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Wie lernt Kirche Partizipation


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Konkretion. Wie wird praktisch und zugleich praxistauglich, was unter Schlagworten wie Partizipation, Selbstorganisation, gemeinsames Priestertum aller Getauften, „Servant Leadership“, partizipative Kirchenentwicklung usw. firmiert? Dieser Schritt stellt eine der größten Herausforderungen dar, weil dazu vieles, was und wie es zuvor gelernt und liebgewonnen wurde, wieder zu verlernen und Neues zu erlernen ist. Der Schritt von der Theorie in die Praxis erfolgt im Rahmen des Projekts „Verantwortung teilen“ im Wesentlichen über zwei inhaltliche Leitlinien, die sich in den beiden Modulen „Teamkultur“ und „Ermöglichungskultur“ (unter dem Stichwort: „pastorale Entwicklung (an-)leiten“) des Bildungscurriculums konkretisieren. Die methodische Umsetzung verpflichtet sich dem zu vermittelnden Inhalt: der Ermöglichung von Partizipation.

      5.1 TEAMKULTUR

      Rainer Bucher erklärt die Dichotomien zwischen „Laien und Klerikern“ sowie „Hauptamtlichen und sogenannten Ehrenamtlichen“ zu den gegenwärtig „unfruchtbaren wechselseitigen Ressentiments innerhalb des Volkes Gottes“56, und zwar insofern sie in der praktischen Realität für beide Parteien nicht als Gewinn erlebt werden (können). Solcherart unfruchtbare Dichotomisierungen zeigten sich im Bistum Aachen etwa dort, wo die Fortbildungen für Hauptamtliche und freiwillig Engagagierte nicht nur in dem Fall, wo die unterschiedliche Profession es erforderlich macht, sondern auch in dem Fall, dass in der Praxis beide zusammen im Team arbeiten, getrennt organisiert wurde.

      Darüber hinaus ergibt sich auch mit dem Auftrag, über das Projekt „Verantwortung teilen“ Unterstützung für freiwillig Engagierte in Form von Fortbildung zu organisieren, die Gefahr weiterer Dichotomisierungen im Denken und Handeln, nämlich zwischen denen, die scheinbar befähigt werden müssen, um zu partizipieren, und jenen, die fähig sind zu partizipieren bzw. zwischen denen, die Unterstützung brauchen und jenen, die unterstützen. Wo sich diese Subjekt-Objekt-Bezüge im Gegensatz zu einem wechselseitigen Lernen auf Augenhöhe weiter verfestigen und für die Organisation von Bildungsprozessen dominant werden, ist ein Kulturwandel im Sinne partizipativer Kirchenentwicklung nicht möglich. Vielmehr wird es nur dort, wo es zum Auf-Bruch solcher Dichotomisierungen kommt, echten Aufbruch geben können. Freiwillig Engagierte sind nicht die MitarbeiterInnen oder HelferInnen des Pfarrers bzw. der Hauptamtlichen und auch „nicht zuerst ‚Ehrenamtliche‘, sie sind vielmehr von Gott berufene Mitglieder des Volkes Gottes“57 und, so Bucher weiter, als „gemeinsame Mitglieder der Kirche sind wir mehr füreinander als ‚Hauptamtliche‘ oder ‚Ehrenamtliche‘“58.

      Als zentrale Herausforderung stellt sich in diesem Zusammenhang auch heraus, dass freiwillig Engagierte nicht einfach für eine Praxis ausgebildet werden dürfen, die schließlich im Zusammenspiel mit hauptamtlich Tätigen und besonders den Pfarrern gar nicht zum Einsatz kommt bzw. kommen kann – und umgekehrt. Notwendig ist, bewusst zu machen, dass es nicht nur freiwillig Engagagierte sind, sondern auch Hauptamtliche einschließlich der Pfarrer, die gefordert sind zu lernen. Denn das „zentrale Zuordnungsprinzip in der Kirche“ ist „nicht die Über- oder Unterordnung, sondern der Beitrag zur pastoralen Gesamtaufgabe der Kirche“59. Wie dieser Beitrag hingegen erfolgreich umgesetzt werden kann, steht derzeit gerade infrage. Das Projekt fördert daher eine Teamkultur, die bereits im Prozess des Lernens und des Suchens nach Antworten ansetzt. Dazu bedarf es der Einsicht, dass die Heterogenität der Zusammensetzung im Team gerade das Kreativitäts- und Innovationspotenzial eines Teams erhöht. Zusammenfassend gesagt: Differenzierungen sind fruchtbar zu machen sowie kreativ ins Spiel zu bringen und zwar in der Zuordnung auf das, was wieder neu zu lernen ist: die Frohe Botschaft, die wir den Menschen von heute zu verkünden haben.60

      5.2 ERMÖGLICHUNGSKULTUR

      Freiwillig Engagierte und hauptamtlich Tätige, die (gemeinsam) leitende Verantwortung in der Kirche vor Ort wahrnehmen, sei es in Räten, Gremien, Leitungsteams oder darüber hinaus, haben mehr denn je kreative Prozesse pastoraler Entwicklungen zu ermöglichen und „Neues“ zu gestalten als lediglich das Gewohnte zu verwalten.61 Wie aber lernt man, kreative Prozesse (an-)zuleiten? Durch die reine Verordnung von neuen Konzepten werden keine wirksamen Prozesse in der Pastoral initiiert. Insofern kommt es in der Tat auf das Präfix des Verbs „(an-)leiten“ an – verstanden in dem Sinne, dass es darum geht, möglichst vielen Personen zu ermöglichen, an Prozessen von Anfang an zu partizipieren, selbst Entwicklungen anzustoßen und sich auf einen eigenen Lernweg zu begeben. Anders gesagt: Jede bzw. jeder ist im Hinblick auf neue Entwicklungsprozesse in der Pastoral ihre bzw. seine wichtigste Ressource.

      Neben strukturellen Voraussetzungen sind zur Anleitung pastoraler Entwicklungsprozesse im Sinne der Ermöglichungskultur folgende Faktoren notwendig, die das lernende Subjekt in den Fokus stellen. Zum Teil orientieren sie sich an den fünf Disziplinen, die Peter M. Senge als „Kunst und Praxis der lernenden Organisation“ erarbeitet hat.62

      Erstens: Innovation gründet im Ideenreichtum einzelner Subjekte. Voraussetzung für kreative Entwicklungsprozesse ist die Selbstorganisation einer jeden Christin bzw. eines jeden Christen. Am Anfang von Change-Prozessen steht, mit Peter Senge gesprochen, die persönliche „Meisterschaft“ („Personal Mastery“).63 Konkret bedeutet „Personal Mastery“, dass „man an das Leben herangeht wie an ein schöpferisches Werk und daß man eine kreative im Gegensatz zu einer reaktiven Lebensauffassung vertritt“64. Dies manifestiert sich in zwei wesentlichen Verhaltensweisen:

      „Erstens klärt man immer wieder aufs neue, was einem wirklich wichtig ist. Häufig verwenden wir so viel Zeit auf die Bewältigung von Problemen, die entlang des Weges auftauchen, daß wir ganz vergessen, warum wir überhaupt auf diesem Weg sind. Das Ergebnis ist, daß wir nur eine sehr vage oder sogar falsche Vorstellung davon haben, was uns wirklich wichtig ist. Zweitens lernt man kontinuierlich, die gegenwärtige Realität deutlicher wahrzunehmen. Wir alle kennen Menschen, die sich in kontraproduktive Beziehungen verstricken und darin gefangen bleiben, weil sie weiterhin so tun, als wäre alles in Ordnung.“65

      „Personal Mastery“ heißt zu lernen, diese beiden Pole – „Vision“ und „gegenwärtige Realität“ – in einer kreativen Spannung zu halten, wobei gilt: „[…] Personal Mastery ist nichts, das man besitzt. Es ist ein Prozeß. Es ist eine lebenslange Disziplin.“66 Im Vordergrund der „persönlichen Meisterschaft“ stehen Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung. Veränderungsprozesse in Organisationen beginnen in nichts anderem als in und mit uns selbst. Denn, so schreibt Senge, „Organisationen lernen nur, wenn die einzelnen Menschen etwas lernen“67. Dementsprechend geht es darum, das Selbstvertrauen jedes Einzelnen in sich selbst zu stärken, Selbstorganisation zu fördern, sowie die Pluralität von Ideen und das Risiko unerwarteter Überraschungen zu begrüßen.

      Kreative Wandlungsprozesse setzen zweitens die Infragestellung von gewohnten Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen voraus. Freiwillig Engagierte müssen genauso wie hauptamtlich Tätige lernen, sich ihrer „mentalen Modelle“ zu vergewissern, genauer ihrer Denkschemata, „Bilder, Annahmen und Geschichten“, die darauf Einfluss nehmen, wie die Menschen sich selbst, ihre Mitmenschen, die Institutionen, die Welt wahrnehmen.68 Oftmals werden neue Ideen deshalb „nicht in die Praxis umgesetzt, weil sie tiefverwurzelten inneren Vorstellungen vom Wesen der Dinge widersprechen – Vorstellungen, die uns an vertraute Denk- und Handlungsweisen binden“69. Diese „inneren Landkarten“ gilt es – in der Konfrontation mit anderen Denk- und Sichtweisen – kritisch zu reflektieren, zu hinterfragen, freizulegen und möglicherweise zu verändern. Denn so, wie mentale Modelle das Lernen in Organisationen lähmen können, indem sie diese „in überholten Praktiken erstarren lassen“70, so können mentale Umkehrprozesse andersherum bewirken, dass der Lernprozess vorangebracht und der Handlungsspielraum über neue Praktiken erweitert wird.

      Drittens bedarf es einer Vision, die von allen geteilt wird („shared vision“). Visionen setzen Kräfte für Veränderungsprozesse frei, anstatt die Anstrengungen allein in das gewohnte „Tagesgeschäft“ zu (re-)investieren. Visionen lassen sich nicht „top down“ verordnen. Es gilt immer wieder den Austausch so (an-)zuleiten, dass die persönlichen Sehnsüchte und Zukunftsbilder aller ProzessteilnehmerInnen zur Sprache kommen. Ohne Partizipation gibt es keine echte Visionen: