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Wie lernt Kirche Partizipation


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schon vorher gelebte Praxis. Sie wird über das Programm „Verantwortung teilen“ vertieft und qualifiziert. Die Tatsache, dass eine qualitativ hochwertige Pastoral heute nur in der Verschränkung professioneller und freiwilliger Perspektive erzielbar ist, steht für diese Gruppen außer Frage. Anders stellt sich das Bild bei den im Kursgeschehen involvierten Vorständen der Synodalgremien auf Ebene der pastoralen Räume dar. Auch hier sind in der Evaluation einhellig die Stimmen sehr angetan vom gemeinsamen Lernweg. Dieser kommt jedoch nicht in allen Fällen komplett zustande, d. h. in Einzelfällen ist es nur teilweise möglich, die hauptberuflich im Vorstand vertretenen Priester, Gemeinde- sowie Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten zur Teilnahme zu bewegen. Als Grund wird meistens die Arbeitsbelastung vor allem am Wochenende genannt. Die Kurse können jedoch wegen der beteiligten Ehrenamtlichen nur am Wochenende stattfinden. Aber es liegen auch Beobachtungen vor, die darauf hindeuten, dass es für die hauptberuflich Tätigen noch nicht selbstverständlich ist, in dieser Verbindlichkeit sich einem gemischten Lernsetting auszusetzen und im konkreten Lernen den viel beschworenen Umgang „auf Augenhöhe“ zu praktizieren.

      Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich diese Lernkonstellation weiter entwickelt. Sie führt an den neuralgischen Punkt von eingeübten Mustern getrennten Lernens sowie all den Phänomenen einer auch im Seelsorgedienst hoch professionalisierten Kirche, die mit der Versuchung zu kämpfen hat, dass die Professionellen wegen ihrer fachlichen Expertise und ihres Informationsvorsprungs nicht nur zu wissen glauben, wo es lang gehen soll, sondern den Weg auch gerne mal beschreiten, ohne lange zu fragen. Stellt man auf der anderen Seite die steigenden zeitlichen Beanspruchungen vieler freiwillig Engagierter in Rechnung, so tut sich eine Spannung auf, die der je situativen Aushandlung von Partizipationsgraden und -bereichen bedarf. In Fortführung des Gedankens von Rainer Bucher kann man hier von einer wechselseitigen Abhängigkeit der Professionellen und der Freiwilligen sprechen.

      In der Summe kann das Projekt sowohl aus der Perspektive des Bistums Aachen als Projektträger als auch der Teilnehmenden als ebenso notwendige wie erfreuliche Stärkung auf dem Weg hin zu einer Pastoral des Volkes Gottes bezeichnet werden. Die positive Resonanz gibt Schwung. Die konstruktiv-kritischen Hinweise auf dem dreijährigen Weg lenken die Aufmerksamkeit auf Entwicklungspotenziale. Die dezidierte Beteiligung der wissenschaftlichen Theologie in Gestalt des „Zentrums für angewandte Pastoralforschung“ hat sich für die Praxis ausgezahlt. Als Kunde des ZAP hat das Bistum Aachen von dessen Theorieinput ebenso wie von seiner Praxisreflexion profitiert. Das Team der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zentrums war ein wichtiger externer Resonanzraum für das Aachener Projekt. Seine Fremdwahrnehmung hatte eine korrektive und inspirative Funktion. So vollzog sich im Projektverlauf das, was wissenschaftstheoretisch vom ZAP als Basisverständnis seines Vorgehens grundgelegt ist, nämlich „Pastoraltheologie explizit als angewandte Wissenschaft zu betreiben“28. Dies spezifiziert Matthias Sellmann, der Direktor des Zentrums, wie folgt:

      „Die Arbeit am ZAP hat zum Ziel, (a) explizite vertraglich festgelegte und wechselseitig finanzierte Kooperationsprojekte mit kirchlichen Entscheidern zu realisieren, die (b) zu bestimmten Beratungen, Innovationen und Interventionen im kirchlichen ‚Betrieb’ führen und die (c) generell auf einer Verbesserung und Optimierung kirchlicher Organisation abzielen.“29

      Das Wissenschaftskonzept des ZAP setzt sich offensiv mit den Strömungen in der praktischen Theologie auseinander, die im direkten Praxiskontakt – insbesondere mit Aggregaten des Katholischen in Gestalt von Diözesen – die Gefahr des Rückfalls in eine „Ancilla-Mentalität“ sehen und um die kritische Potenz der Volk-Gottes-Ekklesiologie gegenüber kirchlichen Institutionen fürchten. Gestützt auf den amerikanischen Pragmatismus, maßgeblich in Gestalt von Charles S. Peirce, plädiert Sellmann demgegenüber für problemlösende Interaktionen zwischen Theoretikern und Praktikern, zwischen Wissenschaft und kirchlicher (Macht-)Realität. Summarisch hält er fest:

      „Der Gegenstand einer angewandten Pastoraltheologie Bochumer Prägung ist die wissenschaftlich reflektierte und initiativ getestete Frage nach den durchsetzungsstärksten Bedingungen der Möglichkeit, Christentum kulturell und strukturell antreffbar machen zu können; ihr Materialobjekt ist die ‚erfolgreiche’ Organisation des Christseins durch kirchliche Vollzüge.“30

      Der Autor dieses Beitrags muss sich natürlich in seiner Rolle als Kunde des ZAP zunächst einmal für befangen erklären. Als in einer pastoralentwicklerischen Funktion einer Diözese tätiger Pastoraltheologe kann er jedoch seine Sympathien für diesen wissenschaftstheoretischen Ansatz nicht verhehlen. Auch wenn er es so wahrnimmt, dass die „wissenschaftliche Reflexion durch die vitale intensive und berührungsangstfreie Kooperation mit entscheidungsmächtigen Akteuren ihre Unabhängigkeit“31 im besprochenen Projekt nicht verloren hat, möchte er das endgültige Urteil darüber doch Außenstehenden überlassen.

      4. HERAUSFORDERUNGEN

      Nach drei Jahren Projektstatus geht es nun um die Überführung von „Verantwortung teilen“ in die ausschließliche diözesane Zuständigkeit. Insofern gibt es eine Fülle konkreter Herausforderungen: die Gestaltung eines attraktiven bedarfsorientierten dritten Bildungsprogramms; die Intensivierung des „Kundenkontakts“, d. h. das Werben für ein Sich-Einlassen auf die Projektangebote in den pastoralen Räumen und bei relevanten Akteuren sowohl aus dem freiwilligen Engagement als auch dem beruflichen Feld; die weitere Sicherung der finanziellen Mittel zur Durchführung der Maßnahmen und vieles mehr.

      Entscheidend wird jedoch sein, ob es gelingt, der Vision einer entschieden synodalen Kirche zum Durchbruch zu verhelfen; ob es gelingt, verschiedene Habitus miteinander in einen wechselseitig kritischen Dialog zu bringen; ob es gelingt, Kirche neu auszubalancieren, ohne dass sich einige nur als Verlierer fühlen. In seiner Ansprache zum 50jährigen Jubiläum der Bischofssynode im Herbst 2015 führte Papst Franziskus programmatisch zur Synodalität aus, es gebe einen Glaubenssinn der Gläubigen, der „verhindert streng, zwischen Ekklesia docens und Ekklesia discens zu unterscheiden, zumal auch die Herde über eine eigene ‚Witterung‘ verfügt, um die neuen Wege zu unterscheiden, die der Herr der Kirche auftut“32. Der Papst bezeichnet den Weg der Synodalität als den, der von der Kirche dieses 3. Jahrtausends verlangt wird und er betont:

      „Wenn wir verstehen, dass, wie der heilige Johannes Chrysostomos sagt, ‚Kirche und Synode Synonyme sind‘ (Explicatio in Ps 149, PG 55, 493) – weil die Kirche nichts anderes ist als das ‚gemeinsame Gehen‘ der Herde Gottes auf den Wegen der Geschichte Christus dem Herrn entgegen – dann verstehen wir auch, dass in ihrem Inneren niemand über die anderen ‚erhoben‘ sein kann.“33

      Es ist nicht sehr gewagt, die Synodalität zum Testfall der Zukunftsfähigkeit der Katholischen Kirche in unseren Breiten zu erklären. Auch die Trierer Diözesansynode scheint das so zu sehen, wenn sie als einen von vier fundamentalen „Perspektivwechseln“ in ihrem Abschlussdokument formuliert: „Das synodale Prinzip bistumsweit leben.“34 Dazu müssen sich Viele an vielen Orten bewegen. Auf das Projekt bezogen heißt die Herausforderung, die Hermeneutiken und Praxen derer, die primär vom freiwilligen Engagement her denken und agieren und derer, die zunächst eine Verantwortung für das pastorale Personal haben, noch intensiver miteinander zu verschränken. In der Folge wären die Felder gemeinschaftlichen Lernens weiter auszuloten.

      Die ganze Herausforderung wird für das Bistum Aachen nur zu bewältigen sein, wenn sie auch mit ihrer spirituellen Sprengkraft zugelassen wird. Auch für das Wegstück „Verantwortung teilen“ gilt, was zu Beginn des bis heute andauernden „Prozesses Weggemeinschaft“ der damalige Bischof Klaus Hemmerle sich und allen mit auf den Weg gegeben hat:

      „Die Methode des Prozesses Weggemeinschaft ist bestimmt vom anderen Stil des Evangeliums. Nicht nur das Was, sondern auch das Wie dieses Prozesses nimmt Maß am Evangelium. Bloßes ‚Durchdrücken’ der eigenen Vorstellungen und Meinungen widerspräche diesem Ansatz. Die Torheit und Ohnmacht des Kreuzes, das ‚ Sein wie die Kinder‘ sind entscheidend für die Alternative des Evangeliums, um die es uns geht.“35

      1 Vgl. HEMMERLE, Klaus: Fastenhirtenbrief 1989, in: Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 59 (1/ 1989), S. 1-3.

      2 Vgl. HILBERATH, Bernd Jochen (Hg.): Communio –