Hartmut Spring

"Nicht ohne den Mut zum Wagnis ..."


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Ähnliches gilt auch für den Exkurs über die Jugendweihe. Dort lässt sich aufzeigen, dass nicht die Einführung der Jugendweihe das entscheidende Problem für die Jugendlichen darstellte. Gravierender war, wie die Verantwortlichen in der Jugendseelsorge, Bischöfe wie Priester, in der Lage waren, diesem Konflikt mit seelsorglichem Einfühlungsvermögen zu begegnen.

      Deshalb gliedert sich die Arbeit entsprechend der Wirkungszeiten der diözesanen Jugendseelsorger im Kommissariat Magdeburg. Die erste Phase, die Zeit ohne eigentlichen Jugendseelsorger, betrifft den Zeitraum der sowjetischen Besatzung von 1945 - 1949. Dieser folgt die Zeitspanne der sich etablierenden Jugendseelsorge mit der Ernennung von J. Brinkmann im Mai 1950 bis zu seiner Ablösung als Jugendseelsorger 1959. Der dritte Abschnitt beschreibt den Versuch der Entwicklung einer relativ eigenständigen Jugendseelsorge in der DDR mit dem Beginn der Arbeit von C. Herold im Juli 1961. Dass mit dem Ende des Wirkens von C. Herold als Jugendseelsorger 1968 der zu betrachtende Zeitraum dieser Arbeit abgeschlossen ist, hat vor allem arbeitsökonomische Gründe. Doch auch die inhaltliche Ausrichtung der Jugendseelsorge scheint in dieser Zeit zu einem Neuansatz gekommen zu sein. Die Arbeit versucht weiterhin anzudeuten, dass mit der neuen Generation der Jugendseelsorger DDR Ende der sechziger Jahre zugleich eine Entwicklung zum Abschluss kam: Die sich zaghaft nach dem Krieg entwickelnde Öffnung der Jugendseelsorge in die nunmehr sozialistische Gesellschaft kam zu einem abrupten Ende. Nur vereinzelt können aus dem folgenden, durch die Arbeit nicht mehr näher erfassten Zeitraum Beispiele aufgegriffen werden, die aufzeigen, dass spätere Ansätze der Jugendseelsorge, nicht nur im Kommissariat Magdeburg, wieder verstärkt innerkirchlich ausgerichtet waren. Die konsequente politische Abstinenz der katholischen Bischöfe in der DDR schränkte derartige Aktivitäten aus dem Bereich der Jugendseelsorge ein. Sie lenkte deren Blick auf den eher katechetischspirituellen Bereich. Aus diesen Überlegungen ergeben sich die drei Phasen der historischen Darstellung:

      Der Aufbau der Jugendseelsorge nach dem Krieg 1945 - 1950

      Die Nachkriegszeit in der Jugendseelsorge umfasst den Zeitraum vom Kriegsende bis zum Beginn der Arbeit des ersten hauptamtlichen Jugendseelsorgers des Kommissariates Magdeburg im Mai 1950. Diese Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass die Jugendlichen gesammelt und in die entstehenden Gemeinden oder besser die dortigen Jugendgruppen integriert wurden und sich eine neue Identität herausbildete: Jugendseelsorge dieser Zeit lebte in der Spannung zwischen der entwurzelten Jugend aus den Ostgebieten und der „einheimischen“ Diasporajugend bei gleichzeitigem Bemühen um die lokale „Beheimatung“ der Vertriebenen. Zugleich begann in diesem Zeitraum, erzwungenermaßen, die Loslösung des Bereiches Paderborn-Ost vom Erzbistum und seine Verselbständigung zum Kommissariat Magdeburg. Zaghaft bildeten sich die ersten Elemente einer Infrastruktur, die Abteilung Jugendseelsorge im Seelsorgeamt Magdeburg entstand. Überdies begann die Auseinandersetzung mit der sozialistisch werdenden Gesellschaft.

      Die Jugendseelsorge etabliert sich unter J. Brinkmann von 1950 bis 1959

      Mit dem Beginn des Wirkens von J. Brinkmann sind die ersten, noch unkoordinierten jugendseelsorglichen Suchbewegungen nach dem Krieg zu einem Abschluss gekommen. Das Jugendamt wurde mit dem Amtsantritt des Jugendseelsorgers voll funktionsfähig und als pastorales Team, bestehend aus einem Jugendseelsorger und den zwei hauptamtlichen Jugendhelfern, in den Gemeinden des Kommissariates wirksam. Dieses Team versuchte vor allem, den Jugendlichen flächendeckend religiöse Inhalte zu vermitteln. Der katechetische Bildungsauftrag stand im Vordergrund. Mit der Errichtung eines eigenen Jugendhauses in Roßbach bekam die katholische Jugend des Kommissariates in diesem Zeitabschnitt ein räumliches und soziales Zentrum. Die Auseinandersetzungen mit dem Staat im Vorfeld des 17. 06. 1953 und das Ringen um eine Antwort auf die atheistische Jugendweihe banden viele Energien, die für das Entwickeln neuer pastoraler Ansätze fehlen sollten.

      Neue Ansätze in der Jugendseelsorge unter C. Herold von 1961 bis 1968

      Mit der Ernennung von C. Herold zum Diözesanjugendseelsorger von Magdeburg im Juli 1961 erfolgte der verzögerte Wechsel zu einer neuen Phase in der Jugendseelsorge fast zeitgleich mit dem politisch einschneidenden Bau des „antiimperialistischen Schutzwalls“. Erste innere Schwierigkeiten ergaben sich bereits aus der Verteilung der Aufgaben auf die beiden Jugendseelsorger D. Lehnert und C. Herold. Mit diesem personalen Übergangskonstrukt gab es neben dem diözesanen Jugendseelsorger einen Rektor für das Exerzitienwerk der Jugend. Viel bedeutsamer aber war, dass die Jugendseelsorge im nunmehr eingegrenzten deutschen „Osten“ versuchte, inspiriert durch die weiterhin bestehenden Einflüsse aus dem westlichen Teil Deutschlands, neue Konzepte zu entwickeln, nicht ohne damit auf Widerstand bei den kirchlichen Oberhirten zu stoßen. Verstanden es Letztere doch als ihre Aufgabe, das Bestehende zu bewahren und die Auseinandersetzungen mit dem sozialistischen Staat zu minimieren.

      Begrifflichkeiten

      Jugendseelsorge in der DDR war im engeren Sinne Seelsorge an den Jugendlichen im Rahmen der katholischen Kirche und nicht Jugendarbeit, wie sie in der Bundesrepublik entwickelt und umgesetzt wurde. Die Frage, ob Jugendseelsorge oder Jugendarbeit der angemessene Ansatz sei, erübrigte sich unter den gesellschaftlichen Verhältnissen der SBZ/DDR. Katholische Jugendseelsorge, als Heilsdienst der Kirche an den Jugendlichen, ereignete sich unter den Bedingungen in der SBZ/DDR vor allem in der Gemeinde, bzw. deren Jugendgruppen. Kirchliche Jugendarbeit in der Gesellschaft als einem Raum außerhalb der Kirche, war unter den Bedingungen des Sozialismus gar nicht möglich, auch wenn die Auswirkungen der Jugendseelsorge immer wieder gesellschaftlich spürbar wurden.

      Wenn im Folgenden von Jugendseelsorge gesprochen wird, dann bezieht sich dies auf die Jugend im engeren Sinne, die Altersgruppe zwischen 14 und maximal 25 Jahren. Da sich aber eine Abgrenzung der Jugendseelsorge zur Kinderseelsorge in der SBZ/DDR erst in den sechziger Jahren herausbildete, werden in dieser Arbeit hin und wieder Themen erfasst, die beide Bereiche betreffen. Auf den Teil der Kinderseelsorge wird aber nicht näher eingegangen, auch wenn damit Ansätze wie die „Religiösen Kinderwochen“ (RKW) unbearbeitet bleiben müssen.18 Auch der Religionsunterricht, der anfangs an Schulen und später nur noch in der Gemeinde möglich war, wird nur am Rande Thema dieser Arbeit sein, was sich neben dem Umfang auch aus der Thematik der Arbeit ergibt. Da bis zur Umsetzung der zehnklassigen Schule in der DDR die kirchliche Jugend hauptsächlich erst nach der Schulentlassung angesprochen wurde, ist die Problematik des Religionsunterrichtes vor allem in den Anfangsjahren im Bereich der Kinderseelsorge anzusiedeln.

      Eine Vereinfachung hinsichtlich der Begrifflichkeit wurde im Rahmen dieser Arbeit vorgenommen: Ohne damit kirchenrechtliche Themen anzuschneiden, werden die Administratoren, Kapitelsvikare oder Kommissare, die auf dem Gebiet der SBZ/DDR wirkten, mitunter vereinfachend Bischöfe bzw. Ordinarien genannt.19

      Quellen

      Eine erhebliche Schwierigkeit für diese Arbeit ergab sich aus der Quellenlage. Nur wenig internes Material ist für den fraglichen Zeitraum überhaupt noch vorhanden. Entweder wurden die entsprechenden Unterlagen nicht archiviert, oder aber sie sind aus Angst vor staatlichen Nachforschungen vernichtet worden. Selbst im damaligen Archiv des Kommissariates Magdeburg wurden aus Sorge vor staatlichen Überprüfungen immer wieder Kassationen durchgeführt.20 Das wenige heute noch vorhandene Material ist meist verstreut in den entsprechenden kirchlichen Archiven und öffentlich nur bedingt zugänglich.

      Zu den einzelnen Kapiteln der Arbeit ergab sich somit eine sehr unterschiedliche Datenlage. Selbst durchgängig angelegtes Quellenmaterial wie die Akten der Ordinarienkonferenzen oder der Arbeitsgemeinschaft der Jugendseelsorger standen nicht komplett zur Verfügung und waren nur bedingt verwertbar, weil sich in den Protokollen von Arbeitsgemeinschaften und Bischofskonferenzen nur geglättet und nur zum Teil widerspiegelt, was besprochen wurde. Da z. B. die Protokolle der Arbeitsgemeinschaft der Jugendseelsorger teilweise nicht mehr bzw. nur als Zusammenfassung vorhanden sind, musste diese Arbeit mit einem recht lückenhaften archivarischen Materialbestand auskommen und mit einer recht heterogenen Zusammensetzung der schriftlichen Quellen vorlieb nehmen.

      Die Verfügbarkeit von mündlichen Quellen, Aussagen und Berichten von Zeitzeugen zum Thema ist begrenzt und ebenfalls recht unterschiedlich. Viele der damals Verantwortlichen in der Jugendseelsorge leben nicht mehr. Andere fanden sich für ein Gespräch