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Wie lernt Kirche Partizipation


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heißt als grundsätzlich für ihr Leben bedeutsam anerkannt würde, selbst dann, wenn daraus keine unmittelbare Zuständigkeit oder Teilhabe an einem bestimmten Dienst im engeren, institutionellen Raum von Kirche erwachsen würde.

      4. PARTIZIPATION

      4.1 ZUM BEGRIFF

      Wer von „partizipativer“ Kirchenentwicklung spricht, der muss offenlegen, was unter „Partizipation“ zu verstehen ist. Der Begriff „Partizipation“ leitet sich vom Lateinischen „pars“ (Teil, Anteil) und „capere“ (nehmen) ab. „Partem capere“ bedeutet wörtlich so viel wie „einen Teil (weg-)nehmen“. Dementsprechend ist unter „participare“ vor allem „teilnehmen (lassen), teilen, teilhaben“ zu verstehen.20 Deutlich wird, dass bereits im begrifflichen Ursprung unterschiedliche Partizipationskonzepte und -verständnisse divergieren. Nicht zuletzt deshalb fungiert „Partizipation“ häufig als Container-Begriff, in den verschiedene Bedeutungsinhalte genauso wie unterschiedliche Interessen, Hoffnungen und Erwartungen eingelagert werden. Partizipation wird dann häufig auf diffuse Art und Weise synonym zu anderen Begriffen wie etwa „Mitarbeit“, „Mitwirkung“, „(Mit-)Entscheidung“, „Mitbestimmung“ „Mitsprache“, „Teilnahme“, „Teilhabe“, „Beteiligung“ aber auch zu „Ehrenamt“ und „freiwilligem Engagement“ gebraucht. Entsprechend vielseitig sind auch einzelne (soziale, ökonomische, kulturelle, politische, kirchliche usw.) Partizipationspraktiken. So ist Partizipation etwa im politischen Kontext eng mit der Idee demokratisch strukturierter Gesellschaften verbunden. In diesem Sinne beinhaltet Partizipation „alle Handlungen, die Bürger einzeln oder in Gruppen freiwillig mit dem Ziel vornehmen, Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems (Gemeinde, Land, Bund, eventuell supranationale Einheiten) zu beeinflussen und/oder selbst zu treffen“21. Dabei sind die Beteiligungsformen im Kontext „politischer Partizipation“ vielfältig und können von der Teilnahme an Wahlen über die Mitgliedschaft in Parteien oder Gewerkschaften bis hin zu Demonstrationen und anderen Bürgerinitiativen reichen. Diese haben sowohl Auswirkungen auf die allgemeine Erwartungshaltung als auch das Bewusstsein bezüglich Partizipation und fördern gemessen daran Grenzen und Möglichkeiten ihrer Realisierung auch anderswo zutage – zum Beispiel im kirchlichen Kontext.

      4.2 PARTIZIPATION AUS SYSTEMTHEORETISCHER PERSPEKTIVE

      In systemtheoretischer Hinsicht wird Partizipation als Inklusion gedacht und der Ausgrenzung – der Exklusion – gegenüber gestellt. Niklas Luhmann bezeichnet Inklusion als „die Chance der sozialen Berücksichtigung von Personen“22, die sich dann vergrößert, wenn diese an den „Funktionssystemen teilnehmen können, je nachdem, in welchem Funktionsbereich und unter welchem Code ihre Kommunikation eingebracht wird“23. Partizipation stellt somit die Voraussetzung für Inklusion dar. Dabei kann Partizipation unterschiedliche Grade annehmen: Die stärkste Form von Partizipation ist die Beteiligung von Personen an Entscheidungen, sodass sie als EntscheidungsträgerInnen in die relevante Umwelt einbezogen werden. In dem Fall, dass Personen ihre Meinung äußern, werden sie in spezifische Subsysteme als TeilnehmerInnen inkludiert. Wenn Personen lediglich informiert, hingegen nicht aktiv beteiligt werden, kann aus systemtheoretischer Sicht von Partizipation kaum die Rede sein.24 Umso wichtiger erscheint, dass der tatsächliche Partizipationsgrad transparent gemacht wird, und zwar indem folgende Fragestellungen einer Klärung zugeführt werden:

      „• Kann und will man den betroffenen Personen/Gruppierungen wirklich Entscheidungskompetenz gewähren – auch wenn die erreichten Entscheidungen letztlich nicht den Vorstellungen des Managements oder der Projektleitung entsprechen?

      • Sind die Betroffenen zahlenmäßig so stark in der Projektgruppe […] vertreten, dass sie Entscheidungen wirklich in ihrem Sinn beeinflussen können, oder bestehen Entscheidungsfindungsstrukturen (z. B. Einstimmigkeit), welche ihren Einfluss garantieren?

      • Ist garantiert, dass die inkludierten Personen wirklich die Personengruppe repräsentieren, die sie formal vertreten? […]

      • Wenn keine Entscheidungspartizipation vorgesehen ist, sondern lediglich Anhörung oder Kooperation – bestehen dann systeminterne Prämissen, wie mit den eingeholten Meinungen und auffälligen Widersprüchen umgegangen wird, und sind diese Prämissen den Angehörten bekannt?“25

      Zentral ist der Hinweis auf die „Differenz von Semantik und Systemstruktur“26, das heißt auf die Unterscheidung zwischen dem, was verkündet wird und dem, was tatsächlich realisiert werden kann. Anders gesagt: Es ist wichtig, offenzulegen, welcher Grad an Partizipation überhaupt möglich oder eben nicht möglich ist anstatt Partizipation dort und dann zu proklamieren, wo und wann sie systemisch und strukturell gar nicht umgesetzt werden kann bzw. soll.

      4.3 PARTIZIPATION AUS THEOLOGISCHER PERSPEKTIVE

      Theologisch hat insbesondere das Zweite Vatikanische Konzil eine neue Epoche der Partizipation in der Kirche eingeleitet.27 In der Dogmatischen Konstitution über die Kirche wird zum Ausdruck gebracht (LG 10-12), dass alle Gläubigen durch Taufe und Firmung in gleicher Weise am dreifachen Amt Christi teilhaben und zwar – das ist entscheidend – in direkter und keineswegs durch das ordinierte Amt abgeleiteter Weise. Papst Johannes Paul II. hat in seinem nachsynodalen apostolischen Schreiben Christifideles laici bekräftigt, dass die „Teilhabe der Laien am dreifachen Amt Christi, des Priesters, Propheten und Königs […] ihre erste Wurzel in der Taufsalbung [hat], und […] in der Firmung ihre Ausfaltung [erfährt]“28. Und er führt fort:

      „Weil sie sich von der kirchlichen communio ableitet, muß die Teilhabe der Laien am dreifachen Amt Christi in der communio und um des Wachstums der communio willen gelebt und verwirklicht werden.“29

      Nach Walter Kasper wird der Communio-Begriff des Zweiten Vatikanischen Konzils unterdessen in dem Fall „unzureichend, ja falsch verstanden, würde man ihn lediglich als Strukturbegriff verstehen, der organisatorisch in einem besseren geschwisterlichen Miteinander der einzelnen Christen, Charismen, Ämter und Dienste, der Geschlechter, Völker, Kulturen und nicht zuletzt der Ortskirchen innerhalb der einen Kirche umzusetzen wäre“30. Insofern versteht Kasper „Communio“ als „das Wesen, besser: das Mysterium der Kirche selbst“, womit Kirche als Communio letztlich „Ikone, vergegenwärtigendes Abbild und Teilhabe an der trinitarischen Communio zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist“31 ist.

      Darüber hinaus entfaltet das Konzil in Lumen Gentium den Leitgedanken vom Priestertum aller Gläubigen (LG 10). Demnach sind alle Getauften zu „einem heiligen Priestertum geweiht“ und dazu berufen, an der Sendung der Kirche mitzuwirken. Mindestens irreführend klingt die Aussage, dass das besondere oder hierarchische Priestertum sich vom gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“ unterscheide (LG 10). Denn diese Aussage, so konstatiert Bernd J. Hilberath, „suggeriert die zumindest hier unangebrachte Alternative von Wesen und Funktion“ und er führt weiter aus: „Das Wesen Christi war seine Funktion, sein Dasein für andere.“32 Theologisch wird deshalb betont, dass kein gradueller, quantitativer Unterschied (im Sinne von „mehr“ oder „größerer“ Teilhabe) zwischen den geweihten Amtsträgern und den „Laien“ gemeint sein kann. Die Aussageintention von LG 10 ist auch keine „ontologische Höherqualifizierung des Amtspriestertums“ wie die Formulierung „dem Wesen nach“33 vermuten lassen könnte. Vielmehr sollte der eigene nicht vom gemeinsamen Priestertum abhängige Charakter hervorgehoben werden, woraus konsequenterweise auch folgt, dass umgekehrt, „die anderen Dienste und Charismen in der Kirche sich nicht vom Amt her ableiten und definieren (etwa als ‚nicht-amtliche‘ oder ‚Laien-Dienste‘), sondern einen eigenen, dem ‚Wesen‘ nach verschiedenen (= unableitbaren) Charakter vom Amt haben“34.

      Diese Sicht wird durch mindestens zwei weitere Leitgedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils unterstützt. Da ist zum einen die Lehre vom Glaubenssinn des ganzen Volkes Gottes, vom „sensus fidelium“ (LG 12). Demzufolge kann laut LG 12 die

      „Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben, […] im Glauben nicht fehlgehen, und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie mittels des übernatürlichen