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Wie lernt Kirche Partizipation


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mit den Akteuren, die in den besonderen Pfarrei-Leitungsformen des Aachener Bistums tätig sind.

      Für Rainer Bucher sind „Hauptamt-Ehrenamt“ und „Kleriker-Laien“ zwei der aktuell am heftigsten ins Wanken gekommenen Beziehungs-Balancen in der katholischen Kirche.24 Sowohl die Kleriker – „Niemanden trifft der reale Zusammenbruch klerikaler Machtstrukturen auf Grund der Freisetzung zu religiöser Selbstbestimmung härter als die Priester“ – als auch die Laien – „Heute herrscht nicht mehr die Religion über das Leben, sondern biografische Bedürfnisse über Nähe und Distanz zu religiösen Praktiken und Sozialräumen. Mit diesem epochalen Machtwechsel rücken die sogenannten Laien in den Fokus. Denn sie erhalten die enorme „Marktmacht der Kunden“ – finden sich in einer gewöhnungsbedürftigen Rollenkonstellation vor.25

      Diese Konstellation ist darüber hinaus verwoben und in ihrer Standfestigkeit zusätzlich beeinträchtigt durch die Hauptamt-Ehrenamt-Polarität. „Die Ehrenamtlichen sind das Andere des professionellen Systems. Für Profis sind alle anderen eben zuerst einmal Nicht-Profis […]. Die Hauptamtlichen stehen ihnen zudem gegenwärtig in einer merkwürdigen Mischung aus Überlegenheit und Abhängigkeit gegenüber.“26 An dieser Stelle soll zum „neuen Ehrenamt“ nur so viel gesagt werden: Die „Marktposition“ der Ressource des freiwilligen Engagements steigt enorm in einer gesellschaftlichen Situation, in der viele Initiativen, Großorganisationen und Körperschaften um sie werben. Von Kommunen bis zu Sportvereinen, von Kirchen bis zu Verbänden der freien Wohlfahrt, von Stadtteilinitiativen bis zu Parteien und Gewerkschaften – alle sind erpicht darauf, diese Ressource „anzuzapfen“. Das vielfältige freiwillige Engagement in der Flüchtlingshilfe ist dafür das beste Beispiel. Insofern spricht Bucher zu Recht von „Abhängigkeit“. Im Kontext Kirche ist wichtig: Die Menschen, um die es hier geht, sind nicht zuerst potenzielle Ehrenamtliche, sondern erst einmal und vor allem Glieder des Volkes Gottes. Jede/r von ihnen hat eine individuelle Berufung durch Gott (GS 3). Wie ihre hauptamtlichen Partnerinnen und Partner sind sie fundamental berufen zur Pastoral in Zeit und Welt.

      Die Fortbildungspraxis im Bistum Aachen ist wie vielerorts von einer weitgehenden Separierung des Lernens von Hauptberuflichen hier und Ehrenamtlichen dort geprägt. Das liegt teilweise an praktischen Gründen wie den unterschiedlichen Zeitkorridoren. Das hat auch inhaltlich berechtigte Gründe, da manche Inhalte in der Tat gewinnbringender nicht in „Koedukation“ zu lernen sind. Der Effekt verkehrt sich allerdings dort ins Gegenteil, wo Gruppen mit hoher Verantwortung wie z. B. die Vorstände des Synodalgremiums auf Ebene des pastoralen Raumes, das „Planungs- und Entscheidungsorgan in allen grundlegenden Fragen der Pastoral“ (Satzung, § 3, 1) ist, nicht systematisch gemeinschaftlich trainiert und geschult werden. Das Projekt „Verantwortung teilen“ geht dieses Desiderat offensiv an und erklärt diese gemischten Teams zur Kernzielgruppe seines Bildungsprogramms.

      Da das Projekt in der Hauptabteilung Pastoral/Schule/Bildung („Seelsorgeamt“) angesiedelt ist, wird von Anfang an die Kooperation mit der Nachbarhauptabteilung „Pastoralpersonal“ gesucht. Das Bildungscurriculum wird gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Fortbildung für die pastoralen Dienste entwickelt. Wenn auch die konkret durch die Bildungsmaßnahmen angesprochene Zielgruppe fest umrissen und damit begrenzt ist, so hat das Projekt dennoch den Anspruch, paradigmatisch zu lernen. Es soll vor dem Hintergrund der Gesamt- pastoralentwicklung des Bistums einerseits Lernimpulse in andere Bereiche der Pastoral geben, z. B. die Pastoral im Feld des Gesundheitswesens, die angesichts von Herausforderungen wie Seelsorge-Nachtrufbereitschaft in Krankenhäusern oder Hospizdienste ebenso neue Wege mit freiwillig Engagierten gehen muss und teilweise schon geht. Andererseits ist „Verantwortung teilen“ offen, von Anderen zu lernen, z. B. von den bewährten Schulungs- und Begleitkonzepten der Telefon- und Notfallseelsorge.

      3. BEWERTUNG DES PROJEKTERTRAGS

      Die hier vorgenommene Projektbewertung findet genau zum Ende des dreijährigen Projekts (1. Mai 2013 – 30. April 2016) statt. Nach einer Vorbereitungsphase mit intensiven Hospitationen der ZAP-Mitarbeiterin an relevanten Orten umfasst die Durchführungsphase vor allem die Erarbeitung, Durchführung und Evaluation von zwei Jahresprogrammen „Verantwortung teilen“ (2. Halbjahr 2014/1. Halbjahr 2015 und 2. Halbjahr 2015/1. Halbjahr 2016). Zunächst einige quantitative Daten: Mit den verschiedenen Kursen der beiden Programme werden in zwei Jahren 149 TeilnehmerInnen erreicht. Diese absolvieren insgesamt 394 Teilnehmertage. Von den TeilnehmerInnen sind 98 freiwillig Engagierte und 51 hauptberuflich Tätige. Es ergibt sich also ziemlich genau ein Verhältnis von 2/3 Ehrenamtlichen zu 1/3 Hauptberuflichen. Fragt man, wie weit das Programm die 71 pastoralen Räume im Bistum Aachen erreicht hat, so lässt sich feststellen, dass insgesamt 15 Gemeinschaften der Gemeinden in Kurse involviert waren, sei es mit ihrem GdG-Rats-Vorstand oder einem „Team besonderer Leitung“ oder auch einem sogenannten „Tandem“ aus je einem hauptberuflich und ehrenamtlich Engagierten. Somit werden 21% der pastoralen Räume durch das Programm erreicht.

      Aus der Sicht des Bistums Aachen stellt sich diese quantitative Quote als Erfolg dar. In diese Bewertung fließt ein, dass es in jedem dieser Fälle um gemeinschaftliches Lernen von freiwillig Engagierten und hauptberuflich Tätigen geht, d. h. alle Wege, verpflichtende Teilnahmen zu inszenieren, sind verbaut. Alle Teilnahmen sind Ergebnis von Dialog- und Aushandlungsprozessen vor Ort, in denen sich die Akteure darauf einigen, das Wagnis eines solchen gemeinsamen Lernweges einzugehen. Es ist also bei dieser Art des Lernens keine „hierarchische Steuerung“ denkbar, sondern es kann immer nur um „Kontextsteuerung“ gehen. Damit wird deutlich, dass dort, wo in einem pastoralen Raum die Kommunikation schlecht und die maßgeblichen Akteure entweder miteinander zerstritten oder kaum in Kontakt sind, kein Boden dafür bereitet ist, sich auf eine solche Weiterbildungseinladung einzulassen. Es wird eine Herausforderung für das Bistum Aachen sein, genauer zu evaluieren, welche Bedingungen förderlich sind für die Entscheidung zur Teilnahme, um von da aus zu fragen, wie man an mehr Orten solche Bedingungen schaffen kann.

      Mit Blick auf die strategischen Zielsetzungen lässt sich festhalten: Die gewünschte Signalwirkung hat sich eingestellt. Das Label „Verantwortung teilen“ ist im Bistum bekannt, relevante Gremien auf Diözesan- und Regionalebene wie Priesterräte, Pastoralräte, Katholikenräte sind mit dem Programm vertraut. Es ist aus den Evaluationen der TeilnehmerInnen deutlich ersichtlich, dass das Ziel, nicht nur über Partizipation zu reden, sondern im Lernprozess selber Partizipation zu leben, erreicht worden ist. Alle Teilnehmenden, insbesondere aber die aus dem Kreis der freiwillig Engagierten, äußern sich sehr positiv darüber, dass und wie alle Ressourcen und Talente in ihrer Perspektivenvielfalt geschätzt und nicht etwa als Problem betrachtet werden. Im Vollzug ereignet sich so, was von der Anlage her behauptet wird. Die Lernmethoden haben es vermocht, den Sprung von theologischer Theorie in die pastorale Praxis zu schaffen. Eine theologische Zentralchiffre wie das „gemeinsame Priestertum der Gläubigen“ wird so im Fortbildungsvollzug erlebbar, dass es die Teilnehmenden inspiriert, in ihren jeweiligen Arbeitskontexten vergleichbar zu agieren. Die Passgenauigkeit von Inhalten und Methoden der angebotenen Kurse wird wesentlich durch die Mitwirkung des „Zentrums für angewandte Pastoralforschung“ abgesichert. Dies geschieht in der Anfangsphase des Projekts u. a. durch ausführliche Hospitationen sowie Interviews der ZAP-Mitarbeiterin mit relevanten Akteuren im Feld. Es folgt eine qualifizierte quantitative empirische Erhebung bei 21 freiwillig Engagierten in Pfarreien des Bistums, die nach besonderen Leitungsformen geführt werden. Die freiwillig in den Leitungsteams von vier Pfarreien, die nach c. 517 § 2 CIC/1983 geleitet werden, sowie drei weiteren Pfarreien, die nach dem Aachener Konzept der „Gemeindeleitung in Gemeinschaft“ geleitet werden, können u. a. zu erlebten Stärken und Schwächen im ehrenamtlichen Engagement und zu Weiterbildungswünschen antworten.27 Die Ergebnisse ermöglichen es, für diese sieben Leitungsteams passgenaue Fortbildungsbausteine zu entwickeln und in Kursen zu erproben.

      Es kann nach drei Jahren konstatiert werden, dass der gesamte Bildungsansatz, um ein Wort von Karl Rahner aufzugreifen, so etwas wie der „Anfang eines Anfangs“ ist. Die Frage der Vertiefung stellt sich ebenso wie die der Nachhaltigkeit. Damit wird das Augenmerk der Bewertung auf das zweite strategische Hauptziel gelenkt, nämlich das gemeinschaftliche Lernen von hauptberuflich in der Pastoral Tätigen, insbesondere aus den vier Seelsorgeberufen, und den in verschiedenen Funktionen freiwillig Engagierten. Insgesamt kann aus den Rückmeldungen geschlossen