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Scheidung - Wiederheirat - von der Kirche verstoßen?


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plädiert in seinem Beitrag für eine Pastoral der Wahrnehmung, Anerkennung und Begleitung von wiederverheirateten Geschiedenen, die er dezidiert gegen die Praxis der Exklusion von betroffenen Männern und Frauen stellt. Schließlich sei es eine Grundhaltung von Seelsorgerinnen und Seelsorgern, Menschen in ihrer je eigenen Lebenssituation wahrzunehmen und ihnen gerade in der Erfahrung des Scheiterns nahe zu sein. Wenn aber eine Ehe scheitert, würden sich viele Betroffene als von den zentralen Lebensvollzügen ausgeschlossen und von der Kirche abgeschrieben erfahren. Sie nehmen zur Bewältigung ihrer Lebenssituation professionelle Hilfe außerhalb einer Kirche in Anspruch. Die Glaubwürdigkeit von Kirche geht dadurch sowohl bei den Betroffenen wie in der Öffentlichkeit weiter verloren. Seelsorgerinnen und Seelsorger, die sich einer anderen Praxis verpflichten – propter homines, also um der Menschen willen –, fühlen sich im Stich gelassen. Weber will sich nicht damit abfinden, dass der Wunsch nach Seelsorge als – wie ein Betroffener sagt – „die letzte Instanz zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit“ zu oft unerfüllt bleibt. Daher plädiert er dafür, die Sehnsüchte nach Vergebung und Versöhnung, nach einem wieder gelingenden Leben, nach dem Segen Gottes für die neue Partnerschaft und nach einer neuen Beheimatung in der Kirche nicht länger als Orte der Sünde zu brandmarken, sondern als Orte von Gnade und heilender Gottesbegegnung zu würdigen. Nicht nur aus Gründen der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit dürfe man die wiederverheirateten Geschiedenen nicht aus der Kirche und den Gemeinden ausziehen lassen, sondern auch weil sie theologisch und spirituell etwas sehr Wesentliches über die Schöpfungswirklichkeit Mensch, über Fragmentarität und Scheitern und über die tiefe Sehnsucht nach Heil und Heiligung zu sagen haben.

      Kardinal Woelki von Berlin hat unlängst Papst Benedikt XVI. verteidigt, der dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der geschieden und wieder verheiratet ist, die Kommunion gereicht hat. Der Papst habe nur so gehandelt, wie jeder Seelsorger handeln würde, der niemanden abweisen wolle. Und der Kardinal weiter: Menschen könnten oft in ihrer zweiten Beziehung das verwirklichen, woran sie in ihrer Ehe gescheitert sind. Es ist zu hoffen, dass diese Auffassung eines Kardinals bald allgemeine kirchliche Praxis wird. Es wäre ein Segen für alle.

      Anmerkungen

      1 Walter Kasper, Zur Theologie der christlichen Ehe, Mainz 1977, 73 f.

      2 Ebd., 81.

      3 In: Theodor Schneider (Hg.), Geschieden – Wiederverheiratet – Abgewiesen? Antworten der Theologie, Freiburg i. Br. 1995, 374.

      4 Ebd. 375.

      5 Matthäus Kaiser, Geschieden und wiederverheiratet. Beurteilung der Ehen von Geschiedenen, die wieder heiraten, Regensburg 1983.

      6 Joseph Ratzinger, Zur Frage nach der Unauflöslichkeit der Ehe. Bemerkungen zum dogmengeschichtlichen Befund und zu seiner gegenwärtigen Bedeutung in: Franz Henrich und Volker Eid (Hg.), Ehe und Ehescheidung. Diskussion unter Christen, München 1972, 35–56, hier 54.

      7 Schneider (vgl. Fußnote 3), 378.

      8 Ebd. 394.

      9 Ebd.

      10 Ebd. 404.

      11 Ebd. 408.

      12 Walter Kardinal Kasper, Katholische Kirche. Wesen – Wirklichkeit – Sendung, Freiburg 2011, 41.

Erfahrungsberichte von Betroffenen

      Birgit Bauer*

      Den Amtsträgern lege ich ans Herz …

      Erfahrungen einer betroffenen Seelsorgerin

      Ich bin 59 Jahre alt und lebe seit meiner Scheidung vor sieben Jahren allein. Meine Kinder sind erwachsen und selbständig. Als Wirtschaftsleiterin in einem kirchlichen Unternehmen erfahre ich diesen Arbeitsplatz als ein Stück gelebte Kirche. Ich habe einen wunderbaren Freundeskreis, in dem ich mich gut aufgehoben fühle und wo ich mein Leben mit anderen teilen kann. Seit vielen Jahren engagiere ich mich in der Krisenintervention und Notfallseelsorge. Dort begleite ich auch Sterbende und ihre Angehörigen und auch Frauen in schwierigen Scheidungssituationen. Nach einer Pause von fünf Jahren (in dieser Zeit habe ich mein Studium abgeschlossen) übernehme ich auch wieder Verantwortung im Pfarrgemeinderat.

      Aufgewachsen bin ich in einem traditionell katholischen Elternhaus in bäuerlicher Umgebung. Wie das Leben einer „guten“ Frau zu verlaufen hat, wurde mir gewissermaßen schon in die Wiege gelegt. Um diesem Frauenbild zu entsprechen, bedarf es keiner speziellen Bildung. Von diesem Frauentyp wurde nur erwartet, dass man heiratet und natürlich imstande ist, den Haushalt zu führen, den Ehemann zu versorgen und zu unterstützen und Kinder großzuziehen. Zur großen Enttäuschung meiner Eltern habe ich diesem Bild nie richtig entsprochen und wurde auch deshalb in meinem familiären Umfeld selten als „vollwertige“ Frau gesehen. Die Enttäuschung meiner Angehörigen erreichte einen Höhepunkt, als ich mich in sehr jungen Jahren (mit knapp 17) entschloss, in die Großstadt zu ziehen, um neben meiner beruflichen Tätigkeit zu studieren.

      Ehe mit einem geschiedenen Mann

      Während meines Studiums lernte ich meinen Mann kennen. Er war geschieden und bereit, mit mir eine Familie zu gründen. Auf diesen Karren bin ich begeistert aufgesprungen, gab es doch in mir immer wieder – und mit zunehmendem Alter intensiver werdend – den Wunsch nach Familie, nach Kindern, nach Partnerschaft. Mit 28 Jahren habe ich geheiratet und danach zwei Kinder geboren. Meine Eltern waren einerseits erleichtert, dass die „so ganz andere Tochter“ endlich einen Mann gefunden hatte. Nun brauchten sie sich mit mir nicht mehr zu schämen. Sie waren aber andererseits nicht besonders glücklich darüber, dass dieser Mann bereits verheiratet gewesen war. Meine Geschwister konnten diese Tatsache aber gut akzeptieren. Aus „Liebe“ zu meinem Mann und meiner jungen Familie habe ich meinen Job, mein Studium und meine Wohnung aufgegeben und mich ausschließlich der Familie gewidmet. Später – nach der Scheidung – hat mich diese Entscheidung schwer getroffen.

      Ich habe mich nicht als eine Frau in wilder Ehe erfahren

      Die Tatsache, dass mein Mann geschieden war, hat mich am Anfang unserer Ehe nicht besonders beeinträchtigt. Es war mir wichtig, eine Ehe nach christlichen Werten zu führen, in Treue und Verantwortung bis ans Ende unserer Tage. Auch die Kinder sollten in diesem Sinne erzogen werden. Im Innersten habe ich mich niemals als eine Frau erfahren, die in „ungeordneten“ Verhältnissen oder in „wilder Ehe“ lebt. Als großen Segen habe ich unseren damaligen Pfarrer erlebt, der mich in meiner Haltung ermutigt und bestätigt hat. Ich habe mich als „vollwertiges“ Mitglied der Kirche gesehen, habe mich selbstverständlich in der Pfarre engagiert und im Bewusstsein der barmherzigen Liebe Gottes und in der Sehnsucht danach in der Überzeugung gelebt, dass Gott mit mir und meiner Familie ist. Ich war und bin noch immer zutiefst davon überzeugt, dass er mein Ringen um eine christliche Ehe und meine Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit ernst genommen und gewürdigt hat und dass er mich durch seine Gegenwart und durch sein Sich-an-mich-Verschenken auf diesem Weg bestärkt hat. Aus dieser Gewissheit heraus empfing ich auch die Sakramente.

      In späteren