Lisbeth Herger

Lebenslänglich


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zur Befreiung von autoritär gesetzten Wahrheiten und Zwängen. Krishnamurti entlarvt sie als machtmissbrauchende Konstrukte mit fein ausgelegten Verästelungen. Robi Minder wird sich bewusst, wie sehr die martialisch in seine Seele gehämmerte Gottesfurcht und der dabei angeführte strafende Gott den Boden auslegten für seine schrecklichen Ängste. Die auch mit seinem Austritt aus der Kirche, damals war er etwa 35 Jahre alt, nicht verschwinden wollten. Die Texte Krishnamurtis führen ihn in eine wunderbare Freiheit des Denkens, die sich ausserhalb jeder Autorität bewegt. Der Gedanke, dass keine Institution und keine Autorität die absolute Wahrheit kennt, wird zur erlösenden Selbstbefreiung, lässt ihn Konfessionen und Glauben entmachten und sogar die Angst vor den Menschen verlieren. Schliesslich wählt er für sich einen Aphorismus aus der Sammlung von Krishnamurti und ersetzt damit das Notmedikament in seiner Tasche: «Die Wahrheit ist ein pfadloses Land.» Diese philosophischen Ansätze eröffnen ihm Wege in ein ruhigeres Leben. Der Stress und die Ängste sind deswegen nicht weg, aber die Ausschläge sind nicht mehr so heftig. Dabei ist er zwingend auf inneren Frieden angewiesen. Disharmonien sind eine zusätzliche Belastung, die er nicht erträgt, die er nach Möglichkeit sofort auszugleichen versucht. Er mag selbst jenen Menschen nicht böse sein, die sich in seiner Kindheit an ihm schuldig gemacht haben. Auch wenn ihn manchmal die drängende Frage nach dem Warum nicht ruhen lässt. Und ihm das grosse Schweigen der Heimeltern damals beim Besuch mit seiner Schwester noch immer als nicht verdauter Brocken im Magen liegt. Als das Schicksal von Verding- und Heimkindern zum öffentlichen Thema wird, macht er sich 2013, mit 64, auf die Suche nach den Akten seiner eigenen Kindheit. Das zunehmende Aufkünden von Verschweigen und Scham ermutigt ihn dazu, in Basel bei der Vormundschaft und im Staatsarchiv St. Gallen nach seinen Spuren zu fahnden. Später, nach dem Wiedersehen mit Diana Bach, einer Leidensgefährtin aus der Heimzeit im Wiesengrund, beginnt er auch, sich aktiv an der öffentlichen Aufarbeitung der administrativen Versorgung zu beteiligen. Er wird Mitglied im Verein FremdPlatziert, fährt zusammen mit Diana an Treffen von Betroffenen, setzt sich zu den Aussprachen und Gesprächen mit dazu. Er mischt sich in besonderer Art in die Prozesse ein, allein mit seiner Präsenz, denn Reden vor anderen, gar vor einem Plenum, ist ihm noch immer ein Ding der Unmöglichkeit. Schliesslich zieht er sich wieder aus diesem öffentlichen Diskurs zurück.

      Zehn Jahre vor seiner Pensionierung kann Robi Minder sein Teilzeitpensum in ein Vollamt umwandeln. Eine Anerkennung der Zuverlässigkeit des langjährigen Hauswarts und seines ausgeglichenen Wesens. Die Aufstockung ermöglicht ihm endlich den Anschluss an eine Pensionskasse. Das ist dringlich, denn in den Zeiten seines Pokerspiels und in allen prekären Lebensjahren davor und danach floss kein Altersgeld auf sein Konto. Auch seine Frau, zwar stets im Gastgewerbe tätig, aber oft in Teilzeit, konnte nur einen kärglichen Spartopf für die späteren Jahre äufnen. Deshalb arbeitet Robi Minder noch immer, als siebzigjähriger Rentner betreut er 29 Wohnungen und ein grosses Geschäftshaus. Anders geht es nicht.

      Daneben kümmert er sich mit viel Liebe um seine inzwischen gewachsene Familie. Um seine so verlässliche Frau. Seinen längst erwachsenen Sohn, der manchmal zu ihm sagt, er habe wohl einen Teil von seines Vaters grosser Befangenheit in sein eigenes Leben mitgenommen. Auch seine Schwester Elisabeth, mit der er über das gemeinsame Schicksal stets eng verbunden ist, hat Platz in seinem Leben. Und schliesslich gibt es da noch die kleinen Enkel, zwei kräftige Springinsfelde, die ihr Grossvater allzu gerne vor allem Bösen dieser Welt schützen möchte.

      Robi Minder weiss, dass dies nicht geht. Es ist ein süsser Schmerz. Damit lässt sich leben.

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