kirchlichen Gesellschaft eine Ordnung zu geben, die der Liebe, der Gnade und den Charismen Vorrang einräumt und gleichzeitig deren geordneten Fortschritt im Leben der kirchlichen Gesellschaft wie auch der einzelnen Menschen, die ihr angehören, erleichtert.“10
2. Kirchenrechtliche Bausteine einer Ethik pastoralen Handelns
Wenn es um die Formulierung einer Ethik des pastoralen Handelns geht, kommt das Kirchenrecht in der Regel nicht unbedingt in den Blick, oder aber es wird als unzureichend zurückgewiesen. So stellen Rosenberger u.a. in der Präambel ihres vor wenigen Jahren vorgelegten „Ethikkodex professioneller Seelsorger“ fest, dass „das allgemeine (Kirchen-)Gesetz nur den Rahmen abstecken [soll; M.G.], innerhalb dessen sich ergänzend und konkretisierend Berufskodizes bilden, die sich die Berufsgruppen in ihrer Eigenständigkeit und Eigenverantwortung selber geben.“11
Dies verkennt die vorher dargelegte ethische Grundlegung des Kirchenrechts, das – so die hier zu vertretende These – selbst schon Bausteine einer Ethik pastoralen Handelns enthält, welche von der konkreten Norm geschützt werden und dieser zugleich zu Grunde liegen. Das gilt sowohl für den Begriff und das Selbstverständnis der Seelsorge, als auch für die Grundhaltungen, welche sie kennzeichnen und die in den einzelnen Tätigkeitsfeldern anzuwendenden Leitlinien pastoralen Handelns.12
Wenn hier nun solche Bausteine einer Ethik pastoralen Handelns aus der kirchlichen Rechtsordnung benannt werden, kann dies – um den Rahmen des Beitrages nicht zu sprengen – nur exemplarisch geschehen, sozusagen als Einladung, das Kirchenrecht auch einmal aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen. Neben der Beschränkung auf ausgewählte Themenbereiche ist bewusst auch eine weitgehende Beschränkung auf das im Codex Iuris Canonici vorliegende universale Kirchenrecht vorgenommen worden, dessen Normen dann in teilkirchlichen Rechtsordnungen weiter entfaltet werden, worauf hier aber nicht eingegangen wird.
Eine weitere Vorbemerkung im Hinblick auf die Terminologie ist erforderlich: wenn der Codex als universales Gesetzbuch von den Seelsorgern spricht, hat er normalerweise die Bischöfe und Priester im Blick. Das, was hier über sie gesagt wird, ist – mutatis mutandis – auch auf die Seelsorgerinnen und Seelsorger anzuwenden, welche im deutschen Sprachraum hauptberuflich in der Pastoral tätig sind, auch wenn darauf nicht jedes Mal ausdrücklich hingewiesen wird.
2.1 Die Voraussetzung: Die Würde der Kinder Gottes
„Gläubige sind jene, die durch die Taufe Christus eingegliedert, zum Volk Gottes gemacht und dadurch auf ihre Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaft geworden sind; sie sind gemäß ihrer je eigenen Stellung zur Ausübung der Sendung berufen, die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat.“13
Diese grundlegende und unverlierbare Würde der Gotteskindschaft ist von allen Gliedern des Volkes Gottes zu achten, und stellt in der Communio der Kirche die Grundlage für die Ausübung von Rechten und Pflichten dar, welche entweder allen Gläubigen gemeinsam, oder aber in besonderer Weise den Laien, den Klerikern und den Ordensleuten zukommen. Diese Rechte und Pflichten sind – nach dem Grundsatz neminem laedere, unicuique suum tribuere – wechselseitig zu gewährleisten.14
Vor dem Hintergrund der Würde der Gotteskindschaft in der Communio des Volkes Gottes haben die Gläubigen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren15 sowie ein heiliges Leben zu führen, und dadurch zur Heiligung der Kirche beizutragen.16 Sie sind zum Gehorsam gegenüber den in Stellvertretung Christi handelnden Hirten der Kirche (sacri Pastores, utpote Christi repraesentantes) verpflichtet,17 und zugleich berechtigt, „ihre Anliegen, insbesondere die geistlichen, und ihre Wünsche den Hirten der Kirche zu eröffnen. Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun.“18
Um die Würde ihrer Gotteskindschaft erkennen und leben zu können, haben alle Gläubigen das Recht auf den Empfang der geistlichen Güter, besonders auf die Verkündigung des Wortes Gottes und den Empfang der Sakramente19, das Recht auf die Feier des Gottesdienstes nach dem eigenen Ritus20 sowie das Recht auf eine christliche Erziehung, um als Menschen und Christen reifen und leben zu können.21
Allen Gläubigen kommt das Recht zu, eine tiefere Kenntnis der kirchlichen Lehre zu erwerben,22 ihren Lebensstand in der Kirche ohne Zwang zu wählen,23 und ihre Rechte geltend zu machen.24 „Niemand darf den guten Ruf, den jemand hat, rechtswidrig schädigen und das persönliche Recht eines jeden auf den Schutz der eigenen Intimsphäre verletzen.“25
Aus der unverlierbaren und in der Gotteskindschaft gründenden Personwürde ergeben sich also Rechte und Pflichten aller Gläubigen, denen durchaus eine ethische Relevanz zukommt, und die in der Lage sind, eine ethische Haltung derer, die in der Pastoral tätig sind, zu fördern, auch ohne dass dies explizit in Ethikkodizes normiert wird. Diejenigen, die dem Seelsorger in seinem pastoralen Handeln begegnen, sind stets als Kinder Gottes und mit Achtung ihrer Personwürde zu behandeln.26
2.2 Die Entfaltung: Die Teilhabe aller Gläubigen an der gleichen Sendung
Alle Gläubigen sind – wie gesagt – „auf ihre Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaft geworden …, sie sind gemäß ihrer je eigenen Stellung zur Ausübung der Sendung berufen, die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat.“27 Dies impliziert eine gemeinsame, wenn auch differenzierte Teilhabe und Teilgabe an der Sendung der Kirche als Konsequenz und Entfaltung der Personwürde in Christus: „Unter allen Gläubigen besteht, und zwar aufgrund ihrer Wiedergeburt in Christus, eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit, kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken.“28
Vor dem Hintergrund der in der Taufe grundgelegten Würde haben alle Gläubigen zunächst einmal „die Pflicht und das Recht, dazu beizutragen, dass die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu allen Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt“29 und als Einzelne oder in einer Vereinigung am Apostolat der Kirche mitzuarbeiten.30 Ausdrücklich unterstreicht der Codex, dass dieses Recht auch den Christgläubigen zukommt, welche weder Kleriker noch Ordensleute sind oder in einer spezifischen Form „hauptamtlich“ an der Sendung der Kirche teilnehmen: „Da die Laien wie alle Gläubigen zum Apostolat von Gott durch die Taufe und die Firmung bestimmt sind, haben sie die allgemeine Pflicht und das Recht, sei es als einzelne oder in Vereinigungen, mitzuhelfen, dass die göttliche Heilsbotschaft von allen Menschen überall auf der Welt erkannt und angenommen wird, diese Verpflichtung ist um so dringlicher unter solchen Umständen, in denen die Menschen nur durch sie das Evangelium hören und Christus kennenlernen können.“31 Auch sind sie, sofern „sie als geeignet befunden werden, … befähigt, von den geistlichen Hirten für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen.“32
Schon aus diesen wenigen Hinweisen wird deutlich, dass das Kirchenrecht alle Gläubigen als Protagonisten der Sendung der Kirche betrachtet und vor aller Differenzierung, die sich aus dem je eigenen Stand der Gläubigen und den verschiedenen Lebensumständen ergibt, zunächst einmal alle Gläubigen als Subjekte des Handelns der Kirche und damit auch ihrer Pastoral betrachtet. Dies wird noch einmal unterstrichen, wenn der Codex dem Bischof einer Diözese nicht nur die Aufgabe in Erinnerung ruft, das Apostolat in seiner Diözese zu fördern und zu koordinieren,33 sondern ihn auch dazu auffordert, „die Gläubigen auf ihre Pflicht hinzuweisen, je nach ihren Lebensumständen und Fähigkeiten das Apostolat auszuüben, und sie zu ermahnen, sich an den verschiedenen Werken des Apostolates je nach den örtlichen und zeitlichen Erfordernissen zu beteiligen und sie zu unterstützen.“34
Ein ähnlicher Auftrag ergeht auch an die Priester und Diakone, welche nicht nur