat es sehr lange gedauert, bis wir diese gesetzliche Verpflichtung umsetzen konnten. Oder: ArbeitgeberInnen sind verpflichtet, den Mitarbeitenden persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen. Die wenigsten Kirchen versorgen ihre Mitarbeitenden in der NFS kostenlos mit Schutzbekleidung und Sicherheitsschuhen. Die wenigsten haben überhaupt eine Gefährdungsanalyse für ihre Mitarbeitenden erstellt.

      Ich denke, die Kirchen müssen die gleichen Normen und Regeln erfüllen wie alle anderen ArbeitgeberInnen auch. Mehr noch: die Kirchen sollten Vorreiterinnen sein, wenn es darum geht, für die Mitarbeitenden einzutreten und für sie zu sorgen. Es würde ihnen guttun, wenn sie im Bereich der Personalfürsorge eng mit Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften zusammenarbeiten würden – und nicht gegen sie. Die Mitarbeitenden (auch ich) würden es ihnen danken.

      Hanjo von Wietersheim

      Kirchenrat, 0,5-Stelle: Beauftragter der Evang.-Luth. Kirche in Bayern für Notfallseelsorge und Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst; 0,5-Stelle: Gemeindepfarrer in Iphofen.

      Gott – Mensch – Leid

      Wie sind das Unheil und das Böse in der Welt mit der Vorstellung eines allmächtigen und allgütigen Gottes zu vereinbaren? Auf diese „Hiobsfrage“ geht der Band aus unterschiedlicher Perspektive ein.

      Renate Brandscheidt

      Christine Görgen

      Mirijam Schaeidt

      Werner Schüßler

       Hiob

      Gott – Mensch – Leid

      156 Seiten · Broschur

      ISBN 978-3-429-03817-5

      eBooks

      ISBN 978-3-429-04802-0 (PDF)

      ISBN 978-3-429-06218-7 (ePub)

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       Gegen eine Theologievergessenheit der Seelsorge

      Die Replik von Gerhard Dittscheidt auf Hanjo von Wietersheim

      Mir ist vor allem die Kritik an einem bewusst pastoraltheologischen Durchdenken der – doch offensichtlichen – Aufgabe der Notfallseelsorge bekannt und auf den Kongressen und in den Kollegenkreisen begegnet. Es scheint eine (weitere) überflüssige Theologisierung und eine Abwendung vom Allzu-Offensichtlichen. Eine wegen ihrer Nachhaltigkeit für mich als Kritik zweiter Ordnung aufgenommene Argumentation, die ich sehr gewichte. Und doch…

      Die ekklesiopraktischen und seelsorgetheologischen Überlegungen im Artikel Von Wietersheims treffen aus meiner Sicht den Punkt. Sie zitieren kirchlich-seelsorgliche Motive, jenseits der eher gewohnten Schwerpunkte kirchlicher Vollzüge: es gibt die theologisch begründete unberührte Liturgie in einer Scheinalternative „oberhalb“ des diakonischen Vollzuges und es gibt die seelsorgliche Fixierung auf die amtliche Rolle. Beides sind Engführungen, die sich nicht dogmatisch beweisen lassen, wohl aber durch das Praxisfeld der Notfallseelsorge als unangemessen herauskristallisieren. Sie lösen für die aktuelle Seelsorge und ihre Möglichkeiten derzeit zumindest eine nachhaltige, inhaltlich ersichtliche Verlegenheit aus.

      Das scheint mir auch in der Spannung, die zwischen den beiden Konstitutionen des II. Vatikanischen Konzils, zwischen der dogmatischen Konstitution „Lumen gentium“ und der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ schon abgebildet und eben auch noch nicht abgearbeitet ist, enthalten zu sein.

      Die Perspektive einer diakonischen Pastoral ist als eine Möglichkeit des neuen (alten/ursprünglichen) Ansatzes von Von Wietersheim kritisch eingeführt und grundlegender sodann die christologische Herausforderung in ihrer Sprengkraft innerhalb des notfallseelsorglichen Tuns geschildert. Dieses christologisch begründete Kirche-Welt-Verhältnis nehme ich als den eigentlichen Fokus und die eigentliche Herausforderung wahr und glaube, dass dies ein Anliegen von Papst Franziskus ist.

       EFFEKTIVE UNTERSTÜTZUNG

      Hier setzt dann auch meine gegenüber der Beschreibung Von Wietersheims deutlich skeptischere Perspektive an. Ich nehme bei ihm eine hohe positive Erwartung an die (evangelische) Kirche wahr, dass die praktischen Belange, die sich aus der Notfallseelsorge für die gegenwärtige und zukünftige kirchliche Praxis ergeben, eine positive Resonanz haben werden. Demgegenüber sehe ich mich veranlasst, die pastoraltheologische Spurensuche und Debatte einzufordern. Sei es der Professionalitätsdiskurs (eher protestantisch) oder der Amtsdiskurs (eher katholisch), sei es die Euphorie im Anschluss an Praxisberichte und sinnvolle Erfahrungen im Rahmen von Kooperationen der Notfallseelsorge und anderer Notfallinstitutionen.

      Ob sie dazu angetan sind, die personellen und finanziellen Debatten so zu prägen, dass die Frage kirchlichen Grundlagenhandelns in der Welt Gottes neu buchstabiert wird, das scheint mir zunehmend offen. Von Wietersheims eindeutiger Hinweis auf die durch die Vielfalt überlasteten SeelsorgerInnen geht in diese Richtung. Allerdings verschärft sich bei genauer Betrachtung die Frage, wann denn an pfarrliche oder seelsorgliche Pflichten im Rahmen des Amtes angeknüpft werden sollte. Ich sehe die Entlastung im Votum und in der effektiven Unterstützung der institutionellen Kirche, nicht in der Motivlage der einzelnen Seelsorgenden oder Seelsorgekreise.

      Da ist das Thema der Pastoral angesiedelt und hat einen eigenen Kontext, der sich nicht erschöpfend arbeitspsychologisch oder als Frage nach der Work-Life-Balance besprechen lässt. Ein häufiges – reflexartiges – Argument, das Von Wietersheim beschreibt, aber nicht problematisiert, ist, dass Notfallbegleitung zum pfarrlichen / priesterlichen Dienst gehört. Darin versteckt meine ich zu erkennen, dass es immer wieder schnell so kommen kann, dass seitens kirchlicher Institutionen auf Bewährtes zurückgegriffen wird. Das halte ich für den eigentlichen kirchensoziologischen und kultursoziologischen Kurzschluss, der auf kurze Sicht die Notfallseelsorge in ihrer Durchführung