Heinz Gebhardt

Als die Oper mit Bier gelöscht wurde


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zerstört, Bäumchen herausgerissen und überhaupt: Warum sollten jetzt alle plötzlich »Spazierengehen«? Das war doch auch eine der Marotten dieses ungeliebten Pfälzers, und erst mit den Jahren gewöhnten sich die Münchner an ihren »Englischen Garten«.

      München platzte zu dieser Zeit aus allen Nähten: 37.840 Einwohner zählte die Stadt 1781 und innerhalb der Stadtmauern konnte nur noch durch Aufstocken alter Häuser Platz gewonnen werden. Wohlhabende Familien bauten schon außerhalb des Mauerrings ihre Villen. 1790 befahl Karl Theodor den Mauerring einzureißen, das Neuhauser Tor aber stehen zu lassen und Architekt Franz Thun baute links und rechts davon das für den Platz so typische Rondell. Der Platz und das Tor wurden auch gleich auf den Namen seines Gönners »Karl« getauft und er würde auch heute noch so heißen, wenn dieser Kurfürst bei den Münchnern nicht so verhasst gewesen wäre!

      Als die Stadtväter 1791 gegen den despotischen Pfälzer aufbegehrten, mussten sie sich vor seinem Öl-Portrait niederknien und ihn um Verzeihung bitten. Und als die Wut der Bevölkerung noch mehr anwuchs, entzog Karl-Theodor den Stadtvätern die bürgerlichen Ehrenrechte. Aber die Münchner rächten sich: Lieber bissen sie sich die Zunge ab, als mit diesem Platz auch seinen Namen auszusprechen. Wenn jemand dorthin musste, dann ging er nicht zum Karlsplatz, sondern zum Stachus. Das war die Kurzform des »Stachusgartens«, einem Wirtshaus, das seit 1755 an der Stelle des heutigen Kaufhofs stand und seinen Namen vom ersten Wirt, dem Eustachius Föderl hatte. Der Amtsschimmel tut sich bis heute schwer mit diesem Platz: Auf offiziellen Schildern und Bezeichnungen darf der Name »Stachus« nur in Klammern erscheinen. Kurfürst Karl Theodor is watching you!

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       Luftaufnahme Karlsplatz (Stachus)

      Das silberne Riesendenkmal auf dem Promenadeplatz kennt jeder, aber wer war denn dieser Graf Montgelas, war er wirklich eine solche Größe, dass er so gewaltig und strahlend mitten in der Stadt stehen muss?

      Maximilian Josef Graf von Montgelas – geboren 1759 in München – wurde 1799 von Kurfürst Max IV. Joseph, dem späteren König Max I. Joseph, zum Minister ernannt. In den folgenden Jahren entwickelte er sich zum größten Reformer Bayerns im 19. Jahrhundert. Geprägt von der Französischen Revolution und vom Geist der Aufklärung war er ein rein rational denkender Politiker. Durch ein äußerst geschicktes und geheim ausgehandeltes Bündnis mit Napoleon war er es, der 1805 Bayern vom Kurfürstentum ins Königreich führte.

      Mit drastischen Methoden setzte er die Säkularisation und Enteignung zahlreicher Klöster durch, reformierte die gesamte Staatsverwaltung und brachte eine große Justizreform in Gang.

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       Montgelas-Denkmal, Promenadeplatz

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       Maximilian Josef Graf von Montgelas (1759–1838)

      Montgelas vereinheitlichte die bisher verschiedenen Gewichte, Maße und Währungen im Land und hob alle Zollbeschränkungen innerhalb Bayerns auf. Er entwarf eine völlig neue Steuergesetzgebung und ließ Bayern komplett neu vermessen, was endlich einheitliche Flurkarten zur Folge hatte. Auch die Einführung der Schulpflicht und der Wehrpflicht geht auf sein Konto, nicht zu vergessen die Pockenschutzimpfung. Ein modernes Beamtenrecht, die Witwenrente, staatliche Pensionen und die Gleichstellung von Katholiken und Protestanten sind ebenfalls sein Verdienst. Natürlich trägt auch die Bayerische Verfassung seine Handschrift sowie ein neues Strafgesetzbuch, in dem 1813 die Folter abgeschafft wurde.

      Mit solchen gewaltigen Umwälzungen schafft man sich natürlich nicht nur Freunde. Einer, der es gar nicht mit ihm konnte, war der Sohn von Kurfürst Max Joseph, König Ludwig I. Er wollte ihn schon lange loswerden und nach Missernten und Hungersnöten im Land nahm er diese Katastrophen zum Anlass, Montgelas als Minister zu entlassen. Montgelas starb 1838 in München und ist in der Familiengruft in Niederbayern begraben.

      »Kinder und Narren sagen die Wahrheit« ist eine uralte Weisheit und auch der Grund, warum seit dem Mittelalter Narren an den Herrscherhöfen einen besonderen Platz hatten. In den abgeschotteten Zirkeln der Macht verlor man damals wie heute schnell das Gespür für das, was draußen in der Bevölkerung vorging und gedacht wurde. Wahrheiten aber, wie sie Hofbeamte und Minister sich nie auszusprechen getrauten, konnte ein Sonderling, der sowieso nur Närrisches daherredet, meist mit Witzen und Späßen garniert ungestraft und zur Erheiterung der höchsten Herrschaften aussprechen. Natürlich erfuhr dabei der Regent auch, was seine allernächste Umgebung wirklich über ihn dachte. Der letzte Hofnarr in der Münchner Residenz war Georg Prangerl (1745–1820), von allen nur »der Prangerl« genannt, was auf seine kleine Gestalt hindeutet. Er war Musikant, konnte mehrere Instrumente spielen und unterhielt die Münchner in der »Cafféschänke« des Giovanni Pedro Sardi, dem heutigen Tambosi am Hofgarten. Seine Witze waren oft unter der Gürtellinie, zotig, derb und schonungslos. Er ging nie ohne Stock aus, mit dem er manchmal wahllos auf Passanten und sogar auf Kinder einschlug. Dass so ein ungehobelter, g’scherter Narr hoffähig wurde, lag an seinem Beschützer, dem beim Volk beliebten Kurfürst Max Joseph, seit 1806 König Max I. von Bayern: selbst weit entfernt von einer fürstlichen Erscheinung, von Zeitgenossen als »grober verdrießlicher Fuhrknecht« beschrieben und alles andere als ein Intellektueller. Im Hoftheater konnten für ihn die Stücke gar nicht seicht genug sein. Mit Max und dem Prangerl hatten sich eben zwei auf gleicher Wellenlänge gefunden. Aber auch beim Prangerl galt »Hochmut kommt vor dem Fall«, in seinen letzten Jahren war seine Gaudi nicht mehr »hoffähig«, er fiel in Ungnade und damit aus der Residenz. Heute laufen täglich Zigtausende unter ihm vorbei, denn sein kleines Denkmal befindet sich im Inneren des Karlstor-Durchgangs.

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       Hofnarr Prangerl im Karlstor

       »Die Münchner sind große Säufer«

      München und sein Bier

      1447 Herzog Albrecht schrieb ab: Das »Reinheitsgebot« von 1487 erfanden die Münchner schon 40 Jahre früher!

      Am 30. November 1487 unterschrieb Herzog Albrecht IV. eine Verordnung über das Brauwesen, die später als das »Bayerische Reinheitsgebot« in die Geschichte einging: Jeder Brauer musste unter Eid versichern, »das er zu einem yeden Bier allein Gersten, Hopfen und Wasser nehmen und brauen, auch das nach Nothdurft sieden, und nichts anderes darein tun, noch durch yemand andern verfügen oder sunst gestatten wölle.«

      Diesem Gesetz vorausgegangen war ein Dauerstreit, wer was wie brauen darf und was alles in den Sud hineingeschüttet werden kann. 1420 setzte der Magistrat (Stadtrat) erstmals Bierkontrolleure ein, die darüber wachten, dass kein Wasser aus den Stadtbächen zum Sieden verwendet wurde, sondern nur Wasser aus tiefen Brunnen. Diesen sogenannten »Kiesern« war es auch erlaubt, bei der »Piergschau« einen schlechten Sud zu vernichten. Da Bier in München als »flüssiges Brot« ein Lebensmittel ist, suchte der Magistrat die Kontrolle darüber zu bekommen und beschloss schon 1447 ein eigenes Reinheitsgesetz, in dem der wichtigste Satz fast wörtlich im herzoglichen Reinheitsgebot 40 Jahre später übernommen wurde: »Item sollen auch pier und greussing nur allein von gersten / hopffen und wasser und sunst nichts darunter tun noch sieden / oder man straf es für falsch«.

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       Herzog Albrecht (1447–1508)

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       Biersieder, Holzschnitt um 1450