Christiane Brendel

Martin Luther und Ignatius von Loyola


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als Gebets- und Meditationsbuch. Er sollte als Grundlage für die tägliche geistliche Übung jedes Christen im Alltag dienen. Es ging ihm um einen »lebenslangen betend-meditierenden Umgang mit den Grundtexten des Glaubens«7.

       Beten gibt dem Tag einen Rhythmus

      Ignatius empfiehlt im Exerzitienbuch, die Nacht mit einem Raum der Sammlung zu umgeben und das Gebet vorzubereiten:

      Nach dem Zubettgehen, wenn ich bereits einschlafen will, für die Dauer eines Ave Maria an die Stunde denken, in der ich aufstehen muss und wozu; dabei die Übung, die ich zu halten habe, kurz zusammenfassen.8

      Wann ich aufwache: ohne den einen oder anderen Gedanken Raum zu geben, gleich auf das achten, was ich in der ersten Übung … zu betrachten mich anschicke.9

      Und mich bei diesen Gedanken ankleiden oder bei anderen, je nach dem zugrunde liegenden Stoff.10

      Luthers Bemerkungen zum Gebet finden wir verstreut in verschiedenen Schriften. Es gibt von ihm jedoch eine kleine Schrift: »Wie man beten soll. Für Meister Peter den Barbier«. In ihr will er einen Laien zum Beten ermutigen. Zugleich gibt sie einen Einblick in Luthers eigenes Beten, ohne dass er seine Erfahrung zur Norm macht. Diese Schrift beginnt so:

      Lieber Meister Peter, ich geb’s Euch so gut, wie ich’s habe und wie ich selber zu beten pflege. Unser Herr Gott gebe euch und jedermann, es besser zu machen.11

      Er empfiehlt, das persönliche Beten mit dem Tagesablauf zu verknüpfen und den Tag mit Gebet zu beginnen und abzuschließen:

      Darum ist’s gut, daß man frühmorgens das Gebet das erste und des Abends das letzte Werk sein lasse, und sich mit Fleiß vor diesen falschen, betrügerischen Gedanken hüte, die da sagen: Warte ein wenig, in einer Stunde will ich beten, ich muß dies oder das zuvor fertig machen. Denn mit solchen Gedanken kommt man vom Gebet in die Geschäfte, die halten und umfangen einen dann, daß aus dem Gebet den Tag über nichts wird.12

      Wenn du am Abend schlafen gehst, so nimm noch etwas aus der Heiligen Schrift mit dir zu Bett, um es im Herzen zu erwägen und es – gleich wie ein Tier – wiederzukäuen und damit sanft einzuschlafen. Es soll aber nicht viel sein, eher ganz wenig, aber gut durchdacht und verstanden. Und wenn du am Morgen aufstehst, sollst du es als den Ertrag des gestrigen Tages vorfinden.13

       Des Morgens, wenn du aus dem Bette fährst, sollst du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen.

      Darauf kniend oder stehend den Glauben (das Glaubensbekenntnis) und das Vaterunser. Willst du, so magst du dies Gebetlein dazu sprechen:

       Ich danke Dir, mein lieber himmlischer Vater,

       durch Jesus Christus, Deinen lieben Sohn,

       daß Du mich diese Nacht

       vor allem Schaden und Gefahr behütet hast,

       und bitte Dich, Du wollest mich diesen Tag auch behüten

       vor Sünden und vor allem Übel,

       daß Dir all mein Tun und Leben gefalle.

       Denn ich befehle mich,

       meinen Leib und Seele und alles in Deine Hände,

       Dein heiliger Engel sei mit mir,

       daß der böse Feind keine Macht an mir finde. Amen.

      Und allsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen oder was dir deine Andacht eingibt.14

      Das Abendgebet ist im Wortlaut sehr ähnlich angelegt und endet nach dem Amen mit:

       Und alsdann flugs und fröhlich geschlafen! 15

      Gewöhne dich also: täglich des abends mit dem Vaterunser ins Bett gefallen und eingeschlafen und morgens damit wieder aus dem Bett aufgestanden.16

      Luther empfiehlt, dass jeder Übende für sich eine Form entwickelt, darauf er bleibe und dieselbe immer treibe, ein Jahr wie das andere.17 Darum wähle dir, welche Form du willst, und bleibe dabei18

       Stille, Einsamkeit und Schweigen

      Ignatius empfiehlt zum Gebet die Abgeschiedenheit und eine Atmosphäre der Stille und der Sammlung. Besonders für Exerzitien ist es notwendig, einen Abstand von Verwandten und Bekannten und den Alltagssorgen zu gewinnen. Es geht dabei um die Entscheidung, frei zu werden von der Fremdbestimmung, um sich einzulassen auf die eigene Existenz vor Gott. So können authentische Entscheidungen reifen.

      Wer die Exerzitien macht, wird dabei umso mehr vorankommen, je mehr er sich von allen Freunden und Bekannten und von aller irdischen Sorge absondert.

       Wenn er so in der Abgeschiedenheit verweilt und seine Verstandeseinsicht nicht aufgespalten auf viele Dinge richtet, sondern mehr seine ganze Aufmerksamkeit auf eine einzige Sache verlegt, nämlich seinem Schöpfer zu dienen und in seiner eigenen Seele voranzukommen, so gebraucht er seine natürlichen Fähigkeiten mit mehr Freiheit, um das mit Eifer zu suchen, was er so sehr ersehnt.

      Je mehr sich unsere Seele allein und abgesondert findet, umso geeigneter wird sie, sich ihrem Schöpfer und Herrn zu nähern und zu ihm zu kommen; und je mehr sie ihm so nahe kommt, desto mehr stellt sie sich darauf ein, Gnaden und Gaben von seiner göttlichen und höchsten Güte zu empfangen.19

      Dass es Ignatius beim Schweigen nicht um das Schweigen als solches geht, sondern um eine Sammlung der Kräfte auf das Wesentliche, zeigt eine Anweisung in den Konstitutionen für die Ausbildung der Novizen:

      Alle sollen in besonderer Weise darauf bedacht sein, mit großer Sorgfalt die Tore ihrer Sinne – insbesondere die Augen und Ohren und die Zunge – vor jeder Unordnung zu bewahren und sich in Frieden und der wahren Demut ihrer Seele zu enthalten und dies zu zeigen durch das Stillschweigen, wann es zu halten angebracht ist, und wann zu sprechen ist, durch die Überlegtheit und Erbauung ihrer Worte.20

      Auch für Luther ist Stille und Einsamkeit eine Hilfe zum Gebet. Neben der Kirche ist für ihn ein bevorzugter Ort das »stille Kämmerlein«, also ein ausgewählter ruhiger Raum:

      Wenn ich fühle, daß ich … unlustig zu beten geworden binso laufe ich in die Kammerund fange an, die zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis und, je nachdem ich Zeit habe, etliche Sprüche des Paulus oder der Psalmen mündlich für mich selbst zu sprechen.21

      Die Stille der Einsamkeit macht es möglich, mit Herz und allen Sinnen zu beten: Wer sprechen und hören will, muss lernen, einsam zu sein mit Christus, so geschah es mir. Meine Lehre und Predigt konnte ich nicht in allen Büchern erwerben, im Aristoteles, bei den Scholastikern … bis ich von der Menge abgesondert wurde und ihn allein hörte. Als ich das tat und jenen allein hörte und mich ihm mit Maria zu Füßen setzte, da habe ich gelernt, was Christus ist und wurde ein Gelehrter im Glauben.22

       Gleichwie die Sonne in einem stillen Wasser gut zu sehen ist und es kräftig erwärmt, kann sie in einem bewegten, rauschenden Wasser nicht deutlich gesehen werden. Darum, willst du auch erleuchtet werden durch das Evangelium, so gehe hin, wo du still sein und das Bild dir tief ins Herz fassen kannst, da wirst du finden Wunder über Wunder. 23

       Beten mit dem Leib – die Körpersprache des Glaubens

      Durch Gebetsgesten kann der innere und äußere Mensch in Einklang gebracht werden, denn auch der Leib will mitbeten.

      Ignatius:

      Um das Zeichen des heiligen Kreuzes zu machen, legen wir die Hand an das Haupt, was Gott Vater bedeutet, welcher von niemandem ausgeht; wenn wir die Hand an