Bruno Meier

1291


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Der König hatte Heinrich von Veringen nach einem gewaltsamen Konflikt mit den Städten Mengen und Veringen in die Reichsacht gesetzt. Im Adelsgefüge rund um den Bodensee brodelte es.

      Der König hatte sich gegen den Abt von St. Gallen, →Wilhelm von Montfort, gestellt und einen Gegenabt, →Konrad von Gundelfingen, den Abt des Klosters Kempten, eingesetzt. Der Montforter – Bruder des Feldkircher Grafen Rudolf, von dem eben die Rede war – war aus St. Gallen vertrieben worden. Die Montforter und die Nellenburger beziehungsweise Veringer standen in Opposition zu den Habsburger Plänen am Bodensee. Ein weiterer Konfliktherd, der sich aufgebaut hatte und der sich bald entladen sollte. Und noch eine politische Hypothek brach ein paar Tage später auf. In Salzburg war der Stuhl des Erzbischofs verwaist. Am 3. August 1290 war Erzbischof →Rudolf von Hoheneck verstorben.8 Der Bischof war ursprünglich ein enger Vertrauter von König Rudolf gewesen, lange Jahre sein Hofkanzler, hatte sich aber mit Rudolfs Sohn Albrecht überworfen und an der Grenze zur Steiermark gegen ihn Krieg geführt. Die Nachfolge war heftig umstritten. Herzog Otto von Niederbayern portierte seinen Bruder Stephan aus der Familie der Wittelsbacher. Herzog Albrecht sprach sich für Abt →Heinrich von Admont aus, seinen Statthalter in der Steiermark. Papst Nikolaus IV. wollte aber keinen von beiden und schlug Ende Januar 1291 →Konrad von Fohnsdorf vor, Bischof von Lavant in Kärnten.9 Der neue Erzbischof musste sich zuerst gegen die Bürgerschaft von Salzburg behaupten und erbte sodann den Konflikt seines Vorgängers mit Herzog Albrecht. Umso mehr, als Albrechts Statthalter in der Steiermark, Heinrich von Admont, ein Konkurrent auf den Erzbistumsstuhl gewesen war. Auch hier entwickelte sich im Laufe des Jahres ein sich zuspitzender Konflikt.

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      Es ist anzunehmen, dass sich der königliche Tross aus Konstanz am 11. Februar Richtung Baden aufmachte, wo er am 15. des Monats eintraf. Wie gross der mitreisende Hofstaat des Königs war, ist nicht bekannt. Wir können von einem engeren Kreis von etwa einem halben Dutzend Beratern aus der Reichsgrafschaft ausgehen. Mit Schreibern, Bediensteten und militärischem Schutz wird der Tross einige Dutzend Personen umfasst haben. Ursprünglich hatte der König die Absicht geäussert, nach Wien zu reisen, um mit seinem Sohn die Reichsnachfolge voranzubringen. Im burgundischen Raum aber war seine Präsenz ebenfalls gefragt, weshalb er wohl den Weg nach Westen einschlug. Möglicherweise hatte Albrecht seinen Vater Anfang Februar in Konstanz noch kurz aufgesucht und mit ihm die Strategie gegenüber dem böhmischen König abgesprochen. Albrecht hatte mit Wenzel von Böhmen ein Treffen vereinbart, um die Nachfolge im Reich zu besprechen.

      Auf dem Weg von Konstanz über Winterthur und Zürich nach Baden lag das noch junge Kloster Wettingen, das sich der Förderung der Habsburger erfreute. Das Kloster war sowohl Grablege der letzten Kyburger, von →Hartmann dem Älteren und dem →Jüngeren, wie auch der Laufenburger Linie der Habsburger. Das Kloster hatte am 29. April 1290 in Zürich von Gräfin →Elisabeth von Rapperswil, Witwe des →Ludwig von Homberg, den ganzen restlichen Rapperswiler Besitz in Uri gekauft.10 Kern dieses Besitzes war der Turm in Göschenen: ein wichtiges Geschäft, das in den folgenden Monaten noch zu reden geben sollte. Besiegelt wurde es vom königlichen und habsburgischen Vogt in Zürich, →Ulrich von Rüssegg, im Beisein des bereits bekannten Bischofs Rudolf von Konstanz, von Hermann von Homberg, Schwager der Rapperswiler Witwe, und von Abt Ulrich von Salem, dem Mutterkloster von Wettingen. Um die 428 Mark Silber für den Kauf zu beschaffen, veräusserte der aus Schaffhausen stammende →Volker von Fulach, Abt des Klosters Wettingen, am 15. Januar 1291 Besitz und Rechte in Wädenswil für 400 Mark Silber an Heinrich von Lichtensteig, Meister der Johanniterhäuser von Bubikon und Tobel.11

      FEBRUAR

      BADEN

      BILANZ

      EINES

      ERFOLG-

      REICHEN

      LEBENS

      König Rudolf sucht im Februar die heissen Quellen von Baden auf. Auf der hoch über dem Städtchen gelegenen Burg steigt er gern ab. Sie befindet sich unweit der Stammburg seiner Familie, und ein Aufenthalt lässt sich verbinden mit den Annehmlichkeiten der Thermen. Er empfängt den Rat der Stadt Zürich und eine Delegation von Leuten aus Schwyz, denen er ein Privileg ausstellt. Er erinnert sich gut an die draufgängerischen Schwyzer, die ihm vor zwei Jahren bei Besançon einen leichten Sieg beschert haben.

      Eine Reise nach Baden war für Rudolf von Habsburg ein Gang in Richtung Heimat, in den alten habsburgischen Aargau, neben dem Elsass das Stammland der Familie.12 Er hatte seine Jugendjahre teilweise im Aargau verbracht, auch wenn die Habsburg bereits zu dieser Zeit nicht mehr die bevorzugte Residenz der Familie gewesen war. Die festen Häuser in den Städten waren wichtiger geworden, nicht zuletzt waren sie wohnlicher als die kalten und feuchten Burgen. Baden war in der Folge der Kyburger Erbschaft an das Haus Habsburg gefallen. Das kleine Burgstädtchen in der von einer Holzbrücke überspannten Juraklus war für sein Heilbad bekannt und wurde gern aufgesucht.

      Auf seiner Reise im Februar wurde Rudolf von seinem Vetter, Bischof Rudolf von Konstanz, und seinem Hofschreiber →Heinrich von Klingenberg begleitet. Zum engeren Gefolge gehörten auch der Reichsgraf Eberhard von Katzenellenbogen aus dem Rheinland, die beiden schwäbischen Adligen Ludwig von Oettingen und Konrad von Weinsberg sowie der von Rudolf installierte Abt von St. Gallen, Konrad von Gundelfingen. In Baden reiste zusätzlich Bischof Wilhelm von Lausanne an, wahrscheinlich auch Graf Theobald von Pfirt aus dem südlichen Elsass. Es ist zu vermuten, dass →Hugo II. von Werdenberg-Heiligenberg für die militärische Sicherung des königlichen Trosses verantwortlich war. Wie schon sein Vater, der im Kyburger Erbstreit eine wichtige Rolle gespielt hatte, gehörte er zusammen mit seinem Bruder →Rudolf von Werdenberg-Sargans zu den treuen Parteigängern der Habsburger südlich des Rheins. Vielleicht hatte sich auch Rudolfs Schwiegertochter Agnes von Böhmen, seit Kurzem verwitwet, in Baden zugesellt. Sie hatte nach dem überraschenden Tod ihres Mannes Rudolf einen Sohn geboren, Johann, später Johann von Schwaben genannt. Und sie residierte in den folgenden Jahren im Habsburger Schloss in Brugg, bevor sie nach Prag zurückkehren sollte. Ihre Ehesteuer war auf den alten Habsburger Besitzungen in Brugg und im südlich davon gelegenen Eigenamt versichert gewesen.

      Am 16. Februar 1291 war König Rudolf von Habsburg nachweislich in Baden. Ob das königliche Gefolge auf der Burg Stein, hoch über der Stadt gelegen, Quartier genommen hatte, oder doch eher die Annehmlichkeiten eines Badehofes in Anspruch nahm, wissen wir nicht. Schon seit dem späten 11. Jahrhundert, wahrscheinlich unter den Grafen von Lenzburg, waren einige der Badehäuser und Gasthöfe auf den Ruinen der römischen Thermen wiederaufgebaut worden. Das herzogliche Lehen war der Hinterhof, der Thermalwasser vom «Hinteren heissen Stein» bezog, der heutigen Hinterhofquelle. Der Hinterhof und der flussaufwärts anliegende Staadhof waren die ersten Absteigen am Platz und bestanden aus um je einen Hof gruppierten Gebäuden mit Unterkünften und Badehäusern.13

      Am 19. Februar empfing König Rudolf eine Delegation aus dem Land Schwyz – die «prudentibus viris universis hominibus de Switz libere conditionis» – und stellte ihnen eine kleine, in Latein abgefasste Urkunde aus.14 Damit bestätigte er den Landleuten aus Schwyz, dass sie keinen Unfreien als Richter annehmen müssten. Diese Urkunde wurde nicht aus heiterem Himmel verfasst. Der König hatte bereits gut zehn Jahre früher den Leuten von Schwyz bestätigt, dass sie nicht vor auswärtige Richter geladen werden dürften, sondern dass sie nur dem Talrichter oder ihm und seinen Söhnen selbst gegenüber verantwortlich seien. Ob dieser Talrichter aus den eigenen Reihen stammte, oder ob er vom König eingesetzt wurde, lässt sich nicht eruieren. Klar ist jedenfalls, dass die Landleute von Schwyz eine direkte Beziehung zum König suchten und keine Zwischengewalt akzeptieren wollten. Wer diese Zwischengewalt repräsentiert hätte, muss offenbleiben: die Rapperswiler mit ihren vogteilichen Ansprüchen über das Kloster Einsiedeln? Der Laufenburger Zweig der Habsburger, der pfandweise mögliche Besitzansprüche auf Höfe im Land Schwyz geltend machen konnte? Oder gar die Habsburger selbst, die alte landgräfliche Rechte reklamierten? Wir wissen es nicht. Fakt ist, die Leute von Schwyz konnten ein Reichsprivileg vom Dezember 1240 vorweisen, das sie vom Stauferkaiser Friedrich II. erhalten hatten. Dieser hatte ihnen für die Hilfe, die sie ihm bei der Belagerung von Faenza gewährt hatten, als freie Leute den besonderen Schutz des Reichs