Urs Hafner

Forschung in der Filterblase


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müde zu betonen, dass Wissenschaft und Forschung der Gesellschaft vielfältig nützen, auch ökonomisch. Die Nutzendiskussion aber ist komplex, vertrackt und für die Wissenschaften gefährlich. Der ökonomische Nutzen eines universitär angestossenen Start-ups bedeutet noch lange nicht den ökonomischen Nutzen für alle. Hat die Gesellschaft einen Nutzen von Robotern in Altersheimen? Von Geoengeneering? Oder von Bürgerinnen und Bürgern, die durch Forschung zur Selbstreflexion angehalten werden?

      Die Stiftung SeC agiert zurückhaltender als ihr deutsches Pendant. Historisch bildet SeC in der Schweiz die nationale Verkörperung der Wissenschaftskommunikation schlechthin. Nach eigenen Angaben fördert die siebenköpfige Stiftung, die den Akademien der Wissenschaften Schweiz angeschlossen ist, «den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Sie setzt sich für die Wertschätzung und das Verständnis aller Wissenschaften ein und thematisiert deren Chancen und Grenzen. SeC fördert die Rückmeldungen der Zivilbevölkerung an die Wissenschaften, im Besonderen über Wertefragen.»29

      Drei strategische Schwerpunkte verfolgt die Stiftung: erstens den «direkten Dialog zwischen Forschenden und Bürgerinnen und Bürgern» – dies vor allem mittels der klassischen «Wissenschaftscafés», an denen Forschende und Leute aus der Berufspraxis sich mit dem Publikum über aktuelle Themen unterhalten, etwa über interreligiöse Paarbeziehungen, die Faszination des Gehirns, die Zukunft Berns oder den Kindergarteneintritt. An manchen Veranstaltungen nehmen bis zu 200 Personen teil. Auffällig ist, dass die Themen in der Regel wenig kontrovers, wenig «intellektuell» und sehr «angewandt» sind. Die Fachhochschulen sind stärker vertreten als die Universitäten. Der zweite Schwerpunkt der Stiftung ist neu die digitale Interaktion, für die eigens ein Social-Media-Manager eingestellt wurde. Er betreut die Kanäle der sozialen Netzwerke. Auf Facebook etwa wirbt SeC mit Videos vor allem für Citizen-Science-Projekte: Die Leute sollen weniger Plastik verbrauchen, um die Verschmutzung der Weltmeere zu stoppen. Die Anzahl der Facebook-Abonnenten beträgt 1200 (Stand Juli 2018). Der dritte Schwerpunkt fördert den Dialog zwischen den Akteuren der Wissenschaftskommunikation mit einem zweijährlich stattfindenden Kongress.

      In den letzten Jahren hat SeC einen Bedeutungsverlust hinnehmen müssen. Um 2012 diskutierte das Parlament gar die Abschaffung der Stiftung; ihr Budget wurde halbiert, ein neues Team trat an. Die Stiftung hatte sich in ihrer damaligen Form überlebt. Sie war 1998 vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation im Nachgang zur abgelehnten Genschutzinitiative gegründet worden, die den «Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulationen» forderte. Die Wissenschaftsverwaltung und die Industrie stellten erschreckt fest, dass ein Graben zwischen Wissenschaft und Bevölkerung klaffe, der die Forschung bedrohe. Hinter der Stiftung standen die vier Akademien der Wissenschaften der Schweiz, der SNF sowie der Handels- und Industrieverein (heute Economiesuisse). Gut dotiert organisierte sie 2002, 2005 und 2009 grosse Wissenschaftsfestivals, dazu Bürgerforen und die Wissenschaftscafés. SeC agierte unter dem Paradigma des «Dialogs auf Augenhöhe», den sie nun erweitert hat um die Interaktion in den sozialen Netzwerken und die Partizipation im Rahmen der Citizen-Science-Projekte.

      SeC war eine der ersten Institutionen der Schweiz, die im grossen Stil Wissenschaftskommunikation nach dem Dialogprinzip betrieb. Heute organisieren die meisten Hochschulen ihre eigenen Wissenschaftsfestivals und Wissenschaftscafés, an denen sie sich selbst und ihr Personal in Szene setzen. In den urbanen Zentren, namentlich im Raum Zürich mit seiner grossen Universität, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, sei SeC deshalb zum Beispiel kaum mit Veranstaltungen präsent, sagt Geschäftsführer Philipp Burkard. Die Stiftung bearbeite strategisch Nischen, sowohl geografisch als auch thematisch, zum Beispiel in mittelgrossen Städten und auf dem Land: Da könne man Hemmschwellen abbauen. Wenn man Wissenschaftskommunikation nicht auf die Hochschulen beschränke, sondern weiter fasse und also auch Museen, Zoos und botanische Gärten miteinbeziehe, dann sehe man, dass diese Kommunikation sehr wohl etwas bringe.

      Der Wissenschaftsbarometer Schweiz bestätige, dass die meisten Leute wissenschaftsfreundlich seien, sagt Burkard. SeC wolle zudem zeigen, dass die Wissenschaftskommunikation nicht nur Ergebnisse darstelle und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich uneinig seien, denn Wissenschaft sei ein diskursives Feld. Eine zeitgemässe Wissenschaftskommunikation trage nicht nur Erfolgsstorys vor, denn die Wissenschaft sei kein ideales System und bringe auch enttäuschende Resultate hervor.

      Zu behaupten, dass SeC auch Misserfolge thematisiere, wäre indes übertrieben; ein Blick auf die Tätigkeiten der Stiftung hat keinen solchen Fall zutage gefördert. Eine Pionierleistung etwa in Bezug auf die Nutzung sozialer Netzwerke hat SeC auch nicht erbracht; manche Hochschulen haben da seit Längerem mehr Erfahrungen gesammelt. Auffallend hingegen ist, dass SeC sich um die niederschwellige Kontaktaufnahme mit der wissenschaftsfernen Bevölkerung bemüht, ohne sich im Glanz von Exzellenz, Spitzenforschung und Innovation zu sonnen, wie das die Organe der Wissenschaftsverwaltung des Bundes gerne tun. SeC dürfte gerade deshalb auf ein breites Publikum weder arrogant noch einschüchternd noch abschreckend wirken. Videowettbewerbe und Facebook-Posts richten sich an Lehrlinge und Krankenpflegerinnen, nicht an Studierende.

      Fraglich bleibt, ob der Geist der Forschung – das praxisferne und nutzenfreie Reflektieren – in den Öffentlichkeitsaktionen sichtbar wird. Wie gesagt: Wer Vögel zählt, leistet der Biologie unter Umständen einen grossen Dienst, aber das Zählen von Vögeln ist keine Forschung. Forschung liefert unter Umständen Anstösse für neue Medikamente, umweltschonende Autos, eine humane Palliative Care. Doch deren Realisierungen rufen eben auch nicht intendierte negative Folgen hervor. Gerade die höchsten Erwartungen in technologische Wunder wurden immer wieder enttäuscht. Was macht die Wissenschaftskommunikation damit? Fraglich ist zudem, wie gross die Breitenwirkung der mit bescheidenen Mitteln ausgestatteten Stiftung ist. Sie muss sich mit dem Backen kleiner Brötchen bescheiden. Dass sie an Bedeutung verloren hat, ist symptomatisch: Die in eine Art bildungsunternehmerische Selbstständigkeit geschickten universitären Hochschulen und Fachhochschulen haben ihre Selbstpromotion ausgebaut. Realisiert wird diese von den Kommunikationsabteilungen. Und diese agieren von den Institutionen ausgehend, die Teil der Gesellschaft sind, in die Wissensgesellschaft hinein.

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