Karl Frielingsdorf

Mein Lebensglück finden


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die mir Menschen in therapeutischen Einzelgesprächen, in Gruppen und in Kursen anvertraut haben, dann bin ich nach wie vor überzeugt, dass für alle Menschen das Leben glücken kann. Eine Voraussetzung ist, dass sie sich mit ihrem Leben bewusst auseinandersetzen und vor dem Hintergrund ihrer Möglichkeiten und Grenzen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und immer wieder kreativ neu gestalten können. Wir werden sehen, wie sehr das Leben des Menschen, vor allem in der Kindheit und schon in der pränatalen und perinatalen Zeit geprägt wird. Je nachdem, ob die Eltern und die Umgebung das Leben des Kindes mehr oder weniger bejahen bzw. verneinen, entwickelt das Kind unbewusst positive oder negative Grundgefühle und Einstellungen zum Leben, die ich „Schlüsselpositionen“ nenne. Wenn diese unbewussten Lebensmuster und Überlebensstrategien der Kindheit nicht bewusst gemacht und bearbeitet werden, behindern und stören sie oft unser gegenwärtiges Leben in von uns unbemerkten Wiederholungen und Übertragungen.

      Der tiefste Grund zu meiner positiven Sicht des „geglückten Lebens“ ist mein christlicher Glaube an die „Frohbotschaft“, dass Gott die Menschen „gut“ geschaffen hat nach seinem Bild und Gleichnis und dass Gott seinen göttlichen Lebensatem in sie gelegt hat. Dieser gute unzerstörbare Kern ist, bei allen Problemen und Schwierigkeiten, in jedem Menschen vorhanden, allerdings oft verborgen oder verschüttet.

      Ich möchte mit diesem Buch die Leserinnen und Leser ermutigen, ihr einzigartiges Leben näher und tiefer kennen und schätzen zu lernen. Dabei können meine eigenen und die Erfahrungen aus den Lebens- und Glaubensgeschichten von vielen Menschen sowie die neueren Forschungsergebnisse der Entwicklungspsychologie und Hirnforschung helfen, neue und alte Wege zu einem geglückten Leben zu entdecken. Die eingestreuten Glücks-Aphorismen sollen wie Farbtupfer das Ganze heiter und ernst auflockern und nachdenklich stimmen.

      Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass Sie im Rückblick auf Ihr Leben einmal sagen können: Ich habe mein Lebensglück gefunden, mein Leben ist geglückt!

       Karl Frielingsdorf

       „Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung“

       (Erich Fromm)

      Was ist ein glückliches

      und erfülltes Leben?

      Was verstehen wir unter Glücklich- und Unglücklichsein? Was heißt es, glücklich zu leben?

      Das Wort „Glück“ stammt vom mittelhochdeutschen „gelücke“ ab, was in etwa „Geschick, günstiger Ausgang, guter Lebensunterhalt“ (Duden) bedeutet. Wir verstehen hier Glück nicht im Sinne von „Glück haben“ (englisch: luck), sondern in der Bedeutung von „Glücklichsein“ (englisch: happiness). Wenn jemand sagt „Ich habe Glück gehabt“, dann ist damit meist etwas Zufälliges gemeint. Er hat z.B. im Lotto gewonnen oder sie ist einem Autounfall oder einem anderen Unglück entkommen. Menschen, die dieses zufällige Glück haben, können durchaus unglücklich sein. Umgekehrt sind Menschen, die dieses Glück nicht haben, d. h. die Pech haben, nicht notwendig unglücklich in ihrem Leben. „Glück haben – ein Geschenk des Zufalls, glücklich sein – eine Gabe des Herzens“ (Carl P. Fröhling).

      Man kann drei glücksstiftende Lebensstile unterscheiden:

      1. Hedonistisches Leben: Glück als Genuss angenehmer, lustbetonter Dinge bei gleichzeitiger Vermeidung von lustfeindlichen Faktoren.

      2. Aktives Leben: Glück als Vervollkommnung der eigenen Fähigkeiten, Zielerreichung und Erfolg.

      3. Sinnerfülltes Leben: Glück als Streben nach einem Lebenssinn; danach streben, seine Fähigkeiten in den Dienst einer höheren Sache zu stellen, sich zu engagieren und in Beziehung leben.

      Die meisten antiken Philosophenschulen gehen von der Verbindlichkeit menschlicher Glückssuche aus. Für sie ist Glück „dasjenige, worin alles Handeln und Begehren zum Stillstand kommt; denn niemand könne glücklich sein, wenn er etwas Begehrtes nicht habe“. Das Glück ist notwendigerweise das höchste Ziel menschlichen Handelns. Glück ergibt sich aus dem Besitz von etwas Gutem. „Will man von wirklichem Glück sprechen, muss „das Gute ständig im Besitz dessen sein, den man glücklich nennen kann, und daher muss das Gut, das ein gleichbleibendes Glück sicherstellen soll, ewig und unwandelbar sein“ (Horn, 24ff.). Augustinus versteht in der Tradition des paganen philosophischen Eudaimonismus das Glücksstreben als ein typisches Merkmal des Menschen: „Wir wollen glücklich sein“ (Horn, 24ff.).

      Wir sprechen hier vergleichbar vom Glück als „sinnerfülltem Leben“, vom „existentiellen Glück“ (happiness = Glücklichsein“) im Sinne von „Ich bin glücklich“ bzw. „Ich wünsche mir, glücklich zu sein“. Allgemein wird dieses Glück verstanden als eine affektive, positive Erfahrung. „Glück bedeutet in seinem Kern offensichtlich Erfüllt-sein von Freude und Getragen-werden von einer gehobenen Stimmung. Dieses Bestimmtsein von Freude und Hochstimmung gilt sowohl für die erregte Form des Glücklichseins, die sich im Gefühl überschüssiger Energie, in Lachen, Tanzenwollen und Ekstase ausdrückt, als auch für dessen ruhigere Variante, die durch Entspannung, Einssein mit sich selbst und Verbundenheit mit anderen gekennzeichnet ist“ (Hommes, 167).

      So spricht man von Glückspilzen, denen alles zu gelingen scheint, denen alles in den Schoß fällt. Sie sind schon immer auf der Sonnenseite des Lebens und große Probleme scheinen ihnen fremd zu sein.

      Unglücklichsein wird dementsprechend als Gegensatz verstanden: Der Pechvogel hat eine gedrückte Stimmung und fühlt sich isoliert und verlassen. Er hat das Gefühl, dass ihn seine Umgebung ablehnt und nicht mag. Letztlich ist er ein „Loser-Typ“, dem einfach nichts gelingen will. Er lehnt sich selbst ab, hat Minderwertigkeitsgefühle, kann sich von der depressiven Stimmung nicht befreien, fühlt sich im Ganzen schlecht, ohnmächtig und hilflos. Er kann sich selbst nicht leiden.

      Die Skepsis gegenüber einem „glücklichen Leben“ ist grundgelegt in der Annahme, dass der Mensch von Natur aus unfähig für das Glück ist. So meint z.B. Sigmund Freud, dass der Mensch nicht für das Glück geschaffen ist: „Alle Einrichtungen des Alls widerstreben ihm [dem Glück] (…) man möchte sagen, die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten“ (Freud, Bd. XIV, 433f.).

      Vielleicht sind die Vorbehalte aber auch darin begründet, dass wir das Glücklichsein zu absolut sehen, es mit der „ewigen Glückseligkeit“ gleichsetzen, wo es kein Leid und keine Trauer mehr gibt. Nach diesem Verständnis wären wir zum „Unglücklichsein im Diesseits“ verdammt und könnten nur auf das Glück im „Jenseits“ hoffen. Doch das „ewige Leben“, wo alles Verlangen nach Glück im Jenseits gestillt wird, ist zu unterscheiden von dem hier gemeinten irdischen Glücklichsein. Beide sind allerdings auch nicht zu trennen. Irdisches Glück und ewiges Glück sind nicht unverträglich und gegensätzlich, sondern aufeinander bezogen. So ist das reale irdische Glück etwas, „das wir zwar nicht machen können, das wir dennoch mit gutem Grund in dieser unserer Welt suchen und empfangen wollen, und nicht erst an ihrem Ende oder im Jenseits“ (Hommes, 234).

      Wenn mit dem Wort „Glück“ so unterschiedliche Dinge wie die ewige Glückseligkeit und irdische Glückserfahrungen bezeichnet werden, dann sind sie nur in Beziehung zu verstehen. Diese wichtige Erkenntnis hat Thomas von Aquin wie folgt beschrieben: „Wie das geschaffene Gut ein Gleichnis des ungeschaffenen Gutes, so ist auch die Erlangung eines geschaffenen Gutes eine gleichnishafte Glückseligkeit“ (Thomas von Aquin nach Pieper, 1976, 42). So hat jede Erfüllung unserer alltäglichen Glückswünsche, jede Erfüllung unseres Glücksverlangens – und mag es noch so unscheinbar sein – etwas mit der letzten und ewigen Glückseligkeit zu tun. Und wäre es nur der Hinweis darauf, dass diese Erfüllung nicht reicht, um unseren Hunger nach Glück zu stillen.

      Es gibt also ein wirkliches irdisches Glück, das nicht so sehr von der Abwesenheit des Negativen („Glück als Fehlen von Unglück“), sondern von der Anwesenheit positiver Erfahrungen und Einstellungen bestimmt wird. Dieses existentielle irdische Glück besteht in einer grundsätzlich bejahenden Einstellung zum eigenen Leben und zur Welt überhaupt mit ihren positiven und negativen Seiten,