Martin Gebhardt

Katholiken in den Thüringer Kleinstaaten


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territorialistischstaatskirchlicher Weise […], seit 1815 durch die Konsistorien, seit 1817 zum Teil auch durch die Oberpräsidenten…“, Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 523. Ein Konkordat war unter diesen Präferenzen für beide Seiten nur schwer aushandelbar, so dass Niebuhr, eingehend auf die Bedenken der Gegenseite, für den Staat Preußen nur noch eine leichter zu erreichende Zirkumskriptionsbulle erstrebte. Vgl. ebd. Die Sanktionen, die die territorialistisch-staatskirchliche Verwaltung Preußens mit sich brachten, bestanden fort, wie das Plazet in Fragen von bischöflichen Anordnungen und Stellenbesetzungen und die Überwachung der Korrespondenz mit der römischen Kurie. Vgl. ebd., S. 524.

      199 Besonders die Forderung nach Anerkennung des Summepiskopats machte ein Konkordat unmöglich, vgl. Joppen, Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg, S. 24, „Denn die seit dem Westfälischen Frieden tradierten jura könne man unter keinen Umständen preisgeben. Die katholische Kirche mußte daher eine unversöhnliche Gegnerin der preußischen Kirchenpolitik bleiben und konnte nicht eher ruhen, bis dieselbe – d. h. die obwaltende Staatsräson selbst – zu Grabe getragen war.“ Ebd., S. 22.

      200 Vgl. ebd., S. 18-21. Allein in Bayern war der Abschluss eines Konkordats möglich. Zu den Frankfurter Verhandlungen von 1818 zur Neuordnung der Kath. Kirche in Deutschland vgl. Burkard, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche, S. 161-260.

      201 Bulle Papst VII. „De salute animarum“, 16. Juli 1821. in: Huber/Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, S. 212. Vgl. hierzu auch H. Brück, Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im neunzehnten Jahrhundert, Bd. II: Vom Abschlusse der Concordate bis zur Bischofsversammlung in Würzburg im März 1848, Münster 21903, S. 71-74. Nach Brück wurde die Bulle bereits am 14. Juli unterzeichnet, vgl. ebd., S. 71.

      202 Der Bestand des Bistums Paderborn wurde erst mit den Entscheidungen des Jahres 1821 sichergestellt. Nach der Aufhebung des alten Fürstbistums 1802 durch Preußen bestand es in rein kirchlicher Struktur weiter. Ab 1806 gehörte der Bischofsitz zum neugegründeten Königreich Westphalen, das ein französisches Staatskonstrukt darstellte und mit König Jérôme den Bruder Napoleons als Staatsoberhaupt hatte. Dieser plante, den Bischofssitz an seine Residenz in Kassel zu verlegen, scheiterte jedoch diesbezüglich. Auch nach dem Ende der französischen Herrschaft war ein Fortbestehen des Bistums fraglich. In Fragen der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse erschien ein selbstständiges Bistum Paderborn nicht mehr in den Verhandlungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl. Ein Entwurf sah die Einverleibung der Diözese in das Bistum Münster vor, ein anderer in das Erzbistum Köln. Erst die Bulle „De salute animarum“ sprach den Fortbestand des Bistums aus und sorgte für eine Umschreibung der Diözesangrenzen. Vgl. Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3: Das Bistum Paderborn im Industriezeitalter 1821-1930 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Mitteldeutschen Kirchenprovinz 14), Paderborn 1997, S. 21. Vgl. weiterführend: Hausberger, Reichskirche, S. 168-178.

      203 Die Bistumszugehörigkeit der Stadt Erfurt und des Eichsfelds zu Paderborn wurde später nicht in Abrede gestellt. In Weimar entwickelte sich jedoch ein heftiger Streit über die Diözesanzugehörigkeit der katholischen Untertanen: konkret handelte es sich um das Gebiet der Rhön. Es gehörte als katholische Enklave seit Jahrhunderten zur Fürstabtei bzw. zum Fürstbistum Fulda, das auch geographisch am Nächsten lag. „De salute animarum“ unterscheidet jedoch dieses neue weimarische Staatsgebiet nicht vom protestantischen Stammland, so dass nach Wortlaut des Schreibens die Rhöner Pfarreien ab sofort zum Bistum Paderborn gehörten.

      204 Vgl. Burkard, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche, S. 506.

      205 Bulle Papst VII. „Provida solersque“, 16. August 1821. in: Huber/Huber, Staat und Kirche, S. 249f. Die Regierung in Weimar ging jedoch von der bis dato im Juli getroffenen Bestimmung aus. Dies führte zu erheblichen Auseinandersetzungen.

      206 Eine solche unterschied sich jedoch zunächst von einer wirklichen Aufnahme der Territorien in die Bistümer, sondern beschränkte sich auf eine von Rom anerkannte Jurisdiktionsausübung, um die Seelsorge an den Katholiken abzusichern. Die Territorien der Fürsten zu Reuß und die Gebiete des 1826 neu umschriebenen Herzogtums Altenburg gehörten in vorreformatorischer Zeit zum Bistum Naumburg. Nach Untergang des Bistums durch Einführung der Reformation erlosch katholischerseits eine konkrete Zuordnung der Gebiete, die folglich damit direkt dem Papst unterstanden bzw. ab 1667 dem Apostolisches Vikariat für die Nordische Mission. Konkrete Auswirkungen hatte dies jedoch nicht. Erst mit Entstehung katholischer Gemeindestrukturen wurden jurisdiktionelle Zuordnungen mit den Erzbischöfen von Prag (für Reuß ä. L.) und den Apostolischen Vikaren in Dresden ausgehandelt.

      207 Vgl. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 517; R. Aubert, Die katholische Kirche und die Restauration. Die erneuerte Stellung des Heiligen Stuhles in der Kirche, in: H. Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VI, Die Kirche in der Gegenwart, I. Teil: Zwischen Revolution und Restauration, Freiburg u.a. 1985, S. 127-139, hier S. 130-132 und R. Lill, Kirchliche Reorganisation und Staatskirchentum in den Ländern des Deutschen Bundes und in der Schweiz, in: H. Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VI, Die Kirche in der Gegenwart, I. Teil: Zwischen Revolution und Restauration, Freiburg u.a. 1985, S. 160-173, hier S. 163, sowie: Fleischer, Katholische und lutherische Ireniker, S. 91 und Wolf, Katholische Kirchengeschichte, S. 101-106.

      208 Vgl. M. Ebertz, „Ein Haus voll Glorie, schauet…“ Modernisierungsprozesse der römischkatholischen Kirche im 19. Jahrhundert, in: W. Schieder (Hg.), Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (Industrielle Welt 54), Stuttgart 1993, S. 62-85, hier S. 62f.

      209 Die ultramontane Perspektive auf die Verhandlungen der Staats-Kirchenverträge war sehr kritisch ausgeprägt. Den kirchlichen Verhandlungspartnern wurde ein „antikirchlicher Geist“ nachgesagt, der die Vorrangstellung des Papsttums untergraben würde. Dieser Vorwurf ist sehr interessengeleitet und muss widersprochen werden. Ein Ausschluss der päpstlichen Autorität lag nicht im Sinne der kirchlischen Würdenträger und auch der Einsatz für die Kirche in Deutschland widerspricht nicht zwangsläufig der Zugehörigkeit zur römischen Kirche. Vgl. Burkard, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche, S. 726f.

      210 Vgl. Besier, Kirche, Politik und Gesellschaft, S. 9 und R. Aubert, Die Anfänge der katholischen Bewegung in Deutschland und in der Schweiz, in: H. Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VI; Die Kirche in der Gegenwart, I. Teil: Zwischen Revolution und Restauration, Freiburg u.a. 1985, S. 259-271, hier 261f. Fernerhin: K. Rivinius, Der Weg des deutschen Katholizismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: ThGl 72 (1982), S. 216-225, hier S. 219f und Wolf, Katholische Kirchengeschichte, S. 112-114.

      211 Der ultramontane Katholizismus war stark konservativ, antimodern und zentralistisch geprägt. Der Universalepiskopat und die Unfehlbarkeit des Papstes wurden ins Zentrum des katholischen Bekenntnisses gerückt. Kirchliches Leben an sich, aber auch Theologie (stark neuscholastisch geprägt) und Philosophie wurden stark an die Autorität des Lehramtes gebunden. Vgl. J. Strötz, Der Fels der Kirche. Ultramontane Kirchenlehre im 19. Jahrhundert dargestellt am Beispiel des Eichstätter Bischofs Franz Leopold Freiherr von Leonrod (1827-1905) (Studien zu Religionspädagogik und Pastoralgeschichte 6), Hamburg 2003, S. 65-97, hier S. 66f. und dazu weiterführend: Hürten, Kurze Geschichte des deutschen Katholizismus, S. 109-135; Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, S. 89; Wolf, Katholische Kirchengeschichte, S. 115-117; K. Schatz, Aufklärung, Staatskirchentum und Ultramontanismus im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, in: K.-H. Braun (Hg.), Kirche und Aufklärung – Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774-1869) (Schriftenreihe der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg 38), München-Zürich 1989, S. 9-27, hier S. 11.

      212 Vgl. Hürten, Kirche auf dem Weg, S. 99. Und dazu weiterführend: B. Schreyer, Die „Nation“ als Zauberwort der Moderne. Nationales Denken im Liberalismus, Konservatismus und bei den Völkischen im 19. Jahrhundert (Spektrum Philosophie 32), Würzburg 2008.

      213 Vgl. J. Störtz, Der Katholizismus