sich zwischen August und November 1291 eine breite Koalition von Gegnern gebildet, die Albrechts Herrschaft in den alten Stammlanden südlich des Rheins infrage stellten und seine lange Abwesenheit in den österreichischen Herzogtümern, an deren Spitze er seit 1282 stand, nutzen wollten. Gegner, die in den vergangenen Jahren auf der Verliererseite gestanden hatten. Anführer dieser Koalition waren Graf →Amadeus V. von Savoyen, mit Hausmacht rund um den Genfersee bis nach Murten, sowie Rudolf von Habsburg-Laufenburg, Vetter König Rudolfs und seines Zeichens Bischof von Konstanz. Dazu gehörten aber auch die wichtigen Reichsstädte Bern, Zürich und Konstanz. Selbst das im April 1291 habsburgisch gewordene Luzern hatte sich abgewandt. Eine gefährliche Situation für den Habsburger Herzog, der im Winter mit schweren Problemen in der Steiermark gefordert gewesen war.
Der Friede von Sirnach Ende August 1292 stellte im Wesentlichen den Status quo wieder her. Herzog Albrecht konnte seine Stellung zwischen Genfersee und Bodensee wiedergewinnen und neu absichern. In der letzten Augustwoche kam damit ein Konflikt zum Abschluss, der in den Ereignissen des Jahres 1291 gründete. Diese stehen in der Folge im Mittelpunkt: das Ende der beeindruckenden Laufbahn des 1273 zum König gewählten Habsburgers Rudolf und die Widerstände, die nach seinem Tod im Sommer zwischen Genf und Konstanz aufloderten.
JANUAR
KONSTANZ
EIN
ALTER KÖNIG
KEHRT
ZURÜCK
Der alt gewordene König Rudolf trifft Ende Januar 1291 von Nürnberg kommend in Konstanz ein. Er hat schwierige Monate hinter sich. Sein erst 20-jähriger Sohn Rudolf ist im Mai des Vorjahres überraschend verstorben, im Juli fiel der ungarische König einem Mordanschlag zum Opfer. Einiges ist schiefgelaufen mit seinen Plänen, die Zukunft des Reichs und das Wohlergehen seiner Familie zu sichern. Wie lange wird er noch Zeit haben, seine Angelegenheiten zu regeln?
Ende Januar 1291 traf König Rudolf von Habsburg mit seinen Getreuen in der Bischofsstadt Konstanz ein. Er kam von einem Hoftag im thüringischen Erfurt und war über Nürnberg und Ulm in den Süden gereist. In Erfurt hatte er sich seit Dezember 1289 fast ein Jahr lang aufgehalten. Entscheidendes war geschehen, aber nicht alles war nach seinen Vorstellungen gelaufen; familiäre Katastrophen und schwierige Reichspolitik hatten die letzten Monate bestimmt.
Zwar hatte er die Nachfolgeprobleme in Thüringen, Meissen und der Lausitz im Sinne des Reichs lösen können. Am 10. Mai 1290 war aber der erst 20-jährige Sohn Rudolf – sein potenzieller Nachfolger – überraschend in Prag verstorben.3 Ehefrau, und nun Witwe, war Agnes von Böhmen, Tochter von König Ottokar von Böhmen, dem grossen Konkurrenten von Rudolf um die Königskrone, der 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld nördlich von Wien gegen den Habsburger sein Leben gelassen hatte. In Prag hatte der Schwager von Rudolf dem Jüngeren, der um ein Jahr jüngere Wenzel, Sohn von Ottokar, 1288 die Herrschaft übernommen. Er war verheiratet mit →Guta von Habsburg, einer Tochter des Königs. Die Habsburger hatten sich durch die doppelte Verschwägerung einen verstärkten Einfluss auf die böhmische Krone erhofft. Und sie zählten auf die Unterstützung des Böhmen für eine habsburgische Nachfolge im Reich. Mit dem Tod Rudolfs des Jüngeren war diese vorerst ausser Traktanden gefallen.
Am 10. Juli 1290 war eine weitere Hiobsbotschaft gefolgt: Der ungarische König Ladislaus IV. war vom Ehemann seiner kumanischen Geliebten ermordet worden. Das Turkvolk der Kumanen war in der Folge des Mongolensturms 1239 bis 1241 in den Westen gelangt und hatte sich zu einer Stütze des ungarischen Königshauses entwickelt. Ladislaus selbst hatte eine kumanische Mutter. Er hatte zwischen 1276 und 1278 den Habsburger König Rudolf unterstützt und massgeblich zu dessen Sieg über Ottokar von Böhmen beigetragen. Ladislaus war kinderlos, und so stürzte sein gewaltsamer Tod das Königreich Ungarn in ein Interregnum. Seine Witwe Isabella von Neapel aus dem französischen Haus der Anjou stand einem feindseligen ungarischen Adel gegenüber, der keinen Nachfolger aus Frankreich oder dem italienischen Süden wollte. Das ungarische Königshaus der Arpaden drohte zudem auszusterben. Schliesslich wurde der 25-jährige Andreas III. aus einem Seitenzweig des Hauses auf den Schild gehoben. Er wurde der «Venezianer» genannt, weil er eine venezianische Mutter hatte und einen Teil seiner Kindheit und Jugend in Venedig verbracht hatte. König Rudolf aber wollte Andreas’ Thronübernahme verhindern: Am 19. August traf Sohn Albrecht mit grossem Gefolge in Erfurt ein, und der König übertrug ihm am 31. August das Königreich Ungarn.4 Ein Entscheid, der ohne Folgen blieb, nicht zuletzt, weil es umstritten war, ob Ungarn überhaupt als Reichslehen angesehen werden konnte, und auch, weil sich Papst Nikolaus IV., der erste Franziskaner auf dem Heiligen Stuhl, vehement dagegenstemmte. Andreas III. konnte sich in der Folge in Budapest durchsetzen. Wie würde er zum habsburgischen König stehen. Loyal wie sein Vorgänger, oder würde er sich gegen den König oder seinen Sohn wenden?
Herzog Albrecht war aber nicht nur wegen der ungarischen Sache an den Reichstag nach Erfurt gekommen. Es ging um mehr. Sein Vater wollte ihn nach dem frühen Tod des jüngeren Bruders Rudolf noch zu seinen Lebzeiten zum König und damit zu seinem Nachfolger wählen lassen. Der Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Oberbayern, →Ludwig der Strenge, einer der Königswähler und Schwager von Albrecht, war den Habsburgern wohlgesonnen. Schlüsselperson war aber der junge König Wenzel aus Böhmen, der seinerseits Einfluss auf die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen hatte. Die Habsburger bearbeiteten den Böhmen mit Nachdruck. Rudolf verlieh ihm am 26. September in Erfurt die Fürstentümer Breslau und Schlesien.5 Die Verhandlungen führten aber zu keinem Ergebnis. An einem Reichstag im Frühling 1291 in Frankfurt sollte die Angelegenheit vorangebracht werden.
∞
Konstanz, südlich des Rheins, am Ausfluss aus dem Bodensee, dem schwäbischen Meer, gelegen, war die Stadt von König Rudolfs gleichnamigem Vetter, dem Bischof. Allerdings hatten sich die Bürger von Konstanz schon fast 100 Jahre zuvor vom Bischof als Stadtherrn emanzipiert und Konstanz zur freien Stadt erhoben. Die Bischöfe standen über Jahrzehnte hinweg immer wieder in schweren Konflikten mit der aufstrebenden Bürgerschaft. Die Stadt war gewachsen und wohlhabend geworden, profitierte vom Handel auf der Nord-Süd-Route über die Alpenpässe nach Italien. Dominiert wurde die Stadt vom Münster mit der mächtigen romanischen Doppelturmfassade.
1274, kurz nach der Wahl zum König, schlug Rudolf seinen Vetter Rudolf von Habsburg-Laufenburg als Bischof von Konstanz vor. Er war der Sohn von →Rudolf III., genannt der Schweigsame, und repräsentierte die Laufenburger Linie der Habsburger. Albrecht, genannt der Weise, war der Bruder Rudolfs III. und Vater des späteren Königs Rudolf von Habsburg. Rudolfs Heirat mit Heilwig von Kyburg hatte ihn 1264/65 legitimiert, das Kyburger Erbe an sich zu reissen. Und er machte mit einem anderen Vetter, →Eberhard, dem Bruder des nachmaligen Bischofs, Familienpolitik. Eberhard heiratete 1273 die volljährig gewordene Kyburger Erbtochter →Anna. Die beiden Habsburger Linien hatten damit den grössten Teil des Raums zwischen Freiburg im Uechtland und Konstanz unter ihre Kontrolle gebracht. Es entwickelte sich aber eine Konkurrenz zwischen den zwei Familienteilen, repräsentiert durch die beiden Rudolfe, den König und den Bischof. Eine Konkurrenz, die nach dem Tod des Königs im Herbst 1291 schwerwiegende politische Konsequenzen haben sollte.
Als König Rudolf in Konstanz weilte, erhielt er Nachricht vom Zwist zwischen seinem Sohn Albrecht und dem jungen König Wenzel von Böhmen. Die beiden Schwäger waren gleichzeitig Nachbarn und Konkurrenten. In der Luft hing unverändert ein Anspruch des Böhmen auf die Herzogtümer Österreich und Steiermark, die sein Vater Ottokar besessen hatte und die ihm von König Rudolf Kraft des Reichs entrissen worden waren. Keine gute Voraussetzung, um die böhmische Stimme für die Wahl von Rudolfs Nachkomme zum König zu gewinnen. Der mit 36 Jahren deutlich ältere und erfolgreiche Albrecht schien mit dem 20-jährigen Böhmen, der sich eben erst in Prag hatte durchsetzen können, wenige Gemeinsamkeiten gehabt zu haben. König Rudolf schrieb Wenzel von Böhmen einen Brief, der beruhigend wirken sollte, und schlug ihm eine Zusammenkunft mit Albrecht vor.
Er nutzte den Aufenthalt in Konstanz, wie das üblich war, um einige regionale Angelegenheiten zu regeln. Er bestätigte dem Frauenkonvent von Münsterlingen, dass sie die Vogtei über das Kloster Ulrich von Altenklingen abkaufen konnten.6 Er besiegelte weiter ein Verkaufsgeschäft