Heinz Gebhardt

Als die Oper mit Bier gelöscht wurde


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Alter Hof mit Erker am Burgstock

      Der Hofstaat war natürlich in heller Aufregung und warf sämtliche Betten und Matratzen aus den Fenstern und baute unterm Erker ein Auffanglager für den Fall, dass der spätere Kaiser herunterplumpst. Der Affe war aber nicht so dumm ihn fallen zu lassen, sondern kletterte mit seinem Spielkameraden wieder ins Haus zurück und war von nun an der Star in der Burg, so wie vor wenigen Jahren unser »Knut« oder »Flocke«.

      Diese herrliche Viecherei hat nur einen Haken: Sicher ist, dass der Affe mit dem Kind irgendeinen Scherz getrieben haben muss, aber dass er den Erker mit dem Kleinen auf dem Arm hinaufgeklettert sein soll ... da widerspricht leider die historische Realität: Der Erker wurde nämlich erst 120 Jahre nach dem Tod des kleinen Ludwig erbaut!

      »Ich rufe auf Befehl Gottes und so laut ich kann: Lasset die Hexen nicht leben! Mit Feuer und Schwert ist diese schlimmste menschliche Pest zu vertilgen!«, predigte der Jesuit Drexel 1615 von der Kanzel der gerade eingeweihten Michaelskirche. Dass durch Hexenprozesse auch Unschuldige bestraft werden könnten, ließ er ebenso wenig gelten wie den Einwand, dass trotz Jahrzehnten der Hexenverfolgung sich die Anzahl der Hexen nicht verringert hätte. Vielmehr war für ihn die Tatsache, dass die Obrigkeit »so viel tausend dieses höllischen Pöbels« hatte verbrennen lassen Beweis genug, »dass Hexen und Unholde tatsächlich existierten«. Der erste große Hexenprozess in München lief schon ein paar Jahre vorher, anno 1590: Unter Vorsitz des Stadtoberrichters Christoph Riemhofer wurden »vier Weibspersonen wegen Hexerei zum Feuertod« verurteilt: Anna und Brigitta Anbacher, Regina Lutz und Regina Pollinger. Sie hatten Geschlechtsverkehr mit dem Teufel und fuhren nachts durch die Lüfte über die Felder vor München aus und verwüsteten sie. Alle vier wurden gleichzeitig lebendig verbrannt. Um Hexen in München ausfindig zu machen, wurde Jörg Abriel, ein Henker und Hexenspezialist aus Schongau, eigens nach München geholt. Hexen erkannte man an ihren »Hexenmalen«, Muttermale, Leberflecke oder Hautabschürfungen. Wenn sie beim Hineinstechen mit einer Nadel nicht bluteten, war dies ein sicheres Zeichen für eine Hexe. Münchens große Hinrichtungsstätte lag genau an der Stelle des heutigen Bus-Bahnhofes Hackerbrücke. In der Regel wurden die Frauen an einen senkrechten Baumstamm gebunden und bei lebendigem Leibe verbrannt. Waren sie gebrechlich oder schon in hohem Alter, verkürzte der Henker die Hinrichtung, indem er sie am Baumstamm mit einer Zwinge vorher erdrosselte. Jungen Mädchen wurde als Gnadenerweis manchmal ein Säckchen Schwarzpulver an den Hals gebunden, das beim Höhersteigen der Flammen explodierte und den Hals zerriss, bevor der Körper verbrannte. Die zum Feuertod verurteilten Frauen und Mädchen mussten die Kosten für ihre Verbrennung selbst bezahlen: Der Henker bekam 40 Gulden, die nötigen fünf Klafter Holz kosteten 7 Gulden 30 Kreuzer, zwei Schober Stroh 4 Gulden und die 15 Pechkränze zum Anzünden je 30 Kreuzer. Nur wenn die »Hexe« mittellos war und keine Verwandtschaft dafür aufkommen konnte, bezahlte den Scheiterhaufen die Stadtkasse. Das letzte Hexenfeuer brannte in München 1721 für die Hofstallknechtstochter Dellinger, die erst erdrosselt und dann verbrannt wurde.

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       Nicht nur an die 200 Hexen wurden an der Münchner Hinrichtungsstätte lebendig verbrannt. Auf diesem Stich von 1670 wird ein Dieb verbrannt, der in einer Münchner Kirche einen Opferstock ausgeräumt hatte.

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       Der Jesuit Jeremias Drexel fordert auf den Befehl Gottes von der Kanzel der Michaelskirche die gnadenlose Jagd und Verbrennung aller Hexen in München.

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       Ankunft des Schwedenkönigs beim heutigen Gasteig

      Seit seiner Ankunft in Deutschland am 6. Juli 1630 war der Schwedenkönig Gustav Adolf II. ungeschlagen auf dem Vormarsch: Am 15. April 1632 besiegte er das bayerische Heer bei Rain am Lech, wobei Graf Tilly tödlich verwundet wurde, einer der beiden Feldherren, nach denen die Feldherrnhalle am Odeonsplatz benannt ist und der als grimmiges Denkmal auf der Residenz-Seite steht. Am 16. Mai waren die ersten Truppen in München, am Tag darauf zog der Eroberer selbst durchs Isartor ein.

      München fiel dem Schwedenkönig kampflos in die Hände, da schwedische Unterhändler schon in Freising einen Deal mit der Residenzstadt ausgehandelt hatten: München sollte sich für 300.000 Reichsthaler freikaufen, um dadurch von der Brandschatzung verschont zu werden. Ein Betrag, der so hoch war wie das Steueraufkommen Schwedens in einem halben Jahr.

      In seiner Begleitung befand sich auch eine der schillerndsten Figuren des Dreißigjährigen Krieges, der »Winterkönig« Friedrich V., der dem Schwedenkönig den Floh ins Ohr setzen wollte, die Residenz seines ungeliebten Verwandten Maximilian doch in die Luft zu jagen. Aber Gustaf Adolf war so begeistert von diesem Bau, dass er sie am liebsten »auf Rädern nach Stockholm gerollt« hätte, wie er sagte. Die Legende machte daraus den schönen aber falschen und unausrottbaren Spruch, der Schwedenkönig hätte am liebsten »ganz München nach Schweden gerollt, wenn die Stadt Räder gehabt hätte« – aber er meinte wirklich nur die Residenz, und zwar nicht die heutige Residenz neben dem Nationaltheater, sondern den »Alten Hof«, die erste Residenz der Wittelsbacher, die auf dem Bild rechts oben gut zu sehen ist.

      Ganz so glimpflich ging der Schwedenbesuch aber doch nicht ab, denn München konnte die hohe Summe nicht sofort aufbringen und daher nahm Gustav Adolf bis zur vollständigen Bezahlung 42 hochrangige Personen als Geiseln mit, nach denen heute im Stadtteil Laim rund um die Agricola- und Valpichlerstraße jedem von ihnen eine Straße gewidmet ist.

      Kurfürst Max III. Joseph von Bayern starb ohne männlichen Erben, so dass 1777 die altbayerische Linie der Wittelsbacher ausgestorben war. Noch zu Lebzeiten bestimmte er aber, dass die Pfälzer Linie die Erbfolge antreten soll. Nun kam also Kurfürst Karl Theodor aus Mannheim nach München, widerwilligst und erst nachdem sein Plan gescheitert war, Bayern an Österreich zu verschachern und gegen die reicheren Niederlande einzuhandeln. Ausgerechnet ein Preuße, Friedrich der Große, rettete Bayern vor diesem Pfälzer Kuhhandel. Karl Theodor zog also ins ungeliebte Bayern.

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       Die Nackerten-Wiese war ursprünglich der Militärgarten, der Teil über dem Bach wurde den Münchnern zum Spazierengehen freigegeben.

      Dort führte der bei den Münchnern nicht beliebte Kurfürst 1784 mit seinem Generalmajor Benjamin Thompson und dessen Erfahrungen aus dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg eine große Heeresreform durch, zu der auch die Anlage großer Militärgärten gehörte. Sie sollten zur »soldatischen Freizeitertüchtigung« dienen, aber ebenso für Obst- und Gemüseanbau genutzt werden. Auf großen Grünflächen sollten die Soldaten auch Platz für Spaziergänge haben.

      Ein solcher Militärgarten entstand in München zwischen dem Schwabinger Bach und der heutigen Prinzregentenstraße. Um auch den Münchnern Gelegenheit zum Spazierengehen zu geben und den Magistrat zu besänftigen, erließ der Kurfürst am 13. August 1789 die Verfügung, »den hiesigen Hirsch-Anger zur allgemeinen Ergözung für dero Residenzstadt München herstellen zu lassen und diese schöne Anlage der Natur dem Publikum in ihren Erholungs-Stunden nicht länger vorzuenthalten.« Der erste Anlauf einer neuen Militär-Parkanlage war nämlich zur Wut der Bevölkerung erbärmlich gescheitert, weil die von ihm angekauften Grundstücke nicht für den Park verwendet wurden, sondern unter der Hand wieder teuer weiterverkauft wurden.

      Mit Unterstützung des Schwetzinger Hofgärtners Friedrich Ludwig Sckell entstand nun unter der Regie von Thompson der erste großflächig angelegte Park nach Vorbild der Landschaftsgärten in England, der natürlich nach Kurfürst Karl-Theodor »Theodorspark« heißen musste. Aber genauso wie der Name Karlsplatz dem Stachus gewichen ist, verwandelte sich auch der Name »Theodorspark« schnell in »Englischer