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Wie lernt Kirche Partizipation


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nie das ganze Volk Gottes, das gilt auf pragmatischer wie auf grundsätzlicher Ebene. Pragmatisch gesehen gilt: Nicht-hauptamtliches Handeln besitzt gegenüber dem hauptamtlichen Handeln spezifische Nachteile (mangelnde Erfahrung, Ausbildung, Zeit), aber auch viele Vorteile: Es ist spontaner, seine Träger und Trägerinnen sind pluraler, sie sind institutionsunabhängiger, weil nicht über Alimentation und Recht steuerbar. Nicht-hauptamtliches Handeln in der Kirche kann also schon von seiner Grundstruktur her ein wichtiges Innovationspotential darstellen, wenn nicht genau dies, Innovationspotential zu sein, von den Hauptamtlichen verhindert wird.“16

      Eine solche Perspektive verlangt hinsichtlich der einst selbstverständlich erlernten Habitus ‘ tiefgehende Veränderungsprozesse – nicht zuletzt in Bezug auf das erlernte Zueinander von Hauptamtlichen und freiwillig Engagierten.

      In diesem Sinne beschreibt das größere Ziel des Projekts einen Kulturwandel des Kircheseins. Dazu braucht es – über das dreijährige Projekt hinaus – vor allem Zeit. Aus diesem Grund definiert sich das zeitnahe Projektziel zunächst und zuerst nur dadurch, in Bezug auf die Frage nach Partizipation durch freiwillig Engagierte eine Plattform des Lernens für den Erfahrungs- und Wissensaustausch im Bistum Aachen zu schaffen. Um im Ansatz nicht der Versuchung einer Top- down-Logik zu erliegen, wird immer wieder der ehrliche Dialog mit möglichst vielen freiwillig Engagierten und hauptamtlich Tätigen in den Gemeinschaften der Gemeinden, Gremien, Leitungsteams und kirchlichen Einrichtungen gesucht: Welche „Zeichen der Zeit“ (GS 4) zeigen sich uns? Welche Sehnsucht tragen wir in uns? Wo erleben wir die „kreative Konfrontation von Evangelium und heutiger Existenz“17 – und wo gerade nicht (mehr)? Worin liegen die sozialen, kulturellen und politischen Herausforderungen, denen wir uns als Christinnen und Christen zu stellen haben? Welche Chancen liegen im Teamsein? Wie verstehen und ergreifen wir Partizipation – und wie nicht? Um immer wieder ins Hören zu kommen und Erfahrungen auszutauschen, wird eine Begleitgruppe aus freiwillig Engagierten und hauptamtlich Tätigen des Bistums Aachens gegründet. Daneben werden in Kooperation mit dem Diözesanrat der Katholiken zwei kirchliche „Events“ im größeren Format mit Workshops zu unterschiedlichen Themen (wie etwa Berufung und Charisma, Partizipation, Gründung von Neuem u. v. m.) organisiert, zu denen alle Frauen und Männer des Bistums Aachen, die sich in GdG- Räten und ihren Vorständen, sowie in Pfarrei- und Gemeinderäten engagieren, eingeladen waren. Durch die Art und Weise der Durchführung, das heißt zum Beispiel die Auswahl der Orte, die Einladung von externen Impulsgebern, die kreative Gestaltung von Workshops, die musikalische Begleitung der gesamten Veranstaltung usw. sollte erleichtert werden, neue Perspektiven einzunehmen. In einem weiteren Arbeitsansatz des Projekts dienten unterschiedliche Instrumente der empirischen Sozialforschung dazu, möglichst viele Stimmen zu Gehör zu bringen und eine Kultur des Feedbacks einzuüben. Darüber hinaus setzt sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin selbst immer wieder verschiedenen Orten im Bistum Aachen aus, um hinzuhören und dadurch andere zu Wort kommen zu lassen. Denn entscheidend ist, dass so viele Menschen wie möglich von Projektbeginn an (!) am Prozess einer sogenannten „partizipativen Kirchenentwicklung“ teilhaben, damit sie nicht zu bloßen Objekten, sondern im Gegenteil von Anfang an als partizipierende Subjekte und als wichtige ImpulsgeberInnen ernstgenommen werden.

      3.1 VORGEHENSWEISE

      Das 2013 gegründete ZAP versteht sich als Schnittstelle zwischen Praktischer Theologie und den Entscheidungssituationen der Pastoralplanung in den Bistümern. Die Praktische Theologin verlässt gewissermaßen ihren Schreibtisch und begibt sich in die unmittelbare Praxis hinein, sodass die Forschung in einem permanenten Wechselspiel zwischen Theorie und Praxis stattfindet. In diesem Sinne strukturiert folgender methodischer Dreischritt den Projektablauf: Am Anfang steht das „Z“ wie „Zuhören“. Die Praxis wird als Lernort verstanden. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin setzt sich verschiedenen Orten im Bistum Aachen aus und hört hin: Welche Fragen stellen sich? Welche Herausforderungen zeigen sich in der Stadt oder auf dem Land? Welche Grundhaltungen und Handlungsschwerpunkte prägen die Pastoral der GdG? Was gelingt wo, wie und warum (nicht)? Die aus dem Praxisfeld gewonnenen Fragen und Erkenntnisse werden dann mit den Feldern theologischer, pädagogischer und sozialwissenschaftlicher Diskurse korreliert: Das „A“ steht für „Austauschen“. Das Thema wird aus dem Praxisfeld gewonnen und daraufhin reflektiert. Im Spannungsfeld dieser zwei Pole sollen schließlich Instrumente des Wissenstransfers „produziert“ werden, wofür das „P“ steht.18 Im Bistum Aachen lautet der Projektauftrag, ein Bildungscurriculum zur Unterstützung für freiwillig Engagierte (und hauptamtlich Tätige) zu entwerfen, die in unterschiedlicher Weise gemeinsam Verantwortung wahrnehmen.

      Im Rahmen des Projekts „Verantwortung teilen“ kann nach drei Jahren unterdessen retrospektiv gesagt werden: Die Kraft eines Projekts liegt vor allem im vorbehaltlosen (Hin-)Hören, das heißt in einer empfänglichen, absichtslosen und irritationssensiblen Grundhaltung des Lernens einerseits und in der Praxis von „Exposures“, wie auch empirischer Forschungen, durch die möglichst viele Stimmen zu Wort kommen können, andererseits. Hören ist unterdessen „mehr“ als ein methodisches Instrument. So gesehen hat das Hören nicht nur am Anfang zu stehen, sondern das gesamte Projekt als ständige Herausforderung der kritischen „Relecture“ zu durchzuziehen. Nicht nur, dass sich im Hören so etwas wie ein entscheidender Einsatzpunkt für das Prinzip der Synodalität verbirgt, sondern auch, dass es das „P“ – den anfänglichen Projektauftrag – in gewisser Weise übersteigt, wird noch aufzuzeigen sein.

      3.2 INSPIRATIONSQUELLE UND KORREKTIV: WELTKIRCHLICHE ERFAHRUNGEN

      Die persönlichen Exposure-Erfahrungen – etwa auf den Philippinen, in der österreichischen Diözese Linz oder in Chicago – werden zu Inspirationsquellen und insbesondere zu einem kritischen Korrektiv für die Entwicklungen im Projekt „Verantwortung teilen“. In der Begegnung mit unterschiedlichen Entwicklungen, wie sie derzeit in einigen Kontexten der Weltkirche erlebt und beobachtet werden können, wird immer wieder deutlich, dass Partizipation hier nicht einfach Gegenstand des Lernens, sondern Ursprung und Vollzug eines umfassenden Prozesses gemeinsamen Lernens „auf Augenhöhe“ ist. Besonders in den Workshops mit dem Team des Pastoralinstitutes Bukal Ng Tipan in Manila wird erfahrbar, wie das, worum es geht, Partizipation, auch in den methodischen und liturgischen Vollzügen verwirklicht wird. Anders gesagt: Die Vision einer partizipativen Kirchenentwicklung lässt sich – auch in Form von Bildung – nicht einfach „top down“ durchsetzen oder „antrainieren“. Im Gegenteil würde sie durch jede ungute Subjekt-Objekt-Konstellation bereits von Beginn an konterkariert und im Keim erstickt. Der Weg zu einer partizipativen Kirchenentwicklung ist vielmehr von Beginn an synodal (von griechisch Σύνοδος, synodos: die Versammlung, gemeinsamer Weg, Σύνοδία, synodia: die Reisekarawane): Menschen können ihn nur gemeinsam als Subjekte entdecken und gehen.19

      Weltkirchliche Entwicklungen können nicht einfach eins zu eins kopiert werden. Es geht darum, sich selbst auf einen Weg des Lernens einzulassen. Auf das Projekt hin formuliert: Aachen ist Aachen und man darf gespannt sein, welche Entdeckungs- und Gründungsprozesse in Sachen partizipativer Kirchenentwicklung möglich werden, wenn Menschen von Anfang an als Subjekte partizipieren, so, wie viele es ja in ihrem alltäglichen Leben als Ausdruck ihrer Freiheit zumeist schon selbstverständlich tun.

      3.3 THEOLOGISCHE LEITLINIE DES PROJEKTS

      Theologische Leitlinie und geistliche Orientierung des Projekts ist das Sakrament der Taufe, das jeder und jedem Einzelnen Würde und Charismen verleiht, sowie neue Formen des Christseins vor Ort begründet. Wann und wo auch immer die fehlenden Ressourcen etwa von Priestern oder hauptamtlich Tätigen in einen Zusammenhang mit der Entwicklung einer partizipativen Kirche gestellt werden, ist Vorsicht geboten. Denn es kann weder nur um die Wiederholung eines „mehr Desselben“ in neuer Besetzung noch um die Bewahrung von kirchlichen Strukturen in größeren Räumen gehen. Das Thema Partizipation ist herauszulösen aus einem verengten Verständnis gemäß einer aufgrund des sogenannten „Priestermangels“ scheinbar notwendig gewordenen Aufgabenteilhabe freiwillig Engagierter. Partizipation muss als Ausgangspunkt und nicht nur als (zu vermittelnder) Gegenstand von pastoralen Prozessen ernstgenommen werden. Die Entwicklung einer partizipativen (Leitungs-)Kultur, in der Getaufte als Subjekte Verantwortung wahrnehmen, ist somit als zentrales Element eines gesamtpastoralen Bewusstseinsprozesses zu begreifen und nicht als Konsequenz