Karl Frielingsdorf

Mein Lebensglück finden


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„Unvermeidlich glücklich“, dass die Christen nicht an das unendliche Leben, sondern an das ewige Leben glauben. „Und diese Ewigkeit ereignet sich schon in diesem Leben, zum Beispiel in Momenten des Glücks. Jeder kennt solche dichten Momente, in denen man sich intensiv glücklich fühlt. Unvergänglich sind solche Momente, ewig. Dabei sind diese Momente nicht herstellbar, nicht planbar. Sie ereignen sich, beiläufig manchmal, unerwartet, wenn das Leben ganz leicht wird, fast schwebend“ (Lütz, 180f.). Das Glück verbirgt sich in den kleinen Dingen.

      Nach Josef Pieper liegt das höchste Glück des Menschen in der liebevollen Kontemplation, im ruhigen oder überwältigenden Schauen, im sinnlichen und geistigen Ergriffensein von der Schönheit und Wahrheit der Welt (J. Pieper, 2012, 39). Solche Momente können tiefe Sinnerfahrung, ja sogar Gotteserfahrung für uns bereithalten, eine Erfahrung von Ewigkeit. „Und das können ganz alltägliche Anlässe sein, das Lächeln eines Kindes, der Anblick einer entzückenden Landschaft, ein ergreifendes Kunstwerk, aber auch die Erfahrung von Liebe, von Güte, von Zuneigung“. Und solche Glückserfahrung ist kein Lohn für ein moralisches Leben, diese Glückserfahrung ist ein Geschenk. Man kann sich nicht selber glücklich machen (Pieper, 1976, 39ff.). Das hat Mutter Teresa erfahren, wenn sie sagt: „Sei in diesem Augenblick glücklich, das genügt. Wir brauchen nicht mehr als den Augenblick.“

      Zum existentiellen, umfassenden irdischen Glück gehören also die kleinen Glückserfahrungen ebenso wie die Annahme der unglücklichen Erfahrungen im persönlichen Leben und im weltweiten Kontext. Wesentlich ist, dass wir die Licht- und Schattenseiten, die Freuden und Leiden, die Höhen und Tiefen in unser Leben integrieren und letztlich unser Leben, so wie es ist, annehmen und uns damit versöhnen.

      Ein schwedisches Märchen schildert uns unterschiedliche Lebensanschauungen und Antworten auf die Frage nach einem geglückten Leben:

      „An einem schönen Sommertag war um die Mittagszeit eine Stille im Wald eingetreten. Die Vögel steckten die Köpfe unter die Flügel. Alles ruhte.

      Da steckte der Buchfink sein Köpfchen hervor und fragte: ‚Was ist das Leben?‘ Alle waren betroffen über diese schwere Frage.

      Eine Rose entfaltete gerade ihre Knospe und schob behutsam ein Blütenblatt nach dem andern heraus. Sie sprach: ‚Das Leben ist eine Entwicklung.‘

      Weniger tief veranlagt war der Schmetterling. Lustig flog er von einer Blume zur anderen, naschte da und dort und sagte: ‚Das Leben ist lauter Freude und Sonnenschein.‘

      Drunten am Boden schleppte sich eine Ameise mit einem Strohhalm, zehnmal länger als sie selbst, und sagte: ‚Das Leben ist nichts als Mühe und Arbeit.‘

      Geschäftig kam eine Biene von einer honighaltigen Blume zurück und meinte: ‚Das Leben ist ein Wechsel von Arbeit und Vergnügen.‘ Sie stellte sich vor, wenn sie den Honig aus der Blume holt, das sei Vergnügen, aber wenn sie Waben baut, das sei Arbeit.

      Wo so weise Reden geführt wurden, steckte der Maulwurf seinen Kopf aus der Erde und sagte: ‚Das Leben ist ein Kampf im Dunkel‘. Dann verschwand er.

      Die Elster, die selbst nichts weiß und nur vom Spott der anderen lebt, sagte: ‚Was ihr für weise Reden führt. Man sollte wunder meinen, was ihr für gescheite Leute seid‘.

      Es hätte nun einen großen Streit gegeben, wenn nicht ein feiner Regen eingesetzt hätte, der sagte: ‚Das Leben besteht aus Tränen, nichts als Tränen‘. Dann zog er weiter zum Meer.

      Dort brandeten die Wogen und warfen sich mit aller Gewalt gegen die Felsen, kletterten daran in die Höhe und warfen sich dann wieder mit gebrochener Kraft ins Meer zurück und stöhnten: ‚Das Leben ist ein stets vergebliches Ringen nach Freiheit‘.

      Hoch über ihnen zog majestätisch ein Adler seine Kreise, der frohlockte: ‚Das Leben ist ein Streben nach oben‘.

      Nicht weit davon stand eine Weide, die hatte der Sturm schon zur Seite geneigt. Sie sprach: ‚Das Leben ist ein Sich-Neigen unter eine höhere Macht‘.

      Dann kam die Nacht. – In lautlosem Fluge glitt ein Uhu durch das Geäst des Waldes und krächzte: ‚Das Leben heißt, die Gelegenheit nutzen, wenn die anderen schlafen‘.

      Schließlich wurde es still im Walde.

      In der Schule löschte der Professor, der über den Büchern gesessen hatte, die Lampe aus und dachte: ‚Das Leben ist ein Schule‘.

      Nach einer Weile ging ein junger Mann durch die menschenleeren Straßen nach Hause. Er kam von einer Lustbarkeit und sagte vor sich hin: ‚Das Leben ist eine fortwährende Jagd nach Vergnügen und eine Kette von Enttäuschungen‘.

      Morgens wehte ein leichter Wind durch die Straßen, der meinte: ‚Das Leben ist ein Rätsel‘.

      Auf einmal flammte die Morgenröte in ihrer vollen Pracht auf und sprach: ‚Wie ich, die Morgenröte, der Beginn des kommenden Tages bin, so ist das Leben der Anbruch der Ewigkeit‘“ (Autor unbekannt).

      Wenn das Glück also nicht so sehr im Fehlen des Negativen liegt, worin besteht es dann konkret? Wir glauben meist glücklich zu sein, wenn wir positive, befreiende und gute Lebenserfahrungen machen, die in uns Freude und Lebensbejahung wecken. Sie gipfeln in dem Grundgefühl: Es ist gut zu leben und einfach da zu sein.

      Im Alltag findet sich ein solches „kleines Glück“ oft, wenn sich ein bestimmter Wunsch, eine Sehnsucht erfüllt: Wenn Hungrigen das Essen schmeckt, wenn Durstigen ein kühler Trunk gereicht wird, wenn uns ein geplantes Werk gelingt, wenn wir einen Freund treffen, wenn wir beim Spielen gewinnen usw.

      Das „kleine Glück“ kann uns zufallen wie ein Geschenk, so z.B. in einer Hochstimmung bei einem Sonnenaufgang. So kann ich von meinem Fenster mit dem Blick auf die Skyline von Frankfurt morgens staunen, wie sich die aufgehende Sonne in den Hochhäusern in bunten und wechselnden Farben spiegelt, wie ein „Bankenglühen“. Abends, bei den Sonnenuntergängen, die alle in unterschiedlichen Farben strahlen und leuchten, darf ich es noch einmal erleben. Ähnliche Glücksmomente können wir bei einer Gipfelbesteigung mit dem weiten Blick über Berge und Täler erleben, bei einem Spaziergang am Meer, in einem Konzert, bei der Lösung eines schwierigen Problems, durch ein ermunterndes Wort, durch einen liebevollen Blick oder durch andere positive Erfahrungen, die uns Tag für Tag zufallen, wenn wir sie wahrnehmen.

      Während wir in negativen Stimmungen vor allem das Bedrohliche und Schwierige sehen, öffnen uns die Glücksmomente die Augen für das Schöne, das Positive und Kostbare in unserem Leben. Die beglückenden Erfahrungen schenken uns Freude und Spaß an der Arbeit, an den Menschen und am Leben überhaupt. Hier kann die tägliche Übung des Dankens eine Hilfe sein. Ich mache mir am Abend im Rückblick auf den Tag die Glücksmomente bewusst, die ich erlebt habe, schreibe sie auf und danke Gott für sie und für den ganzen Tag. Dann vertraue ich mich ihm auch in der Nacht an. Ich lege mich ins Bett, symbolisch gesprochen: Ich lege mich bewusst in die Hand Gottes.

      Zwei Menschen empfinden ein tiefes Glück, wenn sie sich nach einer langen Zeit des Streitens, des gegenseitigen Verletzens mit vielen Kränkungen die Hand zum Vergeben und Versöhnen reichen. Dieses Glück gleicht der Freude des Vaters, der den verlorenen Sohn in die Arme schließt, oder der des guten Hirten, der das verlorene Schaf wiederfindet. Tiefes Glück können zwei liebende Menschen erfahren. Dieses Glück besteht einmal in der Sehnsucht und im Verlangen nach dem oder der Geliebten und drückt sich dann im Genießen und in der Freude und dem Entzücken aus, wenn die Liebenden das Geliebtsein erleben.

      Neben der Philosophie und Psychologie hat in den letzten Jahrzehnten vor allem die Psycho-Neurobiologie mit ihren präzisen Messmethoden wichtige Erkenntnisse zum Thema „Glück“ eingebracht. Der Neurobiologe M. Spitzer fasst die Ergebnisse der neurobiologischen Forschung gut und verständlich zusammen: „Sehr tief im Gehirn im sogenannten Mittelhirn, sitzt eine kleine Ansammlung von Neuronen, die den Neurotransmitter Dopamin produzieren und über zwei Faserverbindungen weiterleiten: zum einen in den Nucleus Accumbens und zum anderen direkt ins Frontalhirn. Was genau machen diese Neuronen? Wie man heute weiß, ‚feuern‘ sie dann, wenn ein Ereignis eintritt, das besser ist als erwartet. Dadurch werden wir aufmerksam und wenden uns dem guten Erlebnis zu. Dies hat zwei Konsequenzen: Neuronen