und Italien sowie in weitere Länder insbesondere im osteuropäischen Raum.227 Innerhalb Deutschlands schickte die Firma Benziger die meisten Briefe an Adressaten in Leipzig, München und Stuttgart. In der Buchhandelsstadt Leipzig gingen die meisten Briefe an dort ansässige deutsche Verlage und Verleger: Brockhaus, Otto Spamer, Ernst Keil, Albert Henry Payne, Velhagen & Klasing, E. A. Seemann, B. G. Teubner und andere. In München gehörten vor allem Maler, Zeichner sowie Kupferstecher und Lithographen zu den Adressaten, darunter auch bekannte Namen wie Georg Hahn (1841–1889), Heinrich Merté (1838–1917) oder Adrian Schleich (1812–1894). Auch mit Johann Baptist Obernetter (1840–1887), dem Erfinder des chemischen Lichtdruckverfahrens, wurde eine recht intensive Korrespondenz geführt. In Stuttgart gehörten Eduard Hallberger (1822–1880), der Verleger der auflagenstarken Unterhaltungszeitschrift «Ueber Land und Meer» (ab 1858), der Allgaier & Siegle-Verlag sowie einige Illustratoren und Holzstichmacher zu den häufigsten Adressaten. Die Korrespondenz mit Frankreich konzentrierte sich wenig überraschend in erster Linie auf Adressen in Paris, wo die Firma Benziger in dieser Zeit unter anderem mit den Verlagen Borrani und Didot sowie mit Charles Lorilleux, einem Fabrikanten von industriellen Druckfarben, in Kontakt stand. Daneben bestanden auch Kontakte mit dem katholischen Verleger Alfred Mame (1811–1893) in Tours.
Die Topografie der Verlagstätigkeit, wie sie auf der Karte aufscheint, zeigt freilich nur einen unvollständigen Ausschnitt. Die Korrespondenzen mit den Künstlern und Literaten beispielsweise wurden damals in separaten Büchern geführt und sind auf der Karte nicht verzeichnet. Auch nicht sichtbar werden der ganze nordamerikanische Raum, für den die Filialen in den USA zuständig waren, sowie die Beziehungen nach Südamerika: Dahin, vor allem nach Mexiko und Brasilien, exportierte der Verlag ab den 1860er-Jahren ebenfalls Verlagsware, vor allem Andachtsbilder.228
Gut ersichtlich wird hingegen die Bedeutung des deutschen Sprachraums. Gebetbücher, Kalender, Zeitschriften und Belletristik der Firma Benziger waren lange hauptsächlich auf eine deutsche Leserschaft ausgerichtet. «Im Deutschen liegt Ihre Kraft u. natürliche Stärke», schrieb der damals dienstälteste Associé Louis B.-Mächler (1840–1896) im Jahr 1893 von New York nach Einsiedeln und riet seinen jüngeren Kollegen, dem deutschen Sprachraum unbedingt die höchste Beachtung zu schenken.229 Sein Rat blieb mitten in einer Phase, in der die Firma Benziger ihren Bücherverlag konsequent internationalisierte, ungehört. Das Verlagsprogramm beinhaltete zwar schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts vereinzelt auch religiöse Literatur in Französisch, Italienisch und Lateinisch, und mit der Errichtung der Filialen in den USA wurden ab den späten 1850er-Jahren englischsprachige Bücher verlegt. Einen wirklichen Trend, den Bücherhandel stärker zu internationalisieren, gab es aber erst ab den späten 1880er-Jahren. Im Nachlassarchiv des Verlags sind Gebetbücher in mehr als zwanzig Sprachen überliefert, unter anderem in Spanisch (ab 1886) und Portugiesisch (ab 1892), Flämisch (ab 1891), Serbokroatisch (ab 1887) und Polnisch (ab 1891). Über die Missionen verbreiteten sich Bücher aus dem Benziger Verlag bis in periphere Regionen des Globus. Im Nachlassarchiv finden sich beispielsweise Gebetbücher in Swahili (1892), einer Bantusprache Ostafrikas, sowie in Quechua (1891), einer im Andenraum Südamerikas verbreiteten indigenen Sprachgruppe.
Für den Verlag auf Reisen
Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung und der geografischen Ausdehnung von Märkten waren Geschäftsreisen. Roman Rossfeld und andere Autoren haben in den vergangenen Jahren auf die zunehmende Bedeutung von Handelsreisen im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert hingewiesen.230
In der Firma Benziger nahmen Zahl und Bedeutung von Geschäftsreisen ab den späten 1850er-Jahren sprunghaft zu. Um die Produktion zu steigern und das Absatzgebiet zu vergrössern, waren neben den brieflichen Kontakten auch «face-to-face»-Kontakte zu Lieferanten, Künstlern, Verlegern, Buch- und Kunsthändlern, Pfarrern und Bischöfen ein wichtiger Faktor.
Adelrich B.-Koch (1833–1896) war zwischen 1860 und 1880 zusammen mit zwei Brüdern und drei Cousins Geschäftsinhaber der Firma Benziger. Er stand im Verlag der artistischen und teilweise der technischen Abteilung vor und beschäftigte sich vor allem mit dem Handel von religiösen Bildern sowie den technischen Einrichtungen zur Bildreproduktion. Es ist deshalb kein Zufall, dass ihn seine Geschäftsreisen besonders häufig in die Zentren der zeitgenössischen Reproduktionsgrafik, vor allem nach Paris, München und Stuttgart, führten (Tab. 4, S. 373).231 Ebenso häufig hielt sich Adelrich B.-Koch auch in Lyon auf, wo bedeutende Textilfirmen sowie Produzenten von Kandelabern und anderen Gegenständen, die man für Kirchenausstattungen verwendete, ihren Sitz hatten. Dort tätigte er Einkäufe für die Filialen in den USA, die sich auf den Paramentenhandel und den Import von Kirchenornamenten spezialisiert hatten.
Adelrich B.-Koch wird in der Familiengeschichte als jenes Familienmitglied seiner Generation beschrieben, das am frühesten «die grosse Bedeutung einer staendigen Fuehlungsnahme mit dem grossen Weltgetriebe» erkannt habe.232 Doch auch seine Mitassociés in Einsiedeln und New York reisten ähnlich häufig. Hinsichtlich Reisedestinationen bestanden zwischen den Associés allerdings Unterschiede. Nikolaus B.-Benziger II (1830–1908) beispielsweise, der den literarischen Verlag in Einsiedeln leitete, war öfter im deutschen Sprachraum unterwegs als sein Bruder Adelrich B.-Koch.
In den Quellen nur schwer fassen lässt sich die Reisetätigkeit der Associés in den USA. Belegt sind für Joseph Nicholas Adelrich B.-von Sarnthein (1837–1878; ab 1857 in den amerikanischen Filialen) und Louis B.-Mächler (ab 1860), die zusammen dem Amerikageschäft vorstanden, je drei längere Europareisen zwischen 1862 und 1880. Ab den 1880er-Jahren nahmen die transatlantischen Reisen der Verleger markant zu.233 Die wichtigen Kunden in Europa sollten mindestens alle zwei bis drei Jahre besucht werden, am besten von den Prinzipalen selbst.234 Umgekehrt wurde ein längerer Aufenthalt in den amerikanischen Filialen zunehmend zu einem integralen Bestandteil der Ausbildung der angehenden Prinzipale in Einsiedeln.
Die Verlegerfamilie Benziger bewegte sich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit zwischen den europäischen und amerikanischen Zentren ihrer Zeit. Exemplarisch wollen wir die Biografie von Adelrich B.-Koch etwas genauer betrachten. Sein Vater Nikolaus B.-Benziger I (1808–1864) hatte ihn gezielt auf das Leben als international tätigen Handelsmann und Verleger vorbereitet. Geboren 1833, besuchte Alderich zunächst die Primarschule in Einsiedeln, danach Sekundar- und Kantonsschulen im Kanton St. Gallen, bevor er seine Schulbildung im katholischen Pensionat Devrient in Ouchy am Genfersee abschloss. Mit 19 Jahren trat er 1852 als Lehrling in die Firma des Vaters und des Onkels in Einsiedeln ein. Bereits ein Jahr später wurde er nach New York geschickt, um bei der Errichtung einer Filiale mitzuhelfen und sein Englisch zu verbessern. Vier Jahre später musste er auf Geheiss seines Vaters – und entgegen seinem eigenen Wunsch – nach Einsiedeln zurückkehren. 1858 heiratete er Anna Maria Koch aus Boswil im Kanton Aargau. Sie war eine Institutsfreundin seiner Schwester Ursula Benziger und die Cousine von Pater Albert Kuhn, Konventuale im Kloster Einsiedeln und wichtiger Autor des Benziger Verlags. Zwei Jahre später übernahm Adelrich B.-Koch mit zwei Brüdern und drei Cousins das Verlagsgeschäft aus dem Besitz seines Vaters und seines Onkels als Teilhaber. Als sich 1869 schwelende Konflikte zwischen den Filialen in den USA und dem Muttergeschäft in Einsiedeln immer stärker akzentuierten, hielt er sich ein halbes Jahr in New York und an anderen Orten in den USA auf, um sich einen Überblick über das gewachsene Amerikageschäft zu verschaffen und zwischen Einsiedeln und den Filialen zu vermitteln.
Adelrich B.-Koch galt als Fachmann für kirchliche Kunst sowie für moderne Reproduktionstechnologien. In dieser Funktion war er mehrmals Jurymitglied von nationalen und internationalen Industriemessen, unter anderem an der Weltausstellung 1889 in Paris.235 In den bestehenden Familiengeschichten wird gerne auf die weitläufigen Kontakte verwiesen, über die Adelrich B.-Koch verfügte. Sein Beziehungsnetz ermöglichte ihm den Zugang zu höheren sozialen Kreisen. Die Villa Gutenberg in Brunnen am Vierwaldstättersee, wo Adelrich B.-Koch und seine Familie die Sommer verbrachten, war ein Treffpunkt für Künstler, Literaten und Geistliche von Rang. Der Sommersitz diente der Sommerfrische und der öffentlichen Repräsentation gleichermassen. Marieli Benziger, eine Enkelin von Adelrich B.-Koch, erinnerte sich in ihrer Biografie über ihren Vater August B.-Lytton an die Parkanlage, welche die Villa umgab: «Trees were planted along the mountainside. Some of the