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machte ihn am 23. Mai 1952 im Büro des Literaturvertriebs von Theo Pinkus mit einem Mitarbeiter der ungarischen Botschaft, Emeric Pehr, bekannt. Dieser wünschte von Schiwoff eine «journalistische Arbeit über Fragen der Wiederaufrüstung von Deutschland». Unter dem Titel «Oeconomicus. Die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Beziehungen der Schweiz zu Deutschland» verfasste Schwioff einen 14-seitigen Artikel anhand von öffentlichen Quellen, Zeitungen wie Volksrecht und Vorwärts sowie Autoren wie Robert Grimm und Georges Bähler, der unter dem Pseudonym Pollux publizierte und damals am Ostberliner Institut für Zeitgeschichte arbeitete.105 Schiwoff pflegte in seinem Pamphlet einen marxistisch-kommunistischen Jargon. Als Entschädigung erhielt er 30 Franken. Schon ab Mai 1952 überwachte ihn der Zürcher Nachrichtendienst, kontrollierte Post und Telefon und listete ihn unter «Gefährliche».

      Auf Anfang 1956 wurde Schiwoff als Sekretär der Sektion Luftverkehr des Verbandes des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) gewählt. Über seine Wahl schrieb später der Staatsschutz, dass «es sich hierbei um einen jener famosen Infiltrationsversuche der moskauhörigen PdA handelt, um damit lebenswichtige Posten in der schweiz. Wirtschaft unter Kontrolle zu bekommen».106 Am 19. Dezember 1956 verhaftete ihn die Bundespolizei, zwei Tage später liess sie ihn wieder frei. Er soll Art. 266 StGB (politischer Nachrichtendienst) verletzt haben. Das Pamphlet soll unwahre und entstellende Behauptungen über die Schweiz enthalten haben.107 Der Bundesanwalt verlangte eine unbedingte Gefängnisstrafe von sechs Monaten und Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit während zweier Jahre. Verurteilt wurde er 1958 vom Bezirksgericht Zürich zu einem Monat Gefängnis bedingt. Sein Verteidiger, ein freisinniger Anwalt, hatte einen Freispruch gefordert.

      Die Bundesanwaltschaft machte Stimmung gegen Schiwoff und übergab der Presse die heikelsten Passagen. Und die hielt mit Vorverurteilungen nicht zurück. Die Basler AZ nannte ihn ein «Kuckucksei im Neste des VPOD». Für das bürgerliche Badener Tagblatt war er ein «kommunistischer Speichellecker und Denunziant».108 Gewisse Passagen mussten das Blut von SP-Mitgliedern zum Kochen bringen. Schiwoff schrieb über die SPS: «Eine bessere Schützenhilfe als die Führer der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz hätten sich die Finanzmagnaten nicht im Traume zu wünschen gewagt. […] Ihre Handlangerdienste des Kapitals sind beinahe unbezahlbar […]»109 Rechtsstaatlich bedenklich war die Tatsache, dass auch das EJPD in seiner Mitteilung an die Presse während des Strafverfahrens gewisse Passagen aus Schiwoffs Artikel zitierte. Dieser habe die Rolle eines «ganz üblen Denunzianten und Verleumders» gespielt.110 Mehr Vorverurteilung geht fast nicht.

      Schiwoff, der Jahre zuvor aus der PdA ausgetreten und SP-Mitglied geworden war, wurde von allen fallen gelassen, ausser von Max Arnold, VPOD-Zentralsekretär, SGB-Vizepräsident und SP-Nationalrat. Er verteidigte Schiwoff in einem Artikel im Volksrecht und meinte, er habe bei ihm zwar Naivität und Weltfremdheit festgestellt, nie aber einen Vertrauensmissbrauch.111 Im Bundeskomitee des SGB wurde Arnold von sämtlichen Mitgliedern wegen dieses Artikels massiv attackiert. Zum Fall meinte es: «Es [das Bundeskomitee des SGB] verurteilt die verräterische Handlung des Dr. Schiwoff auf das schärfste und gibt seiner Abscheu vor der Gesinnungslumperei Ausdruck, die hinter der verwerflichen Tätigkeit Schiwoffs steckt.» Und an die Adresse Arnolds: «Es weist darauf hin, dass ein wohlwollendes oder nachsichtiges Beurteilen der Handlungen Schiwoffs geeignet ist, die moralische und geistige Widerstandskraft gegenüber der kommunistischen Taktik zu schwächen.»112

      Mit 19 zu 2 Stimmen wurde Schiwoff, der am 9. Januar 1957 als VPOD-Sekretär demissioniert hatte, aus dem VPOD ausgeschlossen, später ebenfalls aus der SPS, worauf er einige Zeit darauf wieder der PdA beitrat. Schiwoff fand nach seiner Demission eine Stelle als Hilfsmaler in einer Genossenschaft, doch kündigte ihm vier Wochen später der Geschäftsführer, ein Gewerkschafter, weil der SMUV gedroht habe, er würde ihm sämtliche Aufträge entziehen, wenn er Schiwoff nicht kündige. Er fand bei Pinkus eine Anstellung, später als Redaktor des Vorwärts. Ab 1957 schrieb er für einen sozialdemokratischen Nationalrat und Gewerkschaftspräsidenten (evtl. Hermann Leuenberger) während Jahren die Reden. Später wurde er PdA-Sekretär in Genf, bis ihn 1971 Max Arnold ins Zentralsekretariat des VPOD berief, obwohl er noch immer Mitglied der PdA war. Robert Eibel, der Gründer des Trumpf Buur, der als Sekretär der Freisinnigen der Stadt Zürich ein Zusammengehen mit den Frontisten in den 1930er-Jahren gefördert hatte, schrieb: «Der VPOD und die schweizerische Gewerkschaftsbewegung stehen also vor der Situation, dass ein Kommunist Kenntnis von allen internen Vorgängen und Akten hat, dass er in der Lage ist, damit die vorhandenen kommunistischen Zellen zu versorgen und ihnen zu ermöglichen, darauf die kommunistische ‹Unterwanderung› der schweizerischen Gewerkschaftsbewegung wirkungsvoll zu betreiben.»113 Einzelne Sektionen des VPOD protestierten gegen seine Berufung, es gab Hunderte von Austritten von Mitgliedern. Schiwoffs Gewerkschaftsarbeit gilt als erfolgreich.

      Die Schweizer Gewerkschaften waren eine verlässliche Stütze im Kampf gegen den Kommunismus. Es ist wohl kein Zufall, dass der SMUV, der 1937 das Friedensabkommen mit den Arbeitgebern geschlossen hatte, die Speerspitze der antikommunistischen Gewerkschaften bildete. Oft waren ihre Verlautbarungen schärfer als diejenigen von bürgerlicher Seite. Anhand der Protokolle des Leitenden Ausschusses des SMUV zeige ich, wie die Gewerkschaftsführung die «Säuberungen» (dieser Terminus wurde von den Funktionären verwendet) durchführte. Diese begangen bereits Jahre vor «Ungarn».

      Während nach 1956 der SMUV systematisch kommunistische Mitglieder ausschloss, gab es schon früher Fälle, da Kommunisten entfernt wurden. Die Sektion Genf, die 5000 Mitglieder zählte, beschäftigte den Leitenden Ausschuss (LA) während Jahren. SMUV-Präsident Konrad Ilg, einer der Unterzeichner des Friedensabkommens, gab 1950 zu Protokoll, dass die PdA «bei den gewerkschaftlichen Funktionären die Erfüllung der kommunistischen Direktiven verlangt». Man müsse deshalb versuchen, den Sektionsvorstand «auf unsere gewerkschaftliche Linie zu bringen». Gelinge das nicht und würden das «kommunistische Treiben» und die «Zersetzungserscheinungen» weitergehen, müsste der Verband eventuell die Sektion auflösen.114

      Ende 1951 konstatierte der Leitende Ausschuss: «Die kommunistischen Wühlereien der Partei der Arbeit in Genf sind bekannt. Unsere Sektion Genf ist überall von diesen Leuten durchsetzt. […] Die Kommunisten (PdA) machen nun alle Anstrengungen, um auch die Gruppe Uhrenarbeiter in ihre Hände zu bekommen. […] Die Entwicklung in Genf treibt einem kritischen Stadium entgegen.» Ilg schlug vor, gegen «Fehlbare» vorzugehen, während LA-Mitglied Ad. Grädel meinte, eine Warnung sei nötig, «bevor die Uhrenarbeiter verseucht sind und in einen Streik getrieben werden».115 Laut LA-Mitglied Arthur Steiner, der ab 1954 SMUV-Präsident war, sei die Genfer Sektion völlig von den Kommunisten beherrscht.

      Im Herbst 1952 stellte der Leitende Ausschuss fest, dass die Zentralsekretäre in Genf unerwünscht seien und dass das Wort einer Spaltung umgehe.116 Die Situation eskalierte im Jahr darauf, als sich die Uhrenarbeiter von der Sektion Genf trennen wollten, weil sie sich von den Kommunisten bevormundet fühlten. Als der SMUV ein entsprechendes Reglement verabschieden wollte, verhinderten das PdA-Leute. Sie hätten Krach gemacht, «wobei sich insbesondere Frauen hysterisch gebärdeten und auch in Tätlichkeiten übergingen». Ilg war der Ansicht, dass Ausschlüsse erwogen werden müssten, falls es weitere «Terrormassnahmen» gebe.117

      Es kehrte in Genf eine vorläufige Ruhe vor dem Sturm ein, während es anderswo brodelte. Im Frühling 1956 gab Arthur Steiner besorgt zu Protokoll, dass sich «im Zürcher Sektionsvorstand bereits Kommunisten befinden». Und eine Woche später befürchtete Grädel, dass «die Anstrengungen der Kommunisten, in der Schweiz mit den Sozialdemokraten ein besseres Verhältnis zu erhalten, zum Teil erfolgreich sein werden». Man merke das seit einem halben Jahr in den welschen Sektionen der Partei, und das werde auch auf die Gewerkschaften abfärben. In der welschen Schweiz sei die Lage beunruhigend. Die Kommunisten gewännen mit ihrer Taktik an Boden und würden sogar noch von den Arbeitgebern verwöhnt.118

      Nach der Niederschlagung des Aufstands in Ungarn, am 8. Dezember 1956, fasste der Erweiterte Zentralvorstand des SMUV den Beschluss, dass die Zugehörigkeit zur PdA mit der Bekleidung eines Vertrauenspostens beim SMUV unvereinbar sei. Er verlangte von den Sektionen,