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Wie lernt Kirche Partizipation


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Perspektive einer stärkeren Partizipation durch freiwillig Engagierte verbunden. In diesem Zusammenhang wird immer wieder betont, dass freiwillig Engagierte zu qualifizieren seien, etwa für die Mitwirkung in lokalen Leitungsteams. Demgegenüber finden die Fragen, wie dieses methodisch und inhaltlich und mit welcher Begründung zu erfolgen habe, in der bisherigen Forschungsliteratur kaum nähere Beachtung. Diese Fragen zu stellen, scheint aber mehr denn je ein Gebot der Stunde zu sein; nicht zuletzt aufgrund mancher „Fallen“, die den Weg zu einer „partizipativen Kirchenentwicklung“ gefährden können: Etwa dann, wenn Lernprozesse bezüglich Partizipation in den Sog der Instrumentalisierung für bestimmte institutionell vordefinierte Aufgaben und Ziele geraten, was gerade zum Gegenteil von echter Partizipation führen kann. Demgegenüber ist das Thema Partizipation in seiner Relevanz für die Subjektwerdung des Menschen, seine Identität und Lebensgestaltung freizulegen. Erst wenn die Selbstorganisation von Christinnen und Christen vor Ort an erster Stelle steht, wird Partizipation zu einer echten Entwicklungsperspektive für die Kirche. Und nur dort, wo Antworten nicht darauf abzielen, die Lücken zu füllen, die durch fehlende hauptberufliche Ressourcen entstehen, beginnt ein tiefgreifender Lernprozess auf Augenhöhe.

      Der vorliegende Band greift das Zusammenspiel von Partizipation und Bildung in der Kirchenentwicklung auf und beleuchtet die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven. Auf diese Weise findet zugleich das Forschungsprojekt des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (Ruhr-Universität Bochum) mit dem Titel „Verantwortung teilen“, in dessen Rahmen partizipatorische Lernprozesse im Bistum Aachen angestoßen und profiliert wurden, seinen Abschluss. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden in Teil 1 aus Forschungs- und Bistumsperspektive dokumentiert und schließlich in den Horizont weiterer wissenschaftlicher Diskussionen und praktischer Erfahrungen gestellt. In Teil 2 werden grundlegende Zugänge zum Thema Partizipation eröffnet, und zwar in pastoraltheologischer, organisationaler, pastoral- psychologischer und religionspädagogischer Hinsicht. Anschließend werden in Teil 3 die Ergebnisse der im Bistum Aachen durchgeführten empirischen Untersuchung zur Frage nach (Weiter-)Bildungsbedarfen aus der Sicht von freiwillig Engagierten in Leitungsteams dargestellt und theologisch unter die Lupe genommen. Teil 4 präsentiert die Architektur des Bildungscurriculums „Verantwortung teilen“ mit besonderem Schwerpunkt auf Teamkultur, Leitung, Facilitation und Exposure. Um die Lernplattform zu erweitern, kommen in Teil 5 Praxiserfahrungen zum Zusammenspiel von Leitungsteams, Partizipation und Bildung in der Kirchenentwicklung zur Sprache. Während in Teil A die Erfahrungen aus deutschsprachigen Bistümern, namentlich Osnabrück, Linz und Hildesheim dargestellt werden, bezieht sich Teil B auf die internationalen Erfahrungen aus Frankreich, den Philippinen, aus Südafrika, Brasilien und Mexiko. In Teil 6 kommen schließlich Zwischenrufe aus dem Bereich des Sports, des Journalismus‘ und des Freiwilligenmanagements zu Wort. Teil 7 gibt zum Schluss einen Ausblick, indem einerseits die Grenzen und Chancen von Bildungsmaßnahmen beleuchtet und andererseits Thesen zu einer Kirchenentwicklung als Teil einer Gesellschaftsentwicklung aufgestellt werden. Schließlich stellt das Schlusswort den „springenden Punkt“ in der Frage nach Partizipation im Kontext von Kirchenentwicklung heraus, der gewissermaßen hinter allen institutionellen Partizipationsmaßnahmen zu stehen hat, wenn diese glaubwürdig sein wollen.

      Die 27 Beiträge, in denen die Vielschichtigkeit der Frage „Wie lernt Kirche Partizipation?“ ansichtig wird, lassen den vorliegenden Band durch das Wechselspiel von Theorie und Praxis zu einem Studier- und Erfahrungsbuch für alle werden, die sich von den unterschiedlichen Lernwegen zu einer „partizipativen Kirchenentwicklung“ inspirieren lassen wollen.

      Mein großer Dank gilt allen, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben: insbesondere den freiwillig Engagierten und hauptamtlich Tätigen sowie meinen Projektpartnern Martin Pott und Bernd Wolters im Bistum Aachen, Matthias Sellmann und Andreas Henkelmann sowie meinen Kolleginnen und Kollegen am Zentrum für angewandte Pastoralforschung. Dem Echter-Verlag danke ich für die gute Zusammenarbeit und die Aufnahme des Bandes in die Reihe „Angewandte Pastoralforschung“. Außerdem bedanke ich mich für die engagierte Mitarbeit aller Autorinnen und Autoren dieses Bandes, die das Thema durch ihre hohe Fach- und Erfahrungskompetenz bereichern. Für die zuverlässige und sorgfältige Redaktions- und Lektoratsarbeit danke ich Stefan Kaiser. Ohne die ausgesprochen gute Zusammenarbeit mit ihm wäre das Buchprojekt in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu bewerkstelligen gewesen. Für die geduldigen Feinschliffe danke ich Monika Wittmann. Schließlich gilt mein Dank Nikola und Anita Prkačin für den ermutigenden „Spirit“ (U sjećanju na Zagreb).

      I. Auf dem Weg zu einer partizipativen Kirche im Bistum Aachen – Das Projekt „Verantwortung teilen“

       Elisa Kröger

       Herausforderung „Partizipation“

       Das Projekt „Verantwortung teilen“ aus Forschungsperspektive

      1. EINFÜHRUNG

      Pfarreien sind Orte, in denen sich derzeit die aktuellen Herausforderungen der Pastoral wie unter einem Brennglas beobachten lassen. Einer ihrer zentralen Kristallisationspunkte sind die synodalen Räte, pastoralen Gremien und Leitungsteams. Denn ihre Aufgabe ist es, mit einer Kurzformel von Bernhard Spielberg gesagt, „die Verantwortung dafür [zu tragen], dass die Kirche vor Ort am Leben bleibt“1 oder pointierter, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes „am Leben dran“2 bleibt. Diese Aufgabe, die nicht selten hinter dominanten Strukturprozessen der Bistümer zurücksteht, ist umso heraus-fordernder, als besonders die Pfarreien an der diagnostizierten „Milieuverengung“ leiden.3 Michael N. Ebertz stellt fest, dass sich immer mehr, vor allem jüngere Menschen, in zunehmender „Distanz, ja in absoluter Beziehungslosigkeit zum kirchlichen Leben […]“4 befinden. Ob Pfarreien also Orte sind – oder zu solchen werden –, die am Leben von – auch jüngeren – Menschen „dran“ bleiben, steht vielerorts gerade infrage und hängt nicht nur von Strukturprozessen ab, sondern vor allem davon, ob, mit Rainer Bucher gesprochen, die „Außenperspektive als mögliche Innovationsperspektive“5 ernst- und wahrgenommen wird. Erforderlich dazu ist eine Umkehr, auch und gerade im Hinblick auf die aktuell vielseitig gestellte Frage nach einer verstärkten „Partizipation“ durch freiwillig Engagierte6: So etwa die Umkehr von einer in der Logik der Aufgabenorientierung verhafteten Vorstellung von Partizipation, die vorwiegend auf bestehende Strukturen beschränkt bleibt und sich beinahe ausschließlich danach ausrichtet, die gewohnten Aufgaben der Pfarrei, die bisher vorwiegend die Pfarrer und die Hauptamtlichen erfüllt haben, nun als Erbe an freiwillig Engagierte abzugeben, damit es weitergehen kann wie bisher, hin zu einem Verständnis von Partizipation, in dessen Zentrum das Subjektsein und die Freiheit von Christinnen und Christen stehen, die am Leben von Menschen „dran bleiben“, also daran teilhaben. Dazu ist allerdings erforderlich, auf die Plätze hinauszugehen, an denen sich das Leben mit seinen unterschiedlichen Situationen zwischen „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ (GS 1) abspielt. Damit solche Umkehrprozesse gelingen, braucht es gemeinsame Erfahrungs- und Lernräume – auch und gerade an Orten, an denen die Beharrungskräfte und Überforderungsgefühle besonders groß sind, und das heißt nicht nur, aber auch in Pfarreien, ihren Gremien, Räten und Leitungsteams. Worauf es in Zukunft ankommen wird, ist die Eröffnung von solchen Laboratorien, in denen Neues ausprobiert wird, wovon auch die Forschung der Praktischen Theologie etwas lernen kann. Zu den Rahmenbedingungen solcher innovationsförderlichen Laboratorien gehören insbesondere Selbstorganisation, Freiheit, Experimentierfreudigkeit, eine zuträgliche Fehler- und Wertschätzungskultur sowie Teamarbeit.7

      Erste Versuche in diese Richtung wurden im Rahmen des Projekts „Verantwortung teilen“ unternommen, das in Kooperation zwischen dem „Zentrum für angewandte Pastoralforschung“ (kurz: ZAP) der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und dem Bistum Aachen initiiert wurde. Das Projekt widmet sich einem neuralgischen Punkt gegenwärtiger Pastoral, nämlich der Frage nach der Partizipation durch freiwillig Engagierte in Gremien, Räten und Leitungsteams (sowie darüber hinaus), und zwar inmitten der pastoralen Herausforderungen, die sich gegenwärtig stellen. Damit bewegt sich das Projekt von Anfang an in einem Spannungsfeld zwischen vorgegebenen Strukturen einerseits und den Fragen innovativer Kirchenentwicklung